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Nach Assads Sturz: Erdoğan profitiert zweifach


Die Türkei nach Assads Sturz
Erdoğan wittert eine Chance


Aktualisiert am 11.12.2024Lesedauer: 4 Min.
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Recep Tayyip Erdoğan: Der türkische Präsident könnte von der Lage in Syrien profitieren. (Quelle: IMAGO/dts Nachrichtenagentur/imago)
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Die Türkei und der Iran verfolgen in Syrien unterschiedliche Interessen. Vor allem Ankara dürfte von Assads Sturz profitieren.

Das Machtgefüge in Syrien hat sich grundlegend verändert, seit das Regime von Baschar al-Assad nicht mehr an der Macht ist. Das hat auch Folgen für die Türkei und den Iran. Die beiden Staaten verfolgen seit Jahren eigene Interessen in Syrien.

Zwar ist noch unklar, wie die politische Landschaft in Syrien in Zukunft aussehen wird. Fest steht aber bereits: Assads Ende spielt der Türkei strategisch in die Karten. Für den Iran hingegen könnte sich der Sturz seines Regimes als Rückschlag entpuppen.

Stabilität wäre Lösung für Erdoğans Archillisferse

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan könnte von Assads Sturz politisch profitieren. Dazu passt, dass er schon in den ersten Tagen der jüngsten Eskalation in Syrien sagte, er hoffe, dass die Rebellen bis nach Damaskus vordringen. Ohne Zustimmung aus Ankara dürfte deren Offensive nicht möglich gewesen sein, vermuten Analysten.

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Eine solche Analystin ist Gönül Tol, Direktorin des Middle East Institute in Washington. "Die Türkei witterte ihre Chance", sagte sie der "Financial Times" kurz vor dem Zusammenbruch des Assad-Regimes. Ankara wolle die Gelegenheit nutzen, "die Dynamik vor Ort zu ändern."

Ein wichtiges Ziel ist für Erdoğan wohl, dass sich die Zustände in Syrien beruhigen. Sollte es dort sicher genug werden, könnten nämlich viele der syrischen Geflüchteten zurückkehren. Und das könnte Erdoğan innenpolitisch stark nutzen. Denn die Türkei hat mit über drei Millionen Menschen mehr Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen als jedes andere Land. Und die Akzeptanz ist in den vergangenen Jahren bei Teilen der türkischen Bevölkerung gesunken, seit türkische Nationalisten vermehrt Stimmung gegen sie machen.

Erdoğan selbst kündigte noch am Montag die Öffnung eines seit 2013 geschlossenen Grenzpostens an der Grenze zu Syrien an. Hunderte waren nach Assads Flucht dorthin geströmt, um in ihr Heimatland zurückzukehren. "Der starke Wind des Wandels in Syrien wird allen Syrern, insbesondere den Flüchtlingen, zugutekommen", erklärte Erdoğan. "In dem Maße, in dem Syrien an Stabilität gewinnt, wird die freiwillige Rückkehr zunehmen."

Mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat Erdoğan in diesem Punkt wohl einen Verbündeten gefunden: Es müsse nun "darum gehen, dass Syrien eine sichere Heimat für alle Syrer werde, unabhängig von deren ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit", erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit nach einem Telefonat der beiden. Sie seien sich "einig, dass der Fall des diktatorischen Assad-Regimes eine sehr gute Entwicklung" sei.

Erdoğans strategische Ziele in Syrien

Nicht zuletzt erhofft sich Erdoğan wohl auch wirtschaftliche Vorteile von einer ruhigen Situation in Syrien und guten Beziehungen zur neuen Regierung: Türkische Bauunternehmen könnten beim Wiederaufbau des Landes eine Schlüsselrolle übernehmen. An der Istanbuler Börse steigen deren Aktien bereits.

Und Außenminister Hakan Fidan hob noch ein Ziel der türkischen Politik hervor: Die kurdische PKK und der "Islamische Staat" dürften keinen Vorteil aus der neuen Situation in Syrien ziehen. Die Türkei schreibt der PKK schwere Terroranschläge auf türkischem Boden zu. Auch die Miliz YPG, von der Ankara sagt, dass sie ein syrischer Ableger der PKK sei, ist für Ankara ein rotes Tuch.

Nun könnte die Türkei Gelegenheit haben, verbündete Fraktionen zu unterstützen, kurdische Kräfte zurückzudrängen. So haben nach Assads Sturz und nach zweiwöchigen schweren Gefechten gerade pro-türkische Rebellen die nordsyrische Stadt Manbidsch von Kurdenmilizen eingenommen. Die Stadt liegt nahe der türkischen Grenze, rund 70.000 Einwohner leben dort.

Doch es gibt eine große Hürde: Die USA sieht in Erdoğans Erzfeind YPG einen wichtigen Verbündeten im Kampf gegen den "Islamischen Staat". Die Türkei wolle nun "der nächsten US-Regierung zeigen, dass die Türkei den iranischen Einfluss effektiv eindämmen kann", sagt Gönül Tol vom Middle East Institute. Würden die USA die Türkei als Partner in Syrien akzeptieren, könnte das für Ankara den entscheidenden Trumpf gegen die YPG bedeuten.

"Khamenei hat alles verloren"

Den Iran hingegen dürfte der Sturz Assads schwächen. Teheran war jahrelang einer der wichtigsten Unterstützer des Assad-Regimes, hat Milizen entsandt, Waffen geliefert und enorme finanzielle Ressourcen investiert. Ein wichtiges politisches Ziel dabei: eine Allianz gegen Irans Erzfeind Israel schmieden. Am Ende war das wohl eine Verlustrechnung. Oder wie der Ex-Berater im US-Außenministerium Eliot A. Cohen in "The Atlantic" schreibt: Der oberste Führer des Iran, Ali Khamenei habe "alles verloren".

Ähnlich äußerte sich ein ehemaliger Vizepräsient des Irans, Mohamad Ali Abtahi. "Der mögliche Fall der syrischen Regierung in die Hände islamistischer Extremisten wäre eines der einschneidendsten Ereignisse in der Geschichte des Nahen Ostens", schrieb er vor Assads Fall auf X (vormals Twitter). "Der Widerstand in der Region bliebe ohne Unterstützung. Israel würde zur dominierenden Kraft werden."

Trotz des Rückschlags: Der Iran könnte wieder erstarken, glaubt Experte Cohen. Denn nun dürfte die iranische Führung versuchen, sich taktisch neu aufzustellen und ihren Einfluss neu zu sichern. Offizielle Statements blieben bisher zurückhaltend: Das iranische Außenministerium betonte lediglich, man werde weiterhin für Stabilität in Syrien eintreten.

Iran braucht Syrien, um Hisbollah zu versorgen

Der Iran braucht Syrien unter anderem als Landverbindung zum Libanon, sagte Terrorismusexperte Hans-Jakob Schindler im Gespräch mit t-online: "Ohne diese kann er die Hisbollah nicht versorgen und nach der aktuellen Schwächung durch Israel in Zukunft auch nur schwer wieder aufbauen." (Lesen Sie hier mehr dazu.)

Die libanesische Miliz Hisbollah ist durch israelische Angriffe enorm geschwächt. Der Iran braucht sie, um seinen Einfluss im Nahen Osten zu sichern und auszubauen. Sie dient Teheran als militärischer Arm im Libanon und an der Grenze zu Israel. Außerdem verfolgt der Iran weitere Interessen in Syrien, will etwa Zugang zum Mittelmeer haben.

Einen Vorteil dürfte der Sturz des Assad-Regimes dem Iran jedoch bringen: Das Regime habe den Staat viel Geld gekostet, schrieb der frühere Außenausschuss-Vorsitzende im iranischen Parlament laut "Tagesschau". Diese Belastung fällt nun weg.

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