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Wahlen in Venezuela: Löst María Corina Machado Präsident Nicolás Maduro ab?


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Schicksalswahl in Venezuela
Geht er jetzt "nach Hause"?


28.07.2024Lesedauer: 6 Min.
VENEZUELA-ELECTION/MADURO-PROFILEVergrößern des Bildes
Nicolás Maduro gestikuliert bei einer Veranstaltung in Caracas (Archivbild): Der venezolanische Präsident steht unter so hohem Druck wie selten. (Quelle: Leonardo Fernandez Viloria/reuters)
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Venezuela steht am Scheideweg: Selten zuvor hatte die Opposition eine solch breite Unterstützung. Doch Präsident Maduro klammert sich an die Macht – notfalls wohl mit Gewalt.

Es ist ein ungleicher Machtkampf: In der einen Ecke steht der lautstarke sozialistisch-autoritär regierende Präsident, der zum dritten Mal in Folge ins Amt gewählt werden will. In der anderen Ecke steht der Herausforderer, ein zurückhaltender 74-jähriger Ex-Diplomat, den vor seiner Kandidatur niemand so richtig kannte. Und doch geht es dem Machthaber an den Kragen – und einiges davon hat wohl mit "Magie" zu tun.

An diesem Sonntag wählen die Bürger Venezuelas einen neuen Präsidenten. Dem amtierenden Staatschef Nicolás Maduro steht dabei erstmals in seiner Amtszeit ein ernst zu nehmender Oppositionskandidat gegenüber: Edmundo González. Innerhalb weniger Wochen ist sein Stern rasant aufgestiegen – auch weil hinter ihm eine mächtige Frau steht. Manche Umfragen kurz vor der Wahl prophezeien gar einen Erdrutschsieg der Opposition mit einer Zustimmung von knapp 60 Prozent. Machthaber Maduro kommt demnach gerade einmal auf rund 25 Prozent.

In Stein gemeißelt ist freilich noch nichts. Venezuela und Nicolás Maduro haben eine lange Geschichte mit Wahlfälschung und -beeinflussung. Dennoch ist die Furcht des Präsidenten greifbar. "Wenn wir ein Blutbad oder einen von den Faschisten ausgelösten brudermörderischen Bürgerkrieg vermeiden wollen, dann müssen wir den größten Wahlsieg aller Zeiten garantieren", drohte Maduro auf einer Wahlkampfveranstaltung Mitte Juli. Nicht nur Venezuela steht damit am Scheideweg, sondern gleich die ganze Region.

"Wenn man verliert, geht man nach Hause"

So hat der martialische Ton des venezolanischen Präsidenten seinen brasilianischen Amtskollegen auf den Plan gerufen. Lula da Silva ist selbst sozialistisch ausgerichtet, steht Venezuela deshalb eigentlich verhältnismäßig nahe. Dennoch ist Maduro wohl einen Schritt zu weit gegangen: Dessen Aussage habe ihn "erschreckt", erklärte Lula Anfang der Woche. "Wenn man verliert, geht man nach Hause und bereitet sich auf die nächste Wahl vor", fügte er hinzu.

Schon jetzt leidet nicht nur die venezolanische Bevölkerung, sondern der ganze Kontinent unter der fehlgeleiteten Politik Maduros. Rund acht Millionen Menschen – mehr als ein Viertel der Bevölkerung – haben das Land bereits verlassen. Die meisten ließen sich im Nachbarland Kolumbien nieder, viele reisen auch in andere Länder weiter oder wagen den lebensgefährlichen Marsch durch die berüchtigte Darién-Lücke (auch Darién Gap genannt) in Richtung USA.

Dabei handelt es sich um das gut 100 Kilometer breite, dicht bewaldete und hügelige Grenzgebiet zwischen Panama und Kolumbien. Staatliche Kontrolle oder Infrastruktur gibt es hier nicht.

Die Darién-Lücke ist der einzige Ort, an dem die Panamericana unterbrochen wird. Die Landstraße reicht vom hohen Norden Alaskas bis nach Patagonien an der Südspitze Südamerikas. Dennoch durchquerten laut panamaischen Behörden im vergangenen Jahr gut 520.000 Menschen das Gebiet, mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr. Wie viele Menschen bei der Durchquerung starben, lässt sich kaum beziffern.

Zahl der venezolanischen Migranten könnte nochmals steigen

Der überwältigende Teil der Migranten kommt aus Venezuela – und ihre Zahl könnte nochmals steigen. Laut einer Umfrage der Beratungsfirma ORC Consultores aus dem Juni zieht gut ein Drittel der Venezolaner im Falle eines Wahlsiegs Maduros in Erwägung, das Land zu verlassen. Die venezolanische Oppositionsaktivistin Leonela Colmenares bestätigte der "New York Times" diesen Eindruck. Allerorts höre sie von den Menschen das Gleiche: "Wenn Maduro gewinnt, verlassen sie das Land."

Einerseits hat das wirtschaftliche Gründe: Wegen Korruption, Missmanagement und internationalen Sanktionen steckt das Land mit den größten weltweit bekannten Erdölreserven in einer schweren Wirtschaftskrise. Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. Immer wieder kommt es zu Stromausfällen. Gas, Medikamente und Benzin sind knapp.

Andererseits leiden die Venezolaner unter politischen Repressionen. Die linke Regierung geht hart gegen Andersdenkende vor. Zahlreiche Oppositionelle wurden bereits inhaftiert oder von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag ermittelt wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Venezuela. Der venezolanische Journalist Jesús Zambrano sagte der "New York Times" angesichts dessen: "Ich bin nicht bereit, für meinen Job ins Gefängnis zu gehen."

María Machado: Der Dorn in Maduros Auge

Viele Menschen setzten ihre Hoffnungen deshalb in die Opposition. Angeführt wird diese jedoch nicht vom Präsidentschaftskandidaten Edmundo González, sondern von María Corina Machado. Sie ist dem Präsidenten schon seit Langem ein Dorn im Auge, eigentlich wollte sie Kandidatin der Opposition werden. Dabei wurde sie von Mitte-rechts- bis weit rechts stehenden Parteien unterstützt. Doch die venezolanische Wahlkommission sperrte ihre Kandidatur Anfang des Jahres wegen angeblicher Korruptionsfälle. Machado wurde gleich für 15 Jahre von Wahlen ausgeschlossen.

Das hält sie jedoch nicht davon ab, Wahlkampf gegen Nicolás Maduro zu betreiben. Wo ihr Kandidat González hingeht, ist auch Machado nicht weit. Die Politikwissenschaftlerin Carmen Beatriz Fernández von der Universität Pamplona erklärte der BBC die Strategie folgendermaßen: "Sie funktioniert wie ein Tandem." Machado sitze am Steuer, während González in die Pedale trete. "Sie ist diejenige, die den Prozess anführt."

Und so ist es auch Machado, die zunehmend unter politischem Druck steht. Nach eigenen Angaben wurde ihr Team in der vergangenen Woche angegriffen. Bei einem ihrer Geländewagen seien Bremsschläuche durchtrennt worden, einen Unfall gab es aber nicht. "Das ist ganz klar ein Anschlag auf unser Leben", erklärte Machado daraufhin. Ebenfalls in der vergangenen Woche wurde ihr Sicherheitschef festgenommen, angeblich wegen "geschlechtsspezifischer Gewalt". Die Festnahme ziele darauf ab, ihr Team für den verbleibenden Wahlkampf ungeschützt zu lassen, sagte hingegen Machado.

"Was wir heute erleben, ist Magie"

Der Kampfgeist der Opposition scheint dennoch ungebrochen. González und Machado gelingt es immer wieder, große Menschenmassen auf Wahlkampfveranstaltungen zu mobilisieren. Beobachter vergleichen die Bewegung schon mit der Anhängerschaft des ehemaligen autoritären, aber in der Bevölkerung sehr beliebten Präsidenten Hugo Chávez. "Sie dachten, sie könnten uns brechen", rief Machado auf einer solchen Veranstaltung Anfang Juli. "Was wir heute erleben, ist Magie, es ist außergewöhnlich."

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Dem amtierenden Präsidenten ist diese "Magie" wohl nicht ganz geheuer. Maduro wird wohl versuchen, seinen ganzen eigenen "Zauber" bei den Wahlen wirken zu lassen. So rechnen Experten nicht mit einer freien und fairen Wahl. Eine wichtige Rolle kommt daher Wahlbeobachtern zu: Neben nationalen Beobachtern dürfen auch die UN sowie die US-Organisation Carter Center Beobachter entsenden, außerdem kommen Experten aus Kolumbien und Brasilien. Lula schickt seinen außenpolitischen Berater und engen Vertrauten Celso Amorim als Wahlbeobachter.

Die Venezolaner stimmen über ein elektronisches Wahlsystem ab, das laut dem US-Thinktank Washington Office in Latin America (WOLA) wasserdicht sei. Laut Eugenio Martínez von der Nichtregierungsorganisation Votoscopio liegen die Probleme vielmehr im Umfeld der Abstimmungen: Wähler könnten eingeschüchtert, die Öffnungszeiten der Wahllokale kurzerhand verlängert oder der Zugang von Wahlbeobachtern eingeschränkt werden.

Das Militär hat Maduro bisher gestützt

Fraglich bleibt derweil, was passieren könnte, wenn Maduro die Abstimmungen tatsächlich krachend verliert. Als sich der Oppositionelle Juan Guaidó 2019 kurzerhand selbst zum Interimspräsidenten ernannte und von 54 Staaten anerkannt wurde, stellte sich das Militär hinter Maduro. Dieser musste die Situation dann nur noch aussitzen – und blieb an der Macht.

Neben dem Militär gibt es in Venezuela allerlei kriminelle Gruppen, denen Verbindungen zur Regierung nachgesagt werden. Dazu gehören beispielsweise kolumbianische Rebellen, die in Venezuela Schutz gesucht haben, aber auch das berüchtigte Syndikat Tren de Arauga. Die Organisation, die aus einer Gefängnisbande hervorging, arbeitet grenzübergreifend und wurde kürzlich von den USA sanktioniert. Auch sie werden eine Rolle nach einer möglichen Abwahl spielen.

Was passiert, wenn Maduro verliert?

Die Situation gleicht einem Pulverfass. Verliert Maduro die Wahl, gibt es wohl zwei mehr oder minder wahrscheinliche Szenarien: Erstens könnte er sein Amt nach elf Jahren an der Macht tatsächlich abgeben. So zumindest hat es sein Sohn Nicolás Maduro Guerra in einem Interview mit der spanischen Zeitung "El País" angekündigt.

Zweitens: Maduro klammert sich an die Macht und provoziert damit eine Reaktion der Opposition, wohl in Form massiver Proteste. In den vergangenen Jahren hat er solche Demonstrationen stets mithilfe des Militärs niedergeschlagen. Steht die Armee dieses Mal wieder hinter ihm? Manuel Christopher Figueroa, ein ehemaliger venezolanischer Geheimdienstler, zweifelt im Interview mit der Nachrichtenagentur AP daran: "Sie werden nicht rebellieren, aber sie werden auch keine Befehle befolgen."

Auch das liegt wohl an Maduros mangelhafter Wirtschaftspolitik. Soldat zu sein, bedeutet längst nicht mehr, überdurchschnittlich viel Geld zu verdienen. Die Soldaten haben ebenfalls Familienangehörige, die das Land verlassen haben. Hier könnte die "Magie" der Opposition also verfangen.

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