Erstes Urteil gegen Wikileaks-Gründer Richter hält Assange-Argumente für "lachhaft"
Die britische Polizei hat den Wikileaks-Mitgründer verhaftet. Er lebte vorher jahrelang in der Botschaft Ecuadors, die USA werfen ihm ein Komplott vor, ein britisches Gericht hat ihn bereits verurteilt.
Nach jahrelangem Exil in der ecuadorianischen Botschaft in London hat die britische Polizei Wikileaks-Mitgründer Julian Assange festgenommen. Beamte nahmen ihn einer Mitteilung der Metropolitan Police zufolge an der Botschaft fest. Er sei in eine Polizeistation gebracht worden und solle sobald wie möglich einem Richter vorgeführt werden, hieß es weiter. Es liege zudem ein Auslieferungsersuchen aus den USA vor.
Derweil wirft die US-Justiz Julian Assange Verschwörung mit der Whistleblowerin Chelsea Manning vor. Assange werde beschuldigt, Manning dabei geholfen zu haben, ein Passwort eines Computernetzwerks der Regierung zu knacken, hieß es am Donnerstag in einer Mitteilung des Justizministeriums zum US-Auslieferungsantrag an Großbritannien.
Zudem werde Assange nun in den USA wegen eines Hackerangriffs angeklagt, meldete die Nachrichtenagentur AFP am Nachmittag.
Assanges Anwalt hatte vor Gericht argumentiert, der heute 47-Jährige habe sich den Behörden entziehen müssen, da ihn kein fairer Prozess erwarte und er an die USA ausgeliefert werden solle.
Der Richter am Westminster Magistrates' Court wies das als "lachhaft" zurück. Ein Datum für das Urteil steht noch nicht fest, bis dahin soll Assange in Gewahrsam bleiben. Am 2. Mai soll es vor dem selben Gericht um das Auslieferungsgesuch der USA gehen. Die US-Justiz wirft Assange Verschwörung mit der Whistleblowerin Chelsea Manning vor. Die britische Regierung hat klargestellt, Assange werde nicht ausgeliefert, falls ihm die Todesstrafe drohen sollte.
Schon jetzt ist jedoch klar: Das britische Gericht hat Assange am Donnerstag in London für schuldig befunden, gegen seine Kautionsauflagen verstoßen zu haben. Dafür droht ihm eine Haftstrafe von bis zu zwölf Monaten.
Die britische Premierministerin Theresa May hat die Festnahme von Wikileaks-Gründer Julian Assange verteidigt. "In Großbritannien steht niemand über dem Gesetz", erklärte May am Donnerstag im Parlament in London und dankte Ecuador für die Zusammenarbeit sowie der Polizei für ihre "große Professionalität".
Ecuador erkennt ihm Staatsangehörigkeit ab
Die Regierung von Ecuador hat dem festgenommenen Wikileaks-Gründer Julian Assange die Staatsangehörigkeit entzogen. Das gab Außenminister José Valencia am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in der Hauptstadt Quito bekannt. Der gebürtige Australier war seit 2017 ecuadorianischer Staatsbürger.
Valencia erklärte, das Außenministerium habe den Schritt bereits am Mittwoch beschlossen. Als Grund sagte der Minister, es seien "mehrere Unregelmäßigkeiten" in Assanges Papieren entdeckt worden.
Anklage in den USA?
Seit Juni 2012 lebte Assange in der ecuadorianischen Botschaft, um seiner Festnahme und der von ihm befürchteten Auslieferung an die USA zu entgehen. Die schwedische Justiz warf ihm zum Zeitpunkt seiner Flucht Vergewaltigung vor. 2017 wurden die Ermittlungen eingestellt. Vor allem fürchtet Assange angeblich einen Prozess in den USA. Kürzlich legte eine Passage in einem US-Gerichtsdokument nahe, dass es bereits eine Anklage gibt, die noch unter Verschluss gehalten wird.
Jetzt wird zudem bekannt: Eine Frau, die mit Vorwürfen von Vergewaltigung und sexueller Nötigung gegen Julian Assange inzwischen eingestellte Ermittlungen gegen den Wikileaks-Gründer in Schweden ausgelöst hatte, will, dass der Fall nach seiner Festnahme neu aufgerollt wird. Ihre Anwältin teilte am Donnerstag mit, sie werde daran arbeiten, dass die Staatsanwaltschaft die vorläufigen Ermittlungen in Schweden wieder aufnehme. Ziel sei es, dass Assange an Schweden ausgeliefert und wegen Vergewaltigung strafrechtlich verfolgt werden könne, hieß es in einer E-Mail der Anwältin Elisabeth Massi Fritz an die Deutsche Presse-Agentur.
Kurz vor der Verhaftung hatte ihm die Regierung des lateinamerikanischen Landes das diplomatische Asyl entzogen, da er gegen Regeln verstoßen habe. Die Polizei sei in die Botschaft eingeladen worden, teilte die Metropolitan Police weiter mit. Wikileaks bestätigte den Hergang im Kurznachrichtendienst Twitter. Den Entzug des diplomatischen Asyls bezeichnete die Aktivisten-Plattform als "illegal" – mächtige Akteure, inklusive des US-Geheimdienstes CIA, wollten ihn inhaftieren.
Ecuador verteidigt die Entscheidung
Ecuadors Präsident Lenin Moreno wies die Kritik in einer Videobotschaft vehement zurück und verteidigte die "souveräne Entscheidung". Er warf Assange unhöfliches und aggressives Verhalten vor. Wikileaks habe vor zwei Tagen erst die Regierung Ecuadors bedroht. "Meine Regierung hat vor niemandem Angst und handelt nicht auf Grund von Drohungen", sagte Moreno.
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"Die Geduld Ecuadors mit dem Verhalten von Herrn Assange ist am Ende. Er hat unerlaubte elektronische Geräte und Störsender installiert. Er hat die Überwachungskameras der ecuadorianischen Botschaft in London blockiert", sagte Moreno in der Botschaft. Assange sei Botschaftsmitarbeiter angegangen und habe sie schlecht behandelt. Ohne Erlaubnis habe er außerdem auf die Sicherheitsdaten der Botschaft zugegriffen.
Laut den Angaben forderte Moreno von Großbritannien eine Zusage, "dass Herr Assange nicht an ein Land ausgeliefert wird, in dem ihm Folter oder die Todesstrafe drohen könnte". Die britische Regierung habe diese Zusage gegeben.
Snowdens Anwalt kritisiert Festnahme
Robert Tibbo, der Anwalt des Whistleblowers Edward Snowden, erhob im Gespräch mit t-online.de ebenfalls schwere Vorwürfe gegen Ecuador. "Es scheint, als sei Assange das Recht auf eine faire Anhörung und ein ordentliches Verfahren verweigert worden", sagte Tibbo zu t-online.de. "Und ich sehe keine Beweisgrundlage dafür, ihm seinen Asylstatus zu entziehen. Es scheint ein völlig willkürlicher und monströser Akt zu sein."
Tibbo sagte t-online.de, die Assange-Festnahme sei "sehr enttäuschend" für ihn. Assange habe dabei "hilflos und krank" ausgesehen. Für die Aufhebung des Asyl-Statuses brauche man "sehr gute Gründe", so Tibbo. Die offizielle Begründung von Moreno bezeichnete er als "schlechten Scherz". Er hoffe auf ein faires Verfahren in Großbritannien und dass die Briten Assange und seine Rechte schützen würden.
Whistleblower Edward Snowden, der im russischen Exil lebt, schrieb auf Twitter: "Assanges Kritiker mögen jubeln, aber das ist ein dunkler Moment für die Pressefreiheit."
Zuletzt stand Wikileaks vor allem im Fokus von US-Ermittlungen, weil die Enthüllungswebsite im Präsidentschaftswahlkampf 2016 gestohlene E-Mails der demokratischen Partei veröffentlichte. US-Behörden gehen davon aus, dass die E-Mails von russischen Hackern heruntergeladen und Wikileaks zugespielt wurden. Das deckt sich mit Recherchen US-amerikanischer Medien. Roger Stone, ein Berater Donald Trumps steht im Verdacht, wegen der Emails in direktem Kontakt mit Wikileaks gestanden zu haben. Er ist unter anderem wegen Falschaussagen und Zeugenbeeinflussung angeklagt.
- Hintergrund: Wer ist Julian Assange?
- Roger Stone: Trumps "Fürst der Finsternis" wird ans Licht gezerrt
Assange bezeichnet sich selbst als Journalist und beansprucht deshalb die für Medien üblichen Schutzklauseln, wenn es um die Geheimhaltung von Quellen und die Veröffentlichung vertraulicher Informationen geht. Kritiker halten ihn für einen Selbstdarsteller, der sogar Menschenleben gefährdet habe. Seine Anhänger sehen in ihm dagegen einen Aufklärer.
- eigene Recherchen
- Metropolitan Police: Pressemitteilung vom 11.4.2019
- mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP, Reuters