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Assad-Sturz: Putin erlebt in Syrien ein Debakel


Assads Sturz in Syrien
Die Folgen für den Kreml wiegen schwer


Aktualisiert am 09.12.2024Lesedauer: 5 Min.
Wladimir Putin: Russland unterwandert systematisch unsere Gesellschaften, warnen Gesine Dornblüth und Thomas Franke.Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin (Archivbild): Der russische Präsident konnte den Sturz des syrischen Diktators Baschar al-Assad nicht verhindern. (Quelle: Vyacheslav Prokofyev/dpa)
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Viele Jahre hat Russland Baschar al-Assad an der Macht gehalten. Nach dem Sturz des syrischen Diktators steht Wladimir Putin nun vor den Scherben seiner Geopolitik. Dem Kreml droht in Syrien ein empfindlicher Schlag.

Viele Jahre sah er in Syrien wie der sichere Sieger aus. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte 2015 in den Bürgerkrieg eingegriffen und den syrischen Diktator Baschar als Assad an der Macht gehalten. Russische Kampfflugzeuge attackierten täglich Stellungen der Opposition, legte 2016 große Teile der Millionenstadt Aleppo in Schutt und Asche. Einerseits wollte Moskau damit russische Interessen in Syrien schützen. Andererseits sollten russische Flugabwehrsysteme ein Signal in Richtung Westen sein, dass der Kreml einen Regimewechsel nicht akzeptieren wird.

Neun Jahre später ist Putins Nahostpolitik gescheitert. In nicht einmal zwei Wochen haben syrische Rebellen, die von Islamisten dominiert werden, weite Teile von Syrien erobert und Assad musste das Land entmachtet verlassen. Auch Russland wurde vom plötzlichen Kollaps des syrischen Regimes überrascht und es ist aktuell nicht stark genug, um Assad militärisch schützen zu können. Die Folgen für den Kreml wiegen schwer.

Putin steht in Syrien nun vor einem Scherbenhaufen. Er wird nicht nur den Einfluss und die Kontrolle über einen wichtigen Verbündeten im Nahen Osten verlieren, sondern es ist wahrscheinlich, dass Russland seinen einzigen Marinestützpunkt am Mittelmeer aufgeben muss. Für den russischen Präsidenten ist der Assad-Sturz ein Debakel und eine Demütigung, für die er selbst einen Großteil der Verantwortung trägt.

Putins strategische Fehler

Denn die Schwäche der russischen Militärpräsenz in Syrien ist auch mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu erklären. Der grundlegende Fehler des Kreml liegt noch immer darin, dass russische Militärstrategen im Februar 2022 glaubten, einen schnellen und gewaltsamen Regimewechsel in Kiew ausüben zu können. Doch anstatt eines schnellen Enthauptungsschlages findet sich die russische Armee nun seit fast drei Jahren in einem verlustreichen Krieg wieder. Einem Krieg, der zunehmend alle militärischen Ressourcen aufzehrt und dem Putin alles unterordnet.

Somit gelangte auch Syrien aus dem russischen Blickfeld heraus. Es änderte sich in den vergangenen Jahren zwar nicht großartig etwas an der russischen Militärpräsenz in Syrien. Aber Putin reagierte nicht, als im September Israel den Libanon angriff, die libanesische Hisbollah Syrien zum Schutz ihres eigenen Landes verließ und damit eine große Lücke in der Verteidigung des Assad-Regimes entstand.

Vielleicht konnte der Kreml auch gar nicht reagieren. Seit 2022 wollte Moskau die Lage in Syrien eigentlich nur so gut es geht verwalten. Man übte Druck auf Assad und auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan aus, damit sich die Türkei und das syrische Regime verständigen. Während Erdoğan dem eigentlich relativ offen gegenüberstand, weil er die syrischen Flüchtlinge aus der Türkei gerne nach Syrien zurückführen würde, schlug das syrische Regime diese ausgestreckte Hand aus.

Die türkische Regierung bot Assad allein im Jahr 2024 mehrfach Gespräche an, dieser lehnte ab. Ein fataler Fehler, den Assad nun mit seinem Sturz bezahlt hat. Der türkische Staatschef macht jetzt aus seiner Schadenfreude kein Geheimnis. Bei einer Veranstaltung im türkischen Gaziantep am Samstag sagte er, die Türkei habe dem Assad-Regime zwar die Hand ausgestreckt. "Doch das Regime hat nicht verstanden, wie wichtig die Bedeutung unserer ausgestreckten Hand ist."

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Es war aber nicht nur Assad, der sich arrogant und kompromisslos präsentierte. Auch Russland erhöhte den Druck auf das syrische Regime nicht. Letztlich soll das Assad-Regime am Ende sogar die Türkei um Unterstützung gebeten haben, berichtete das "Wall Street Journal". Doch Erdoğan lehnte ab. Der türkische Staatschef bekam seine Rache und stieß damit gleichzeitig auch Wladimir Putin ein Messer in den Rücken.

Russland droht Verlust wichtiger Stützpunkte

Denn für Russland ist die gegenwärtige Situation in mehrfacher Hinsicht eine Katastrophe. Einerseits verliert es mit Assad einen Machthaber, der in hohem Maße von Moskau abhängig war. Der Diktator und die russische Militärpräsenz sicherten dem Kreml einen Platz am Tisch, wenn es um die Macht in Syrien ging. Kontrolle von Assad und militärische Stärke – das waren die beiden Säulen des russischen Einflusses in dem Bürgerkriegsland.

Eine dieser Säulen wurde mit dem Sturz Assads zertrümmert. Aber auch die andere schwankt bereits, ist kurz davor umzufallen.

Russland unterhält seinen einzigen Mittelmeerhafen in Tartus an der westlichen Küste Syriens. Außerdem ist ein wichtiger russischer Militärflughafen in der Nähe der syrischen Stadt Latakia. Diese Stützpunkte sind nun ernsthaft bedroht und es gibt zahlreiche Medienberichte darüber, dass Russland seine Kriegsschiffe bereits abgezogen hat und Flugdaten zeigen, dass schon mehrere russische Transportmaschinen vom Typ Iljuschin Il-76 in Latakia gelandet sind.

Für den Moment scheint Putin auch seine Flucht aus Syrien vorzubereiten. Das ist keine Überraschung, denn Russland hat das Assad-Regime über viele Jahre gestützt und viele Oppositionelle mit Luftangriffen getötet. Es scheint gar wahrscheinlich, dass die dominierenden Rebellenmilizen der Hajat Tahrir al-Scham (HTS) die russischen Truppen aus Syrien verjagen wollen. Und dem hat Putin aktuell nichts entgegenzusetzen.

Video | Jubelszenen in Damaskus: Syrische Rebellen erklären Ende von Assads Regime
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Quelle: reuters
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Dabei ist für den Kreml der Verlust des Einflusses auf Syrien eigentlich das geringste Problem. Geopolitisch war Syrien für Russland das Tor zum Nahen Osten und eben die einzige Präsenz in der Mittelmeerregion. Über die russischen Stützpunkte in Syrien lief auch ein zentraler Teil der Logistik für russische Operationen auf dem afrikanischen Kontinent, wie etwa in Libyen. Das alles droht Putin zu verlieren.

Aber vielleicht wiegen die geopolitischen Folgen des Assad-Sturzes für Russland noch schwerer als der mutmaßliche Verlust ihrer Stützpunkte in Syrien. Für Russland war die Militäroperation in Syrien ab 2015 auch eine Machtdemonstration gegenüber der internationalen Gemeinschaft. Nun sendet die Entmachtung des Assad-Regimes wiederum das Bild in die Welt, dass Putin seine Proxys (Handlanger-Regime) nicht beschützen kann.

Das wird zum geopolitischen Problem für Russland. Denn im Ringen um eine künftige multipolare Weltordnung werben Russland und China um Bündnisse. Doch viele Autokratien werden sich eben nicht in das Fahrwasser russischer Geopolitik begeben, wenn Putin sie nicht beschützen kann. Syrien sendet ein Bild russischer Schwäche und das könnte schon dazu führen, dass Russland erneut getestet wird – etwa in Georgien.

Die Folgen des Sturzes von Assad sind also weit über Syrien hinaus spürbar. Denn der syrische Bürgerkrieg war seit seinem Beginn 2011 auch immer ein Stellvertreterkrieg. Deswegen haben nicht nur die Milizen der Opposition gewonnen, sondern sicherlich auch die Türkei. Und zu den Verlierern zählt nicht nur das Assad-Regime, sondern auch der Iran und eben Wladimir Putin.

Verwendete Quellen

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