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UN-Generalversammlung: Putin droht jetzt die nächste Ohrfeige


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Baerbock bei UN-Generaldebatte
Es fängt an mit einem Knall


Aktualisiert am 24.09.2024Lesedauer: 6 Min.
Annalena Baerbock: Die Außenministerin setzt sich für eine Reformierung der Vereinten Nationen ein.Vergrößern des Bildes
Annalena Baerbock: Die Außenministerin setzt sich für eine Reformierung der Vereinten Nationen ein. (Quelle: Florian Gaertner/imago-images-bilder)
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Ukraine, Naher Osten, Sudan: Deutschland ringt bei der UN-Generaldebatte um Chancen für eine Deeskalation in den drei großen Kriegen. Aber ist das realistisch? Außenministerin Baerbock droht ein neuer Schlagabtausch mit Russland.

Aus New York berichtet Patrick Diekmann.

In Deutschland gibt es für Annalena Baerbock aktuell wenig zu gewinnen. Noch am Sonntag war die Außenministerin zu Gast in Potsdam und erlebte in ihrem Bundestagswahlkreis die krachende Niederlage der Grünen bei der Landtagswahl in Brandenburg mit. Drei Landtagswahlen, zweimal an der Fünfprozenthürde gescheitert. Ein beunruhigendes Signal, knapp ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl.

Doch Zeit für wahlweise Trauer oder Ärger hat Baerbock nicht – denn auch in der internationalen Politik verdüstert sich die politische Lage. Im Krieg gegen Russland bereitet sich die Ukraine auf den nächsten harten Winter vor und muss im Westen um weitere Unterstützung bitten und fast schon betteln. Auch der Nahostkonflikt eskaliert immer weiter. Israel steht kurz davor, einen größeren Krieg mit der libanesischen Terrororganisation Hisbollah zu beginnen. Und im Sudan tobt weiterhin ein blutiger Bürgerkrieg, der oft im Schatten der anderen großen Konflikte steht.

Vor diesem Hintergrund trifft sich nun die internationale Staatengemeinschaft zur UN-Generalversammlung. Eigentlich haben die UN das Selbstverständnis, Frieden zu bewahren – doch die vergangenen Jahre führten in dem Punkt eher zu einer Schieflage, welche die Vereinten Nationen Glaubwürdigkeit kostete. Auch die deutsche Außenministerin wird in den kommenden Tagen in New York erneut versuchen, Lösungschancen für die aktuellen Krisenherde auszuloten. Doch die UN zeigten sich in der Vergangenheit oft handlungsunfähig, ihr fehlen die Instrumente, um Druck auf Staaten auszuüben, die sich nicht an das humanitäre Völkerrecht halten.

Ein Dilemma – und die Verzweiflung in vielen Staaten wächst.

Dabei sind sich die Vereinten Nationen in weiten Teilen nicht uneinig, allerdings befinden sie sich in einer politischen Schockstarre. Die UN-Generaldebatte gilt mit Blick auf die aktuellen Krisen oft als Stimmungstest, als Fingerzeig dafür, wie viel Rückhalt der Westen oder Mächte wie Russland und China besitzen. Wie isoliert ist Kremlchef Wladimir Putin wirklich? Und: Können die UN auf den israelischen Premier Benjamin Netanjahu und die Hamas einwirken, um einen Waffenstillstand in Gaza zu erwirken?

Die Antworten auf diese Fragen liegen auf der Hand: Eine deutliche Mehrheit der internationalen Staatengemeinschaft positioniert sich gegen Putins Angriffskrieg und ist auch für einen Waffenstillstand in Gaza. Das Problem liegt vielmehr darin, dass Mehrheiten in zentralen Fragen nicht in konkrete Politik transportiert werden können. Und das ist ganz im Sinne von China und eben Russland.

Putin ist isolierter als es scheint

Auf dem diplomatischen Parkett erscheint die Lage für Putin als ziemlich aussichtslos. Zwar gibt der Kreml sich größte Mühe, den russischen Präsidenten nicht als international isoliert erscheinen zu lassen. Aber die Abstimmungsergebnisse innerhalb der UN-Generalversammlung in den vergangenen Jahren sprechen eine andere Sprache. So verurteilten 143 UN-Mitglieder im Jahr 2022 die russischen Annexionen, nur fünf Länder stimmten dagegen. Im Februar 2023 stimmten wiederum 141 Staaten für eine "Friedensresolution" anlässlich des Jahrestages des russischen Angriffs, nur sieben Länder votierten mit Nein.

Selbst China agiert im Rahmen der Vereinten Nationen eher vorsichtig, enthält sich bei etwaigen Abstimmungen und stellt sich eben nicht zu sehr an die Seite Russlands. Die Folge: Putin steht mit seinen Schurkenfreunden allein da, mit Nordkorea, Syrien oder Belarus.

Das ist zunächst einmal aus westlicher Perspektive ein positives Signal, weil es den Wert einer regelbasierten Weltordnung untermauert. Eine größere Macht wie Russland sollte keinen Angriffskrieg führen, um zu expandieren. Gleichzeitig zeigt es zumindest auf den ersten Blick, dass Russland und China nicht viel Rückhalt für die Art multipolarer Ordnung haben, die sie anstreben. Doch so einfach ist es nicht.

Viele UN-Staaten finanzieren den russischen Krieg mit

Putins Krieg wird zwar politisch verurteilt, und sicherlich kommen derartige Abstimmungen immer einer Ohrfeige für den Kreml gleich. Aber selbst wenn Moskau die Kraftproben in New York verliert, wird der Kreml weiterhin an seiner kriegerischen Politik festhalten, wenn er weiterhin Rückendeckung von Russlands zentralen Verbündeten bekommt. Diese bittere Wahrheit lässt sich auch aus den vergangenen Jahren gewinnen.

Darüber hinaus sind die Folgen von Abstimmungsniederlagen für Russland eher begrenzt. Der Kreml blockiert im UN-Sicherheitsrat jede Ukraine-Entscheidung und lähmt das Organ in dieser Frage komplett. In der UN-Vollversammlung gibt es viele Staaten, die gegen den Kreml stimmen oder sich enthalten, gleichzeitig auch weiterhin fleißig Handel mit Russland treiben. Auch wenn Staaten wie Indien und China den Wegfall der russischen Rohstoffverkäufe an europäische Staaten nicht komplett kompensieren können, sind die Geschäfte noch immer das Fundament einer schwächelnden russischen Wirtschaft.

Es sind Vorzeichen der multipolaren Weltordnung, die der chinesische Präsident Xi Jinping und Putin anstreben. Eine Welt, in der Staaten durchaus andere Herrschaftsformen, eine andere Definition von Menschenrechten oder eine aggressive Expansionspolitik betreiben können, ohne dass diese Politik Folgen für die wirtschaftliche Zusammenarbeit haben muss. In der internationalen Gemeinschaft versuchen Länder wie Indien zwar auch, ihre Abhängigkeiten von Russland langsam aufzulösen. Aber sie haben dennoch vor allem ihre eigenen Interessen im Blick und eben nicht die normative Dimension, den Zeitenbruch, den die europäischen Staaten in Putins Invasion in der Ukraine sehen.

Wird die Ukraine die westlichen Fesseln los?

Aufgrund dieses Dilemmas folgen führende westliche Staaten einer Strategie, die sich auf drei Säulen stützt. Erstens geht es auch weiterhin darum, die Ukraine so zu stärken, dass Putin irgendwann möglichst an den Verhandlungstisch gezwungen wird. Auch in der UN-Debatte in New York geht es weiterhin darum, ob die Reichweitenbeschränkung westlicher Waffen fällt und die Ukraine so Ziele tiefer in russischem Gebiet angreifen könnte. Dabei herrscht große Uneinigkeit. Obwohl die ukrainische Armee in den vergangenen Wochen gezeigt hat, wie effektiv sie russische Waffendepots weit entfernt von der russisch-ukrainischen Grenze mit eigenen Waffensystemen angreifen kann, ist Bundeskanzler Olaf Scholz gegen die Aufhebung dieser Beschränkungen. Auch US-Präsident Joe Biden ist skeptisch.

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Die Konfliktlinien laufen hier auch innerhalb der Regierungen einiger UN-Mitglieder. So würde US-Außenminister Antony Blinken diese Beschränkung für Kiew aufheben, auch Baerbock nannte schon damals die Lieferung des Taurus-Marschflugkörpers "eine Option".

Aber der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird in dieser Frage noch weiter für die ukrainische Position werben müssen. Auch er ist während der UN-Woche in den USA. Er spricht in New York, reist dann aber am Donnerstag nach Washington, um seinen "Siegesplan" vorzustellen. Hinter den Kulissen ist das während der UN-Woche immer wieder ein Thema, aber in diplomatischen Kreisen hält man bislang Informationen zurück, will Selenskyj nicht vorgreifen. Doch der Plan soll keine großen Überraschungen bereithalten, heißt es in den USA.

China ist bislang keine Hilfe

Die zweite Säule der westlichen Strategie stützt sich darauf, die russischen Verbündeten langsam aus dem Bündnis mit Putin zu lösen. Das erfordert lange und mühsame diplomatische Arbeit. Für die deutsche Außenministerin beginnen die Tage der UN-Generaldebatte gleich mit einem Knall, gleich am Dienstagmorgen (Ortszeit) trifft sie auf den chinesischen Außenminister Wang Yi.

Bislang ist es dem Westen eigentlich nicht gelungen, Peking dazu zu bewegen, seinen Einfluss auf Putin geltend zu machen. China hat schlichtweg kein Interesse daran, weil Russland für China der wichtigste strategische Partner im Ringen um eine neue Weltordnung ist. Xi will nicht, dass Putin diesen Krieg verliert, möglicherweise gestürzt wird und Russland in ein innenpolitisches Chaos fällt.

Die Gefahr einer Destabilisierung von Russland berührt auch chinesische Sicherheitsinteressen. Das ist aber nur ein Grund, warum die chinesische Führung den Kreml vorsichtig unterstützt. Xi möchte sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, um möglicherweise weitere US-Sanktionen gegen China zu riskieren. Peking hilft der russischen Führung gerade so viel, dass der Westen nicht allzu wütend wird und Strafmaßnahmen forciert.

Xi und Putin laufen in ihre eigene Falle

Somit zeigt sich im Rahmen der Vereinten Nationen eine Situation, in der China und Russland den Kampf für eine multipolare Weltordnung über allem anderen priorisieren. Sie versuchen, vielen Entwicklungs- und Schwellenländern, die sich vom Westen ausgebeutet oder nicht respektiert genug fühlen, ein Angebot zu machen.

Aber hier liegt auch eine Schwäche des russisch-chinesischen Bündnisses, und das ist die dritte Säule der westlichen Strategie: Es wird in den kommenden Jahren darum gehen, die UN als Institution wieder handlungsfähig zu machen. Das meinte auch Annalena Baerbock. "Für eine friedlichere und nachhaltigere Welt müssen die UN fit für die Zukunft werden", sagte die Außenministerin bei ihrer Ankunft in New York. "Es wird nicht reichen, Werkzeuge aufzupolieren. Wir müssen sie nachbessern und feilen, und den Instrumentenkasten an einigen Stellen neu ausstatten." Ein Hauch von Revolution liegt in der Luft.

Deutschland wagt hier einen Vorstoß. Zusammen mit Namibia hat die Bundesregierung einen UN-Zukunftspakt initiiert, dessen Fundament das Völkerrecht und der Multilateralismus ist, also die internationale Zusammenarbeit. Deutschland möchte ab 2027 ein ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates werden und allgemein dieses Organ vergrößern.

Aber warum sollten sich die Vetomächte Russland, China und auch die USA darauf einlassen, wenn sie dadurch an Macht verlieren? Weil es aktuell ein Momentum gibt, in dem Russland und China immer wieder die Erzählung bedienen, dass der Westen viele aufstrebende Schwellen- und Entwicklungsländer kleinhält.

Eben diese Erzählung würde nicht mehr funktionieren, wenn Moskau und Peking eine veraltete Struktur verteidigen, in der fünf Großmächte über das Schicksal der Welt entscheiden und jeweils ein Vetorecht haben. Die Frage ist lediglich: Wären die westlichen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates – die USA, Frankreich und Großbritannien – bereit, ihre Machtprivilegien ein Stück weit aufzugeben? Dahinter steht auch in New York bislang noch ein großes Fragezeichen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche bei der UN-Generaldebatte in New York
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