"Versuchen, Juden zu lynchen" Flugzeug aus Israel – wütender Mob stürmt Rollfeld in Russland
In Russland ist es am Abend zu antisemitischen Ausschreitungen gekommen. Angreifer stürmten im Nordkaukasus einen Flughafen.
Nach Berichten über ein mögliches Vorgehen pro-palästinensischer Demonstranten gegen Juden und Israelis in der russischen Republik Dagestan forderte Israel Russland auf, diese in seinem Zuständigkeitsbereich zu schützen. Es werde erwartet, "dass die russischen Strafverfolgungsbehörden die Sicherheit aller israelischen Bürger und Juden gewährleisten und entschlossen gegen Randalierer und wilde Aufwiegelung gegen Juden und Israelis vorgehen", teilten das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sowie das israelische Außenministerium gemeinsam mit.
"Israel nimmt Versuche, israelischen Bürgern und Juden irgendwo zu schaden, sehr ernst" und beobachte die Ereignisse in Dagestan, hieß es in der Mitteilung. Der israelische Botschafter in Russland, Alex Ben Zvi, arbeite mit den russischen Behörden zusammen.
Mindestens 20 Verletzte
Im russischen Nordkaukasus hatte ein wütender Mob am Sonntag den Flughafen Machatschkala gestürmt. Ziel der Menschenmassen soll eine Maschine aus Tel Aviv gewesen sein, wie es in mehreren Videos aus russischen Kanälen auf der Plattform X (vormals Twitter) heißt. Bei den Übergriffen sind nach offiziellen Angaben mindestens 20 Menschen verletzt worden. Zwei von ihnen seien in kritischem Zustand, teilten die örtlichen Gesundheitsbehörden mit. Die Passagiere des Flugzeugs seien "an einem sicheren Ort", sagen Sicherheitskräfte der Nachrichtenagentur Reuters.
"Nachdem sich Gerüchte über die Ankunft jüdischer Flüchtlinge aus Israel verbreitet haben, brechen Mobs in den Flughafen Machatschkala im russischen Nordkaukasus ein und versuchen, Juden zu lynchen", schrieb der Chefkorrespondent für Außenpolitik des "Wall Street Journal", Yaroslav Trofimov, bei X. In Videos ist zu sehen, wie wütende Menschen auf dem Rollfeld des Flugplatzes nach jüdischen Menschen oder Israelis suchen.
Antisemitischer Mob hält Autos auf
Es sollen Hunderte Menschen gewesen sein, die den Flughafen stürmten, wie das unabhängige russische Medium "Medusa" schreibt. Bei dem Überfall überwanden Angreifer gewaltsam Sicherheitsschleusen und riefen antisemitische Parolen.
Anfangs hatte sich der Mob vor dem Flughafengebäude versammelt. Dort bedrängten die Menschen ankommende Passagiere und forderten diese zum Zeigen ihrer Pässe auf. Auch Autos, die vom Flughafen wegfahren wollten, sollen angehalten worden sein.
Video: Mob zwingt einen Passagier sich auszuweisen
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Am Flughafen sollen auch Polizeibeamte vor Ort gewesen sein. Von den antisemitischen Übergriffen hielten sie die Menschen jedoch nicht ab. "Medusa" schreibt, dass die Polizisten lediglich über ein Megafon zum Unterlassen der Ausschreitungen aufgerufen hätten. Weiter sollen sie gesagt haben, dass sie die Angreifer "verstünden". Mittlerweile tauchten Videos auf, die Festnahmen auf dem Rollfeld zeigen sollen. In der Folge der Ausschreitungen wurden alle Flüge, die in Machatschkala ankommen sollten, umgeleitet. Das teilte die staatliche Flugaufsicht Rosawiazija über Telegram mit.
Antisemitische Ausschreitungen im Nordkaukasus häufen sich
Vor dem Hintergrund des Gaza-Krieges kam es in den vergangenen Tagen in Russlands muslimisch geprägtem Nordkaukasus verstärkt zu antijüdischen Übergriffen. Bereits am Samstag umringte eine Menge aufgebrachter Menschen ein Hotel in der Stadt Chassawjurt in Dagestan, weil es das Gerücht gab, dort seien Flüchtlinge aus Israel untergebracht. Die staatliche Agentur Ria bestätigte diesen Vorfall. Nach örtlichen Berichten drangen mehrere Dutzend Männer in das Hotel ein, um angeblich die Pässe der Hotelgäste zu kontrollieren. Die Polizei riegelte das Hotel ab.
Verschärft wird die Lage dadurch, dass die Evakuierungsflüge für russische Staatsbürger aus Tel Aviv ausgerechnet im Nordkaukasus landen, nämlich auf den Flughäfen Machatschkala, Mineralnyje Wody und Sotschi. Im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern halten die russischen Muslime zu ihren palästinensischen Glaubensbrüdern.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
In Naltschik wurden am Sonntag Reifen neben einem jüdischen Kulturzentrum im Bau angezündet, wie die Nachrichtenagentur Ria meldete. Das Gebäude wurde nach Angaben der Sicherheitsbehörden der Teilrepublik Kabardino-Balkarie mit extremistischen Losungen beschmiert. Fotos zufolge stand dort "Tod den Juden". In der Teilrepublik Karatschajewo-Tscherkessien riefen Demonstranten dazu auf, die örtliche jüdische Bevölkerung auszusiedeln.
"Der Antisemitismus hat keinen Platz im multiethnischen Nordkaukasus."
Der Republik-Chef von Dagestan, Sergej Melikow, rief die Bevölkerung auf, sich nicht von Extremisten aufstacheln zu lassen, die die Lage destabilisieren wollten. "Wegen der Fakes, die von unseren Feinden verbreitet werden, waren einige noch ganz junge Leute kurz davor, die Gesetze zu verletzen", schrieb er auf Telegram. Auch die islamische Geistlichkeit der Region stellte klar: "Der Antisemitismus hat keinen Platz im multiethnischen Nordkaukasus."
Wegen der Gewalt im Nahen Osten hatte sich Präsident Wladimir Putin vergangene Woche mit den Oberhäuptern der in Russland vertretenen Religionen getroffen. Dabei beschwor er ein friedliches Zusammenleben der Völker und Religionen in dem großen Land.
- meduza.io: "В Махачкале толпа людей прорвалась на взлетное поле аэропорта — когда прибыл рейс из Тель-Авива" (russisch)
- Telegram: @ostorozhno_novosti_bot
- X (vormals Twitter): @chambersharold8, @yarotrof, @wartranslated
- Mit Material der Nachrichtenagenturen Reuters und dpa