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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Russlands Pakt mit Nordkorea Putin wird vorgeführt
Der russische Präsident Wladimir Putin stärkt bei seinem Besuch in Nordkorea sein Bündnis mit der Kim-Diktatur. Während Nordkorea vor allem vom Ukraine-Krieg profitiert, ist das für Russland vor allem ein Zeichen der Schwäche.
Er lässt es sich nicht nehmen, Wladimir Putin am Dienstagabend persönlich vom Flughafen in Pjöngjang abzuholen. Der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un hat nur selten das Vergnügen, Staatsgäste in seinem Land zu empfangen. Für den Kreml-Chef hat das Land nun den roten Teppich ausgerollt. Putin wird mit militärischen Ehren und Blumen empfangen. Diese Momente sind auch für den russischen Präsidenten seit Beginn seiner Invasion in der Ukraine selten geworden. Er lächelt, umarmt Kim zur Begrüßung.
Ein Moment, den es ohne seinen Angriffskrieg in der Ukraine wahrscheinlich nicht gegeben hätte.
Nordkorea ist international noch immer isoliert, das Kim-Regime ist selbst für einen Großteil der autoritären Regimes auf der Welt zu verbrecherisch. Zu brutal unterdrückt der nordkoreanische Diktator seine eigene Bevölkerung, zu provokativ sind seine Tests mit Atomwaffen und Interkontinentalraketen. Doch für Russland scheint all das spätestens seit der Eskalation des Konflikts mit dem Westen keine große Rolle mehr zu spielen. In Diktator Kim sieht er nun vor allem eines: einen engen Verbündeten im Kampf gegen die vermeintliche US-Vorherrschaft in der Welt.
Deswegen steht bei dem zweitägigen Besuch Putins in Pjöngjang vor allem das militärische Bündnis zwischen Russland und Nordkorea im Vordergrund. Dabei ist es durchaus eine Demütigung für den russischen Präsidenten, dass er in Nordkorea um Waffenhilfe werben muss. Der Besuch zeigt, dass es nicht viele Staaten gibt, die Putins Krieg aktiv unterstützen möchten. Moskau muss auf verbrecherische Regimes zurückgreifen, die ohnehin nicht viel zu verlieren haben.
Szenen der Einigkeit in Pjöngjang
Doch umsonst bekommt Putin die Unterstützung auch aus Nordkorea nicht. Im Gegenteil: Dass sich der Kreml-Herrscher 24 Jahre nach seinem letzten Besuch mal wieder nach Pjöngjang verirrt, ist ein Zeichen der Wertschätzung, welches das nordkoreanische Regime wahrscheinlich eingefordert hat. Durch Putin wird die Diktatur nun aufgewertet, ein politischer Erfolg für Nordkorea.
Auch deswegen kostet Diktator Kim den hohen Besuch aus Russland aus. Es ist spätestens am Mittwoch eine pompöse und aus westlicher Perspektive irre Autokratenshow. Putin und Kim fahren in einer schwarzen Limousine auf dem Kim-Il-Sung-Platz vor, ihre Oberkörper ragen aus dem offenen Dach des Fahrzeugs. Über der Festtribüne an der Großen Studienhalle des Volkes sind zwei riesige Bilder angebracht – Putin und Kim auf Augenhöhe, für nordkoreanische Verhältnisse ein großes Zeichen der Wertschätzung für den Kreml-Herrscher. Die beiden Autokraten werden von jubelnden Kindern mit russischen und nordkoreanischen Fahnen empfangen, danach folgt eine Militärparade.
Putin wird in Nordkorea für die heimische Propaganda vorgeführt und hofiert. Doch die Bilder helfen nicht nur Kim, der sich vor seiner eigenen Bevölkerung als der große Führer inszenieren kann, der selbst vom russischen Präsidenten besucht wird. Sondern auch russische Nachrichtenagenturen schicken zahlreiche Fotos und Videos um die Welt. Sie sollen auch der russischen Bevölkerung zeigen: Putin wird im Ausland bejubelt.
Die Inszenierung des Putin-Besuches in Nordkorea ist aber nur ein kleines Puzzlestück einer größeren Strategie hinter dem Schulterschluss zwischen Nordkorea und Russland. Denn beide Regimes wollen sich vor allem perspektivisch gegenseitig dabei unterstützen, an der Macht zu bleiben. Die Bilder der Einigkeit sind dabei nur ein Instrument. Ein anderes ist die gegenseitige militärische Unterstützung.
Putin braucht Munition
Eben die Stärkung der militärischen Partnerschaft ist eines der Hauptanliegen für Putin in Nordkorea. Russland und Nordkorea unterzeichnen am Mittwochnachmittag einen neuen Partnerschaftsvertrag, der dem russischen Präsidenten zufolge auch einen gegenseitigen "Beistand" im Fall einer "Aggression" gegen einen der beiden Staaten umfasst.
Putin erklärt in Pjöngjang: Russland schließe "eine militärisch-technische Zusammenarbeit mit Nordkorea" nicht aus. Der Vertrag sei ein "Durchbruch", der das Verhältnis zwischen Moskau und Pjöngjang auf eine "neue Ebene" hebe. "Sowohl Russland als auch Nordkorea betreiben eine unabhängige Außenpolitik und akzeptieren die Sprache der Erpressung und des Diktats nicht."
Eine derartige Beistandsklausel wäre in der Tat neu. Beide Regimes sehen die Nato und den Westen als Feinde. Während die westliche Allianz die Ukraine im Kampf gegen die russischen Invasoren unterstützt, sind noch 30.000 US-Soldaten in Südkorea stationiert, das sich auch noch im Kriegszustand mit Nordkorea befindet. Ein Bündnis zwischen Russland und der Kim-Diktatur dürfte im Angesicht des gemeinsamen Feindes nicht wirklich eine Überraschung sein.
Doch lange scheute Putin vor einer Annäherung zurück. Schließlich sieht er sein Land als Großmacht und sich selbst auf Augenhöhe mit den USA über die globale Ordnung verhandeln. Ein Pakt mit Kim, der seine Bevölkerung verhungern lässt und die Region mit seinem Atomwaffenprogramm destabilisiert, passte lange Zeit nicht in dieses Selbstverständnis. Doch nun ist alles anders, die Not in Russland ist groß.
In erster Linie braucht Russland für seinen Krieg Waffen und Munition und schreckt dafür auch nicht mehr vor der Zusammenarbeit mit Regimes zurück, die vorher international geächtet waren. Vom islamistischen Mullah-Regime aus dem Iran erhält Moskau Drohnen, Nordkorea schickte seit dem Sommer laut US-Angaben über 10.000 Container mit Rüstungsgütern nach Russland. Vor allem Artilleriemunition steht dabei im Mittelpunkt, denn davon hat Nordkorea zahlreiche Reserven.
Pakt der Außenseiter
Das russische-nordkoreanische Bündnis geht jedoch über die Rüstungszusammenarbeit hinaus. Putin sieht Nordkorea – ähnlich wie China – als Pufferzone zu den US-Truppen in Südkorea. Er will Rohstoffe an die Kim-Diktatur verkaufen und seltene Erden und Arbeitsmigranten aus Nordkorea bekommen. Kim hofft auf Nahrungsmittel, Rohstoffe und moderne Militärtechnik aus Russland.
Doch eines ist für das nordkoreanische Regime zentral: Es hat nun zwei Vetomächte im UN-Sicherheitsrat als Verbündete. Das führt wahrscheinlich dazu, dass die Sanktionen gegen das Land noch weniger Wirkung haben als bisher. Das ist mit Blick auf die Atomdrohungen von Kim vor allem für Länder wie Japan oder Südkorea eine zunehmende Bedrohung.
Kim: Putin "bester Freund"
Aber es geht nicht nur um den Osten Asiens. Experten sehen die Gefahr, dass Russland das nordkoreanische Regime dabei unterstützen könnte, seine Interkontinentalraketen weiterzuentwickeln. Damit wäre Kim in wenigen Jahren in der Lage, die USA zu bedrohen.
Putin verteidigt in Pjöngjang am Mittwoch sein neues Bündnis. Beide Staaten würden sich "weiterhin gegen die Praxis des Strangulierens durch Sanktionen wehren, ein Instrument, das der Westen zu nutzen gewohnt ist, um seine Vorherrschaft in Politik, Wirtschaft und anderen Bereichen aufrechtzuerhalten", so der Kreml-Chef.
Kim Jong Un spricht dagegen von einem Abkommen "friedlicher und defensiver Natur" zwischen beiden Staaten. Der "kraftvolle" Vertrag sei "konstruktiv" und "in die Zukunft gerichtet". Kim bezeichnete Putin als "besten Freund des koreanischen Volks". Es ist ein Pakt der Außenseiter, die sonst nicht mehr viele Freunde haben.
- spiegel.de: Was die pompöse Diktatorenshow so gefährlich macht
- Nachrichtenagenturen dpa und afp
- Eigene Recherche