Premiere in Italien Überraschungsgast wird auf G7-Gipfel erwartet
Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ist Topthema beim G7-Gipfel. Darüber hinaus wollen die Teilnehmer auch andere Krisen besprechen. Außerdem gibt ein Ehrengast seine Premiere.
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Kann russisches Geld für ukrainische Waffen eingesetzt werden? Beim G7-Gipfel in Süditalien beraten die Staats- und Regierungschefs, ob das umsetzbar ist. Gleich zu Beginn kommt die Einigung: Unterhändler der G7-Staats- und Regierungschefs verständigten sich darauf, mithilfe von Zinsen aus eingefrorenem russischen Staatsvermögen ein Kreditpaket im Umfang von etwa 50 Milliarden US-Dollar (etwa 47 Milliarden Euro) zu finanzieren, wie mehrere Diplomaten am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur sagten.
Auch darüber hinaus wird der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine wohl im Fokus der dreitägigen Besprechungen im Luxushotel "Borgo Egnazia" in der süditalienischen Region Apulien stehen. Sicher ist etwa, dass US-Präsident Joe Biden und sein ukrainischer Amtskollege Wolodymyr Selenskyj am Rande des ersten Gipfeltages ein bilaterales Sicherheitsabkommen unterzeichnen.
Neben Selenskyj und anderen ist auch erstmals der Papst zur Gipfelrunde eingeladen. Rund 5.000 Sicherheitskräfte sind im Einsatz. Diskutiert werden wohl vor allem folgende Bereiche:
Die Themen
Biden und Selenskyj unterzeichnen Sicherheitsabkommen
Die von Russland angegriffene Ukraine hat bereits bilaterale Sicherheitsabkommen mit diversen Staaten geschlossen – darunter mit Deutschland im Februar. Nun wollen Biden und Selenskyj am Rande des Gipfels ein solches Abkommen unterzeichnen. Das kündigte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Biden, Jake Sullivan, am Mittwoch an. Insgesamt hätten 15 Länder bereits entsprechende Vereinbarungen geschlossen.
Sullivan nannte keine konkreten Details. Er betonte aber, das Abkommen werde keinerlei Verpflichtung zum Einsatz amerikanischer Streitkräfte zur Verteidigung der Ukraine beinhalten. "Es ist eine Zusage, dass wir sicherstellen werden, dass die Ukraine sich selbst verteidigen kann." Bidens Berater nannte das Abkommen eine "Brücke" zu einer möglichen Nato-Mitgliedschaft der Ukraine.
G7-Staaten wollen Milliarden-Paket für die Ukraine mit russischem Staatsvermögen finanzieren
Die Staats- und Regierungschefs haben in Süditalien ein neues großes Hilfspaket für die Ukraine auf den Weg gebracht. Ein ranghoher EU-Beamter hatte bereits am Dienstag gesagt, beim G7-Gipfel solle vereinbart werden, mit Zinsen aus eingefrorenem russischen Staatsvermögen einen Kredit in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar (etwa 47 Mrd. Euro) für die Ukraine zu finanzieren. Die Gespräche dazu liefen konstruktiv, sagte Sullivan auf dem Flug nach Italien. Am Donnerstagmorgen kam dann die Einigung der Unterhändler.
In der EU und in anderen Ländern sind seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im großen Umfang russische Zentralbankgelder eingefroren. Der Löwenanteil befindet sich innerhalb der Europäischen Union: nach Kommissionsangaben rund 210 Milliarden Euro. Das festgesetzte Geld Russlands wirft jährlich Zinserträge in Milliardenhöhe ab.
Bekommt die Ukraine weitere Hilfe für die Luftverteidigung?
Sullivan wollte sich nicht zu einem Medienbericht äußern, wonach die USA der Ukraine ein weiteres Patriot-Flugabwehrsystem zur Verfügung stellen wollen, um die Verteidigung gegen Russlands Angriffe aus der Luft zu stärken. Es gehöre aber zu den obersten Prioritäten Bidens, der Ukraine mehr Flugabwehrsysteme zu liefern.
Neue US-Sanktionen gegen Russland
Die USA verhängten pünktlich zum G7-Gipfel neue Sanktionen gegen Unterstützer des russischen Krieges – darunter chinesische Firmen. Mit der Verkündung neuer Sanktionen hatte die US-Regierung auch im vergangenen Jahr den G7-Gipfel in Japan eingeläutet, um Moskau den Zugang zu Gütern zu erschweren, die auf dem Schlachtfeld wichtig sind. Das neue Paket richtet sich gegen mehr als 300 Personen und Einrichtungen.
Die Teilnehmer
Die G7-Staaten und ihre Gäste
Zur Gruppe der Sieben gehören die USA, Kanada, Japan, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Italien, das dieses Jahr Gastgeber ist und den Vorsitz hat. Für Deutschland reist Bundeskanzler Olaf Scholz an.
Als Gäste kommen nach Selenskyj weitere Staats- und Regierungschefs hinzu, beispielsweise aus der Türkei, Brasilien und Indien. Selenskyj reist aus Saudi-Arabien an, wo er sich um die Unterstützung des Königreichs bemüht hatte.
Ehrengast mit kurzer Anreise
Auch Papst Franziskus wird in Apulien erwartet. Zum ersten Mal überhaupt nimmt ein Pontifex an einem G7-Gipfel teil. Das Oberhaupt der katholischen Kirche soll über das Thema Künstliche Intelligenz sprechen.
Als Themen der Arbeitssitzung stehen außerdem Afrika und das Mittelmeer auf dem Programm – schwer vorstellbar, dass sich der Papst in dem Zusammenhang nicht zur Migration äußert. Möglicherweise will er mit den Politikern auch über das Thema Krieg reden, bei dem er ebenfalls eine eigene Meinung hat. Mehr dazu lesen Sie hier.
Der unsichtbare Achte
Russland ist bereits seit 2014 bei solchen Treffen nicht mehr dabei: Wegen der völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim wurde Wladimir Putin damals aus der Gruppe verbannt. In Bari, der nächstgrößeren Stadt, ist der Kremlchef trotzdem präsent.
Auf dem Vorplatz der großen Basilika San Nicola steht bereits seit 2003 ein von ihm gestiftetes Denkmal zu Ehren des Heiligen Nikolaus. Daneben hängt eine Bronzeplakette mit dem Wortlaut eines Briefes, in dem Putin Freundschaft und Zusammenarbeit gelobte. Wegen des Ukraine-Kriegs gibt es immer wieder Forderungen, die Plakette entfernen zu lassen – vergebens. Auch eine Unterschriftenaktion brachte keinen Erfolg.
Der Tagungsort
Das Luxus-Resort "Borgo Egnazia" – 28 Villen sowie 63 Suiten oder Zimmer in traditionell apulischem Stil, dazu Restaurants, Pools, ein Golfplatz und ein Beachclub – ist noch keine 15 Jahre alt. Bislang las man darüber selten im politischen Teil, umso mehr in den Klatschspalten. Die US-Stars Justin Timberlake und Jessica Biel feierten hier 2012 groß Hochzeit, angeblich für mehrere Millionen Dollar. Mehr dazu lesen Sie hier.
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Die meisten Staats- und Regierungschefs der G7 (und auch der eine oder andere sonstige Gast) werden auf dem Gelände wohnen. Aus Sicherheitsgründen ist das Resort für zehn Tage geschlossen. Rundum wurde eine "zona rossa" eingerichtet, eine rote Zone als Sperrgebiet: Hier ist kein Durchkommen mehr. Vor der Küste sollen Kriegsschiffe kreuzen. Zudem wurden die Straßen sehr großzügig neu asphaltiert, und das Militär legte ein Dutzend Hubschrauber-Landeplätze an. Die Fahrt über Apuliens Straßen, berüchtigt für ihre Schlaglöcher, möchte man solch hohem Besuch keinesfalls zumuten.
Die Folgen
Das G7-Treffen schließt nahtlos an die zweitägige Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine in Berlin an. Am Samstag geht es für Scholz und auch Selenskyj weiter zur Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz, zu der sich nach Angaben der Regierung in Bern bislang rund 40 Staats- und Regierungschefs angemeldet haben. Eingeladen waren rund 160. Weitere gut 40 Staaten sollen mit anderen hohen Regierungsvertretern dabei sein.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich im Vorfeld zurückhaltend optimistisch zu den Erfolgschancen der Schweizer Friedenskonferenz geäußert. "Dort werden wir uns über Grundsätze für einen gerechten, dauerhaften Frieden austauschen", sagte der SPD-Politiker am Dienstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten.
- Nachrichtenagentur dpa