Empörung über FDP-Widerstand EU verschiebt Abstimmung über Lieferkettengesetz
Eigentlich wollten die Mitgliedsstaaten der EU heute darüber entscheiden, ob sie ein Lieferkettengesetz einführen. Dass es nun doch anders kam, hat heftige Kritik an der FDP ausgelöst.
Unter den EU-Staaten zeichnet sich vorerst keine Mehrheit für ein europäisches Lieferkettengesetz ab. Die belgische EU-Ratspräsidentschaft verschob die Abstimmung über das Gesetz kurzfristig. Das liegt auch daran, dass in Deutschland FDP-geführte Ministerien in der Bundesregierung kurz vor der Abstimmung angekündigt hatten, dem Vorhaben nicht zustimmen zu wollen. Einem EU-Diplomaten zufolge ist dafür der kommende Mittwoch vorgesehen, wie Reuters berichtet.
Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion Katharina Dröge nannte den Vorgang "eine Blamage". Es sei "extrem bitter", dass die Abstimmung ausgerechnet wegen Deutschland auf der Kippe stehe, zumal bei so einer wichtigen Richtlinie wie dem EU-Lieferkettengesetz. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Carl-Julius Cronenberg sagte hingegen, auch andere EU-Länder hätten Kritik an dem Vorhaben geäußert.
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Durch das EU-Lieferkettengesetz sollen große Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Größere Unternehmen sollen zudem stärker auf die Einhaltung der Pariser Klimaziele zur Begrenzung der Erderwärmung verpflichtet werden. Hier lesen Sie mehr zu dem Gesetz.
Deutschland hat bereits ein Lieferkettengesetz, das EU-Vorhaben geht aber über die deutschen Vorgaben hinaus. So gilt es für mehr Unternehmen und sieht mehr Möglichkeiten vor, rechtlich gegen Unternehmen vorzugehen, die sich nicht an die Vorgaben halten.
EU-Abgeordnete fordert Machtwort von Scholz
Vor einer Woche hatten sich Bundesjustizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner (beide FDP) gegen die Pläne gestellt und damit innerhalb der Ampelkoalition Streit ausgelöst. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kritisierte die Liberalen deutlich, weil Deutschlands Verlässlichkeit in der EU auf dem Spiel stehe. Sie sagte: "Wenn wir unser einmal in Brüssel gegebenes Wort brechen, verspielen wir Vertrauen."
Die Europa-Abgeordnete Anna Cavazzini bezeichnete es als Trauerspiel, dass die Abstimmung verschoben wird. "Die FDP hat nicht nur Deutschland zu einer Enthaltung gezwungen, sondern auch auf andere Länder Druck ausgeübt, dem EU-Lieferkettengesetz ebenfalls nicht zuzustimmen", teilte die Grünen-Politikerin mit. Der Bundeskanzler müsse jetzt ein Machtwort sprechen.
DIW-Präsident Fratzscher: Erheblicher Schaden für Deutschland
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hatte sich am Donnerstag noch eindringlich für ein EU-Lieferkettengesetz ausgesprochen. Deutschland werde einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden und Europa einen irreparablen politischen Schaden erleiden, falls das Lieferkettengesetz keine Mehrheit finde, so Marcel Fratzscher. Mit Blick auf eine Enthaltung Deutschlands sagte er, das sei "nicht nur ein moralisches Versagen, sondern könnte langfristig vor allem der offenen deutschen Wirtschaft und ihrem wichtigsten Markenkern, der Reputation ihrer Produkte 'Made in Germany', schaden".
Unternehmensverbände hatten sich hingegen jüngst gegen das EU-Lieferkettengesetz ausgesprochen. In einem Brief an den Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warnten sie davor, dass sich Unternehmen aus Europa zurückziehen und Firmen mit unbegründeten Klagen konfrontiert sowie mit überzogenen Strafen sanktioniert werden könnten. Unterschrieben wurde der Brief von den Präsidenten des Bundesverbands der Deutschen Industrie, der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, der Deutschen Industrie- und Handelskammer und des Zentralverbands des Deutschen Handwerks.
- Nachrichtenagentur dpa