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Krieg in Syrien: Das Regime stirbt


Rebellen überrollen Syriens Regime
Assad muss um seinen Kopf fürchten


07.12.2024Lesedauer: 5 Min.
Syriens Präsident Assad: Der Diktator hat große Gebiete in Syrien nicht mehr unter Kontrolle.Vergrößern des Bildes
Syriens Präsident Assad: Der Diktator hat große Gebiete in Syrien nicht mehr unter Kontrolle. (Quelle: SPA)
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In Syrien rücken die Aufständischen auf die Hauptstadt Damaskus vor. Das Regime von Baschar al-Assad ist in der Zange, die Familie des Diktators soll bereits geflohen sein. Das Land steht nun erneut vor einer ungewissen Zukunft.

Die Ereignisse in Syrien überschlagen sich. Scheinbar unaufhaltsam rücken die von Islamisten dominierten Rebellengruppen vor. Vergangene Woche fiel Aleppo, diese Woche eroberten die Aufständischen in nicht einmal 24 Stunden Hama – eine Stadt, die immerhin knapp eine Million Einwohner hat. Nun stehen sie im Norden vor der strategisch wichtigen Metropole Homs. Derweil mobilisierten sich im Süden verbündete Oppositionsgruppen und marschierten direkt auf die Hauptstadt Damaskus.

Die syrische Armee von Diktator Baschar al-Assad kollabiert in einem rasanten Tempo. Nur vereinzelt leisten die Regimetruppen Widerstand. Stattdessen fliehen sie, lassen Panzer, Waffen und selbst Hubschrauber und Kampfflugzeuge zurück. Während die syrische Armee im Norden von Homs den Vormarsch der Opposition zumindest kurzzeitig stoppen konnte, gibt es Berichte darüber, dass Tausende syrische Soldaten desertiert und über die Grenze in den Irak geflohen sind.

Die syrische Armee zerfällt in ihre Einzelteile: Auf dem Papier soll die sie über 30.000 Soldaten verfügen, während zur dominierenden Rebellengruppe Haiat Tahrir al-Sham (HTS) lediglich über 10.000 Kämpfer gehören sollen. Doch die Regierungstruppen leisten kaum Gegenwehr. Vieles erinnert an den Angriff der Terrormiliz IS im Jahr 2014 auf Mossul im Irak, als 60.000 irakische Soldaten vor bis zu 5.000 Islamisten geflohen sind. Die Gründe waren damals Korruption und fehlende Kampfmoral in der Armee – diese Probleme scheint nun auch die syrische Armee zu haben.

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Assad hat nun nicht mehr viele Optionen. Sollten seine internationalen Verbündeten nicht umgehend in diesen Krieg eingreifen, bleibt ihm nur die Flucht. Denn er muss schon jetzt um sein Leben fürchten.

Hass auf Assad eint Opposition

Die HTS und ihre verbündeten Milizen geben sich auffällig moderat. Die Gruppe gilt eigentlich international als Terrororganisation, weil sie aus einem al-Qaida-Ableger hervorging. Doch nun gibt sich ihr Anführer geläutert. In einem Interview mit dem US-Sender CNN versprach Abu Mohammed al-Dschulani den eroberten Gebieten, dass es keine Gewalt und Plünderungen geben werde, auch nicht gegen Christen und Kurden.

Diese Strategie ist keine Überraschung. Denn die Islamisten haben vom Niedergang des IS gelernt, dass sie ohne internationale Unterstützung nie über ein Gebiet in Syrien herrschen können. Zwar ist völlig unklar, ob die Islamisten noch immer gemäßigt sind, wenn sie ihre militärischen Ziele in Syrien erreicht haben – aber für den Moment geben sie sich in ihrer Kommunikation als tolerant.

Diese Toleranz hat aber Grenzen. Die Herrscherfamilie al-Assad hat über viele Jahrzehnte einen großen Teil des syrischen Volkes gewaltsam unterdrückt. Wie sein Vater vor ihm richtete Baschar al-Assad Massaker an, setzte sogar Giftgas gegen seine Bevölkerung ein. Die Wut auf ihn und auf führende Köpfe des Regimes ist in vielen Teilen der Opposition dementsprechend groß. Es ist für die vielen unterschiedlichen Milizen aktuell vor allem der Hass auf die Assads, der sie vereint.

Und das ist eben auch eine zentrale Gefahr: Sollte das Assad-Regime fallen, wäre der gemeinsame Feind weg. Danach würde es darum gehen, gemeinsam eine Nachkriegsordnung aufzubauen. Doch wenn die unterschiedlichen Interessengruppen anfangen, sich um Einfluss zu bekriegen, könnte der Bürgerkrieg erneut eskalieren. Um das zu verhindern, ist es an den Großmächten, die militärische Präsenz in dem Land haben, ihren Einfluss auf die unterschiedlichen Gruppen in Syrien geltend zu machen: Die Türkei, der Iran, die USA und vielleicht auch noch Russland müssten zunächst für Stabilität sorgen, damit Syrien nicht erneut ins Chaos abgleitet.

Zeitspiel des Regimes funktioniert nicht

Dabei ist die fehlende Unterstützung für Assad auch ein Grund, weshalb das Regime kurz vor dem Machtverlust steht. Der syrische Diktator musste mit Blick auf den Vormarsch der Opposition eigentlich vor allem auf Zeit spielen und die Aufständischen so lange aufhalten, bis möglicherweise internationale Unterstützung eintrifft.

Doch das funktionierte nicht. Zwar gelang es der syrischen Armee, den Angriff der Rebellen bei Homs aufzuhalten, aber erfolgreiche Gegenangriffe konnte sie bislang nicht durchführen. Nur mit großer Mühe schaffen es Assads Truppen offenbar, die Front im Norden zeitweise stabil zu halten. Aber nachdem das Regime Kräfte dorthin verlegt hatte, nutzten weitere Milizen der Opposition im Süden und Südosten die Schwäche der syrischen Armee, um selbst anzugreifen.

Die Folge: Lokale Milizen, die auch von Islamisten dominiert werden, stehen schon am Rand der Hauptstadt Damaskus. Die syrische Armee wird aus drei Himmelsrichtungen in die Zange genommen und scheint nicht über ausreichend Kräfte zu verfügen, um dem etwas entgegensetzen zu können.

Assads Verbündeten läuft die Zeit davon

Es ist keine Überraschung, dass die HTS bei ihrer Offensive das Tempo hochhält. Sie hat mit ihrem Angriff nicht nur das Regime überrumpelt, sondern auch viele ausländische Mächte überrascht. Russland, der Iran, der Irak oder ein Großteil der restlichen Golfstaaten möchten eigentlich nicht, dass Assad gestürzt wird, und danach Islamisten in Syrien regieren. Viele Staaten in der Region haben das Chaos des IS noch in schlechter Erinnerung.

Aber auch der Iran und schiitische Milizen aus dem Irak brauchen Zeit, um eigene Kämpfer für den Einsatz in Syrien zu mobilisieren. Diese Zeit hat das syrische Regime wahrscheinlich nicht. Bereits am Sonntag möchten die Türkei, Russland und der Iran in Katar über die Zukunft Syriens beraten. Aber der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der lange mit Assad verfeindet war, sieht in Syrien bereits "eine neue Realität". Das syrische Volk werde die Zukunft des Landes bestimmen.

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Das klingt nach einer Zukunft Syriens ohne Assad. Denn es ist die Türkei, die aus der aktuellen Situation gestärkt hervorgeht. Russland sieht seine Prioritäten in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine, der Iran möchte sich aktuell in der Auseinandersetzung mit Israel nicht weiter in Syrien engagieren.

Es sieht also schlecht aus für Assad, denn aus Moskau und Teheran bekommt er im Augenblick nur warme Worte. Das Zeitspiel des syrischen Machthabers scheint nicht aufzugehen und mit schneller Hilfe kann er zumindest aktuell offenbar nicht rechnen.

Folglich stellt sich die Frage: Wie lange bleibt Assad noch in Damaskus und wann gibt er auf? Beim aktuellen Vormarschtempo der Opposition wird es für den Diktator bald schwierig werden, das Land rechtzeitig zu verlassen. Ab diesem Zeitpunkt geht es für Assad nicht mehr nur um die Macht in Syrien, sondern um sein Leben.

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