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Russland und die Europawahl: So wird Putin das Ergebnis für sich nutzen


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Folgen der Europawahl
Putin nimmt Deutschland ins Visier


10.06.2024Lesedauer: 5 Min.
Wladimir Putin: Für den Kreml-Chef ist das Ergebnis der Europawahl ein strategischer Erfolg.Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin: Für den Kremlchef ist das Ergebnis der Europawahl ein strategischer Erfolg. (Quelle: Sergei Guneev)

Bei der Europawahl präsentieren sich rechtsextreme Kräfte als Sieger. Vor allem Russland dürfte nun versuchen, das politische Chaos in einigen EU-Staaten für sich zu nutzen.

Auf der Zielgeraden des Europawahlkampfes bekam die AfD unerwartete Unterstützung aus dem Ausland. Kremlchef Wladimir Putin lobte am 6. Juni beim Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg die deutschen Rechtspopulisten: "Wir werden mit allen zusammenarbeiten, die mit Russland kooperieren wollen." Man sehe "keine Anzeichen von Neonazismus in den Handlungen der AfD". Er ergänzte: "Wir sehen nichts, was bei uns Besorgnis auslösen würde."

Der Zeitpunkt dieses Lobes war kein Zufall, wenige Tage vor der Europawahl sollte die AfD noch einmal Rückenwind bekommen. In Kreml-nahen deutschsprachigen Telegramgruppen riefen die Betreiber offen zur Wahl der Partei auf. Im Vorfeld der Europawahl wurde ein starkes Wahlergebnis der AfD offenbar zum Kernziel der russischen Propaganda.

Nicht ohne Grund: AfD-Politiker bedienen in Deutschland politische Narrative, die im Interesse des Kremls sind. Der Co-Vorsitzende Tino Chrupalla etwa sprach sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und für die Wiederaufnahme der Wirtschaftsbeziehungen zu Russland aus. Abgeordnete wie Steffen Kotré sprachen in Interviews mit russischen Medien darüber, wie deutsche Medien die Öffentlichkeit gegen die russische Regierung aufbringen.

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Doch was bedeutet das Wahlergebnis für den Kreml? Nach der Europawahl am Sonntag ist klar: Die EU rückt weiter nach rechts. In Deutschland kommen AfD und BSW – also die Parteien, deren Russland-Politik in Moskau wahrscheinlich positiv gesehen wird – zusammen auf mehr als 20 Prozent.

In Frankreich hat der rechtsnationale Rassemblement National von Marine Le Pen gewonnen und Präsident Emmanuel Macron das nationale Parlament aufgelöst. In Österreich wird die FPÖ stärkste Kraft. Auf diese Verschiebung zugunsten russlandfreundlicher Kräfte hatte der Kreml spekuliert. Besonders in Deutschland.

AfD gewinnt Stimmen hinzu – trotz Skandalen

Zwar fielen die Gewinne der AfD geringer aus als befürchtet: Sie kam auf 15,9 Prozent, im April lag die Partei in Umfragen noch bei mehr als 20 Prozent. Trotzdem ist der Anstieg um 4,9 Prozentpunkte ein Erfolg für die AfD. Entsprechend geschockt äußerten sich am Sonntag viele deutsche Politiker.

Immerhin hatte der Wahlkampf der Partei viele große Schlaglöcher. Ihr Spitzenkandidat Maximilian Krah hatte im Wahlkampf die Nazi-Verbrecherorganisation SS relativiert. Er steht außerdem unter Verdacht, über das pro-russische Internetportal "Voice of Europe" finanzielle Zuwendungen bekommen zu haben. Gegen einen seiner Mitarbeiter wird ermittelt, weil dieser für China spioniert haben soll. Nun soll Krah nicht Teil der AfD-Delegation werden.

Auch Petr Bystron, Nummer zwei auf der Europawahl-Liste der AfD, soll Geld von pro-russischen Netzwerken erhalten haben. Deswegen verbot die Partei – mitten im Wahlkampf – beiden Politikern öffentliche Auftritte.

Video | Im Osten stärkste Kraft: Die AfD jubelt
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Quelle: reuters

Auch in anderen Ländern erstarkten rechtspopulistische Parteien bei der Europawahl. Die rechtsextremen Fraktionen EKR und ID werden im kommenden EU-Parlament wahrscheinlich 130 von 720 Sitzen im EU-Parlament erhalten.

Im vergangenen Parlament kamen sie auf 118 von 705 Sitzen. Hinzu kommen 16 Sitze der AfD, ein Zugewinn von fünf Abgeordneten. Die deutschen Rechtspopulisten sind aktuell fraktionslos, nachdem sie aus der ID-Fraktion ausgeschlossen wurden.

Ist die Panik gerechtfertigt?

Allgemein haben sich die Kräfteverhältnisse im Vergleich zum vorigen Parlament zwar nicht groß verschoben. Die konservative EVP gewann 0,6 Prozentpunkte hinzu, die sozialdemokratische S&D verlor 0,4 Prozentpunkte, die Liberalen (Renew Europe) verloren mehr als 3 Prozentpunkte und die europäischen Grünen schrumpften um 2,8 Prozentpunkte.

Und das Erstarken rechtsextremistischer Kräfte ist auch kein allgemein europäischer Trend. In den skandinavischen Ländern, in Spanien oder in Portugal war diese Entwicklung bei der Wahl zum Beispiel nicht zu beobachten. In Polen konnte die liberale und europafreundliche PO von Ministerpräsident Donald Tusk sogar die rechtspopulistische PiS als stärkste Kraft im Land ablösen.

Trotzdem dokumentiert die Europawahl eine problematische Entwicklung: Denn Rechtspopulisten gewannen ausgerechnet in den bevölkerungsreichsten Staaten der EU.

Die Folgen wiegen schwer. Nachdem der französische Rassemblement National von Marine Le Pen am Sonntag mehr als 31 Prozent – und damit 17 Prozentpunkte mehr als das liberale Bündnis von Emmanuel Macron – holte, kündigte der französische Präsident noch am Abend Parlamentsneuwahlen im Juni und Juli an. In Deutschland wurde die AfD zweitstärkste Kraft und sorgt damit vor allem bei den Regierungsparteien der Ampel für einen politischen Sorgensommer vor den Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen im Herbst.

Putin profitiert von innenpolitischem Chaos

Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verlieren innenpolitisch immer mehr an Rückhalt. Wer die EU in dieser Phase führen kann, ist offen. Ohne Zweifel werden die Regierungen in Deutschland und Frankreich nun Kraft und Zeit investieren, um ihren politischen Kurs neu zu justieren. Der innenpolitische Druck ist immens, die Bevölkerungen sind vor allem bei den Themen Wirtschaft und Migration unzufrieden.

Macron und Scholz werden also in den kommenden Monaten mit nationalen Belangen beschäftigt sein. In Deutschland geht es erneut um die Haushaltsverhandlungen, in Frankreich wird gewählt werden.

Von diesem Fokus auf die Innenpolitik profitiert Putin. Aus russischer Perspektive ist jedes störende Element willkommen, das die europäische Handlungsfähigkeit schwächt. Außerdem wird es der Kreml gerne sehen, dass bei der Europawahl einige Parteien gute Ergebnisse erzielten, die EU-Maßnahmen gegen Russland sowie zur Unterstützung der Ukraine kritisch sehen.

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Neben der AfD wären da zum Beispiel die ungarische Fidesz von Viktor Orbán (44 Prozent) oder die FPÖ in Österreich (25 Prozent). Dem Rassemblement National werden zwar auch enge Kontakte zum Kreml nachgesagt, aber Marine Le Pen wollte sich in der Ukraine-Frage bislang nicht eindeutig positionieren – wahrscheinlich, um keine potenziellen Wähler zu verprellen.

Russlands Präsident kennt die Schwachpunkte der EU

In Italien dagegen wurde die neofaschistische Fratelli d'Italia von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni stärkste Kraft. Meloni stand bisher fest an der Seite der Nato und der EU, unterstützte die Ukraine.

Aber auch in Italien sorgte Putin bereits für Unruhe. "Die Wiederherstellung der Beziehungen zu Italien könnte vielleicht schneller erfolgen als zu jedem anderen europäischen Land", sagte er in Sankt Petersburg. Der Kremlchef versucht damit, die Spaltung der italienischen Gesellschaft und der Regierung in der Russland-Politik weiter zu befeuern, um Meloni unter Druck zu setzen.

Das zeigt vor allem eines: Putin weiß, wo es politische Schwachpunkte innerhalb des europäischen Bündnisses gibt – und er wird weiterhin versuchen, diese zu nutzen.

Putin nutzt AfD als Werkzeug

Deswegen ist das Ergebnis auch eine Gefahr für die Ukraine. Für Putin sind Parteien wie die AfD Werkzeuge für seinen hybriden Krieg gegen den Westen. Deutschland spielt für Moskau dabei eine besondere Rolle: Es ist das bevölkerungsreichste Land in der EU und das verschafft der AfD viele Sitze im künftigen EU-Parlament. Deswegen ist die Bundesrepublik besonders im Fadenkreuz der russischen Propaganda.

Doch unabhängig von der Sitzverteilung im künftigen EU-Parlament, die zum Problem für das westliche Bündnis werden kann, wird der Kreml die indirekten Folgen dieser Wahl für sich nutzen. So werden sich politische Kräfte wie Orbán durch das Wahlergebnis in ihren Positionen zu Russland bestärkt fühlen. Das aber wird Einigungen zwischen den Staats- und Regierungschefs der EU noch schwieriger machen.

Die aktuelle Unruhe, die das Ergebnis der Europawahl hervorgerufen hat, ist daher schon jetzt ein strategischer Erfolg für Moskau. Denn Putin zielt seit jeher vor allem auf eines: den europäischen Zusammenhalt.

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