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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Mob verletzt mehrere Menschen schwer Entsetzen nach Hetzjagd auf Juden in Russland
Im russischen Dagestan stürmen aufgebrachte Männer das Flughafengebäude und greifen Menschen jüdischen Glaubens an. Das Entsetzen ist groß. Russlands Rolle im Nahostkonflikt ist komplex.
Sie schwenkten palästinensische Fahnen, riefen "Allahu Akbar", stürmten auf das Rollfeld und attackierten jüdische Menschen, die gerade aus dem Flugzeug gestiegen waren: Im russischen Dagestan ist am Sonntag antisemitischer Protest in offene Aggression umgeschlagen. Hunderte aufgebrachte Männer verletzten dabei mindestens 20 Menschen, manche schwer. Das Entsetzen über die Ausschreitungen in der Stadt Machatschkala ist groß. Der kriegerische Konflikt um Gaza hat die Kaukasusregion erfasst, der Judenhass ein noch bedrohlicheres Ausmaß angenommen.
Im Netz forderten erste Beobachter personelle Konsequenzen. Die Verantwortlichen im Innenministerium von Dagestan müssten abgesetzt werden, hieß es unter anderem auf der Plattform X, vormals Twitter. Andere machten Kremlchef Wladimir Putin für die Eskalation verantwortlich und forderten ihn auf, jüdische Menschen in Russland zu schützen. Putin jedoch schweigt bisher, allerdings hat sich inzwischen sein Sprecher dazu geäußert.
Die Erstürmung des Flughafens gehe auf "äußere Einflüsse" zurück, sagte Dmitri Peskow am Montag in einer Telefonschalte mit Journalisten. Es sei "allgemein bekannt und offensichtlich", dass es sich um eine Einmischung aus dem Ausland handele, so Peskow. Vor dem Hintergrund der Fernsehbilder des "Horrors" im Gazastreifen sei es "sehr leicht, die Situation zu missbrauchen, dies zu provozieren, die Leute aufzubringen". Angaben darüber, wer nach Ansicht der russischen Führung die Gewalt inszeniert haben soll oder welche Ansichten damit verfolgt würden, machte er nicht.
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Russland nimmt im Konflikt um Gaza eine besondere Rolle ein. Zwar leben in Israel viele russischstämmige jüdische Menschen, Moskau pflegt allerdings seit Jahrzehnten Verbindungen in die palästinensischen Gebiete. Schon zu Sowjetzeiten finanzierte Moskau die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO), russische Waffen kamen in Kriegen gegen Israel zum Einsatz. Der Kreml hat die radikalislamische Hamas nie als Terrorgruppe eingestuft. Seit den 2000er-Jahren empfängt Wladimir Putin Delegationen der Hamas – auch während besonders kritischer Phasen im Nahostkonflikt wie am vorvergangenen Wochenende. Lesen Sie hier eine Analyse, wie der Kreml vom Krieg in Nahost profitiert.
Zugleich hatte Putin die Beziehung zu Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu vertieft. Das führte unter anderem dazu, dass sich Israel vergleichsweise verhalten zu Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine positionierte. Zwar verurteilte Jerusalem diesen, Waffen liefert das Land offiziell bis heute aber nicht. Auch unterstützte die Regierungsspitze Israels den Westen in seiner Haltung nicht.
Oberrabbiner warnt vor Lynchmorden
Putin hatte sich jüngst auch mit den Oberhäuptern der in Russland vertretenen Religionen getroffen. Dabei beschwor er ein friedliches Zusammenleben der Völker und Religionen im Land.
Nach dem Sturm auf das Flughafengebäude forderte Israel am Sonntag die russischen Behörden auf, seine Staatsbürger zu schützen. Es werde erwartet, "dass die russischen Strafverfolgungsbehörden die Sicherheit aller israelischen Bürger und Juden gewährleisten und entschlossen gegen Randalierer und wilde Aufwiegelung gegen Juden und Israelis vorgehen", teilte das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit.
Aus der Ukraine meldete sich der Oberrabbiner des Landes, Moshe Azman, zu Wort. Er warnte vor der Gefahr von Lynchmorden, während die Polizei untätig zusehe. Seit der Eskalation der kriegerischen Auseinandersetzungen in Nahost erleben Jüdinnen und Juden weltweit verstärkt Ressentiments.
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Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland verurteilte die Attacken. Der Präsident des Zentralrats, Josef Schuster, teilte am Montag mit: "Die Jagd auf Juden in Dagestan zeigt uns, dass wir es mit einer Ideologie zu tun haben, die keine Grenzen kennt. Es geht den Islamisten nicht um Israel, sondern es geht ihnen um Juden."
Die USA verurteilten die "antisemitischen Proteste" am Hauptstadtflughafen in Dagestan energisch. "Die USA stehen unmissverständlich an der Seite der gesamten jüdischen Gemeinschaft angesichts des weltweiten Anstiegs des Antisemitismus", erklärte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates, Adrienne Watson, im Onlinedienst X.
Inzwischen teilte das russische Innenministerium mit, dass im Zusammenhang mit den Attacken 60 Personen festgenommen worden seien. Mehr als 150 aktive Teilnehmer an den Unruhen seien identifiziert worden, erklärte das russische Innenministerium. Neun Polizisten wurden verletzt.
Unterdessen will der Präsident der russischen Republik Dagestan, Sergej Melikow, bereits Verantwortliche ausgemacht haben: Die Unruhen würden über einen Telegram-Kanal koordiniert, der von "Verrätern und Banderisten" aus der Ukraine koordiniert werde, sagte Melikow der russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti zufolge. Darüber habe er "absolut zuverlässige und offene Informationen". Als Banderisten werden Unterstützer des umstrittenen ukrainischen nationalistischen Politikers Stepan Bandera bezeichnet. Laut Melikow sollen Zwietracht zwischen den Ethnien und konfessionelle Probleme geschürt werden, Beweise dafür gibt es nicht.
Zuvor Hotel attackiert
In Dagestan ist die Lage derzeit angespannt. Es ist nicht der erste antisemitische Vorfall dieser Art. Am 28. Oktober demonstrierten Einheimische im dagestanischen Chassawjurt vor einem Hotel namens Flamingo, nachdem im Internet verbreitet worden war, dass sich dort israelische Flüchtlinge aufhielten und das Hotel "voll von Juden" sei.
Die Menge vor dem Hotel forderte die Menschen auf, sich zu zeigen und drohte damit, Steine zu werfen, sollten sie dem nicht nachkommen. Nach dem Protest soll laut der russischen Nachrichtenseite "Medusa" ein Zettel am Hotel ausgehängt worden sein. "Ausländischen Staatsbürgern aus Israel (Juden) ist der Zutritt strengstens untersagt!!!", soll verschieden Medienberichten zufolge darauf zu lesen gewesen sein.
Auch das Nordkaukasus-Koordinationszentrum für Muslime hat auf die Eskalationen reagiert und die antisemitischen Aktionen verurteilt. Vertreter brachten ihre Unterstützung für Palästina zum Ausdruck, betonten aber, dass "die Muslime des Nordkaukasus nicht auf der Seite des Hasses und der Intoleranz gegenüber anderen Völkern und Religionen stehen können."
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters
- meduza.io: "Throwing stones and setting fires In recent days, the North Caucasus region has seen a wave of anti-Semitic incidents" (englisch)
- n-tv.de: "Welche Rolle spielt Russland im Israel-Krieg?"
- X: @wartranslated, @Anna_lena2022
- Telegram: Сергей Меликов (russisch)
- ria.ru: Меликов: к беспорядкам в аэропорту подталкивали провокаторы с Украины (russisch)
- zentralratderjuden.de: "Islamistischer Mob in Dagestan" (Statement)