"Weiße Fahne" hissen "Unglaublich": Papst-Aussage löst Empörung aus
Das Oberhaupt der katholischen Kirche hat die Konfliktparteien im Ukraine-Krieg zu Verhandlungen aufgefordert. Vor allem in der Ukraine reagiert man allergisch.
Der Papst hat mit seinen Aussagen zum Krieg in der Ukraine einen Sturm der Empörung, aber auch Unterstützung ausgelöst. Papst Franziskus hatte in einem Interview mit dem Schweizer Sender RSI gesagt, die Konfliktparteien sollten den Mut haben, eine "weiße Fahne" zu hissen und ein Ende des Krieges auszuhandeln. Er denke, "dass der Stärkste derjenige ist, der die Situation betrachtet, an die Menschen denkt, den Mut der weißen Fahne hat und verhandelt." Mehr dazu lesen Sie hier.
Lettlands Präsident Edgars Rinkēvičs sagte laut dem belarussischen Nachrichtenportal "Nexta": "Man darf vor dem Bösen nicht kapitulieren, man muss es bekämpfen und besiegen, damit das Böse die weiße Fahne hisst und kapituliert."
"Ist das wirklich das, was er vorschlägt?"
In der Ukraine wurde der Begriff der "weißen Fahne", den der Papst gebrauchte, als Aufforderung zur Kapitulation verstanden und löste erboste Reaktionen aus. "Es erscheint merkwürdig, dass der Papst nicht zur Verteidigung der Ukraine aufruft, nicht Russland als Aggressor verurteilt, der Zehntausende Menschen tötet", schrieb der frühere Abgeordnete und Vizeinnenminister Anton Heraschtschenko im Netzwerk X (früher Twitter).
Die ukrainische Abgeordnete Inna Sovsun teilte eine Karikatur des Papstes, die ihn mit einem Kettenanhänger in Form eines "Z" zeigt. Diesen lateinischen Buchstaben nutzt Russland als Zeichen für seinen Krieg. Mehr dazu lesen Sie hier.
"Kapitulation bedeutet, dass wir unser Volk in den besetzten Gebieten in Folterlagern zurücklassen, dass wir unsere Kinder einer Gehirnwäsche unterziehen und dass wir in zehn Jahren, wenn Russland sich erholt hat, einen neuen Krieg erleben werden", schrieb sie dazu auf X und fügte hinzu: "Ist das wirklich das, was er vorschlägt?"
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Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter schrieb auf X: "Unglaublich, das Oberhaupt der katholischen Kirche stellt sich auf die Seite des Aggressors. Wie traurig!" Kiesewetter kritisiert, der Papst liefere so dem russischen Präsidenten Wladimir Putin eine Blaupause für weiteres Vorgehen.
Sarkastischer kommentierte Osteuropa-Experte Andreas Umland: "Papst Franziskus sollte einen realistischen Blick auf die Welt werfen und den Mut haben, mit Luzifer über die Kapitulation der katholischen Kirche zu verhandeln."
Strack-Zimmermann: "Schäme mich als Katholikin"
FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann verurteilte die Aussage von Papst Franziskus in scharfer Form. "Bevor die ukrainischen Opfer die weiße Flagge hissen, sollte der Papst laut und unüberhörbar die brutalen russischen Täter auffordern, ihre Piraten-Fahne – das Symbol für den Tod und den Satan – einzuholen", sagte die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Und warum in Gottes Namen verurteilt er nicht die verbale mörderische Hetze von Kyrill I., Vorsteher der Russisch-Orthodoxen Kirche und Ex-KGB-Agent, dem ukrainischen Volk gegenüber", fragte Strack-Zimmermann. Sie fügte hinzu: "Ich schäme mich als Katholikin, dass er das unterlässt."
Auch Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt widersprach dem Appell von Papst Franziskus. "Niemand möchte mehr Frieden als die Ukraine", sagte die Grünen-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Göring-Eckardt fügte hinzu: "Es ist Wladimir Putin, der den Krieg und das Leid sofort beenden kann – nicht die Ukraine. Wer von der Ukraine verlangt, sich einfach zu ergeben, gibt dem Aggressor, was er sich widerrechtlich geholt hat, und akzeptiert damit die Auslöschung der Ukraine." Göring-Eckardt betonte: "Über Frieden wird und muss verhandelt werden – aber auf Augenhöhe."
"Das ist überhaupt keine neue Position des Papstes!"
Unterstützung erhält der Papst aus den Reihen des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). "CDU, FDP und Grüne wünschen jenem Papst, der die Auswüchse der Ungleichheit und die Verachtung der Ärmsten anprangert, der in einer verkrusteten und vermachteten katholischem Kirche, die von Missbrauchsskandalen geprägt ist, immerhin zaghafte Reformen wie die Segnung homosexueller und unverheirateter Paare durchgesetzt hat, und sich für den Frieden engagiert, gefühlt das Fegefeuer, weil er sich zu einem Verhandlungsfrieden im Ukraine-Krieg einließ", schrieb Fabio De Masi auf X.
Er führte aus, der Papst habe keine "bedingungslose Kapitulation" gefordert, sondern Verhandlungen unter der Führung von Schutzmächten, bevor die "Bedingungen für die Ukraine sich weiter verschlechtern und noch mehr Menschen sterben". De Masi fügte hinzu: "Das ist überhaupt keine neue Position des Papstes!"
Die Ukraine lehnt Verhandlungen ab, solange Russland die besetzten Gebiete nicht wieder freigibt. Russland hingegen schließt das aus und pocht auf eine weitgehende politische Kontrolle des Nachbarlandes. Schon aus früheren Papst-Äußerungen haben die Ukrainer das Gefühl, dass Franziskus mehr Verständnis für Russland aufbringt als für ihr angegriffenes Land.
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- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa