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Natürlicher Dünger: Diese Gartenpflanzen werden Ihren Urin lieben


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"Gelbes Gold"
Diese Gartenpflanzen werden Ihren Urin lieben

InterviewVon Ron Schlesinger

Aktualisiert am 19.06.2022Lesedauer: 4 Min.
Gießen: Urin kann dem Gießwasser beigemischt werden. Das Düngegemisch eignet sich aber nicht für alle Pflanzen. (Symbolbild)Vergrößern des Bildes
Gießen: Urin kann dem Gießwasser beigemischt werden. Das Düngegemisch eignet sich aber nicht für alle Pflanzen. (Symbolbild) (Quelle: Westend61/imago-images-bilder)
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Dünger ist wichtig, weil er wertvolle Nährstoffe liefert. Doch industriell hergestellter Mineraldünger ist nicht immer umweltverträglich und kostet obendrein noch Geld. Buchautorin Theresa Mai kennt da eine Alternative.

Wir spülen ihn mehrmals täglich die Toilette herunter: unseren Urin. Eigentlich schade drum, dachte sich vor einigen Jahren auch Theresa Mai. Die "Bossin" eines kleinen österreichischen Unternehmens, das Tiny Houses auf Rädern baut, kämpft in Zeiten der Klimakrise für mehr Nachhaltigkeit. Auch beim Thema Gang aufs Klo.

In Ihrem Buch "Wie wir leben könnten" erzählt sie davon – und hat uns neugierig gemacht. Im Interview mit t-online verrät sie deshalb, warum Urin gut für Gartenpflanzen ist, welche Regeln beim Düngen zu beachten sind und was sie genau damit meint, mit Urin-Dünger wieder Kreisläufe schließen zu wollen.

t-online: Frau Mai, ich habe gelernt, dass man nicht in der Öffentlichkeit urinieren darf, zum Beispiel an einen Baum oder ins Gebüsch. Auch weil es der Natur und Pflanzenwelt schade. In Ihrem aktuellen Buch sprechen Sie allerdings vom "gelben Gold", das man im Garten als Dünger verwenden sollte. Wie passt das zusammen?

Theresa Mai: Wie bei vielen Dingen muss man auch da genauer hinschauen. Sie haben völlig recht, dass Urin in Reinform für Pflanzen schädlich sein kann.

Warum?

Weil er zu viele Nährstoffe enthält und die Pflanzen damit überfordert. Genau diese Inhaltsstoffe machen ihn aber auch zu dem "gelben Gold", von dem ich in meinem Buch erzähle: Stickstoff, Phosphor, Kalium – lauter Rohstoffe die in NPK-Düngern (Anm. der Red.: Abkürzung für Stickstoff (N), Phosphor (P) und Kalium (K)) für die industrielle Landwirtschaft ansonsten chemisch aufwändig hergestellt werden müssen.

Vertragen alle Gartenpflanzen den Urin-Dünger gleich gut? Welche profitieren davon, welche nicht? Und warum?

Urin enthält viel Stickstoff. Darüber freuen sich vor allem sogenannte Starkzehrer wie Kartoffeln, Tomaten, Kürbis und Rosen. Auch Geranien, Chrysanthemen und Nelken gedeihen mit Urin-Dünger gut. Salzempfindliche Pflanzen wie Farne, Bromelien, Azaleen, Orchideen oder alle Keimlinge sollten damit allerdings nicht gedüngt werden. Auch Salat und Radieschen sind weniger geeignet.

Welches Mischungsverhältnis muss man beachten?

Urin wird in einem Mischverhältnis von circa 1:10 verwendet und im Idealfall mit Regenwasser gemischt. Für alle, die nicht so gerne direkt mit Urin hantieren, gibt es auch automatische Mischer wie den Separett Ejektortank. Er verdünnt bei Anschluss an eine Wasserleitung den gesammelten Urin selbsttätig.

Was ist beim Düngen zu beachten? Darf der Urin mit Blättern, Blüten oder Früchten in Berührung kommen?

Urindünger sollte direkt am Boden eingebracht werden. Der Stickstoff kann bei zu viel Sonne andernfalls die Blätter verbrennen. Auch für Früchte und Blüten ist es nicht ideal, wenn sie mit dem intensiven Dünger in Berührung kommen.

Urin ist ja nicht gleich Urin. In manchem stecken Medikamentenrückstände aus Pille, Schmerzmittel und Co. Kann man auch diesen Urin guten Gewissens als Dünger verwenden?

Nein. Urin sollte man im Gemüsebeet nur verwenden, wenn man sich sicher ist, dass er keine Rückstände von Arznei mehr enthält. Die Pflanzen können zwar damit umgehen, aber sie lagern die Stoffe ein. Die Rückstände landen so früher oder später wieder auf dem eigenen Teller.

In Ihrem Buch weisen Sie in dem Zusammenhang noch auf andere Probleme hin.

Arzneirückstände sind ein Problem, mit dem auch unsere regulären Kläranlagen nicht gut umgehen können, was schon jetzt zu vielen Problemen in der Tierwelt führt: Aale auf Speed, Flusskrebse auf Koks und Schmerzmittelrückstände, die Fische paarungsunfähig machen. Im Kleinen können wir dem Problem besser begegnen und auch direkt Lösungen finden.

(Quelle: Daniel Zangerl)


Theresa Mai lebt im österreichischen Dorf Gutenstein. Dort ist sie Geschäftsführerin einer Firma, die Lösungen für nachhaltiges und zukunftsträchtiges Wohnen finden will.

Und welche wären das?

Um Rückstände abzubauen, kann man den Urin fermentieren. Dafür verschließt man den Urintank oder -kanister und gibt etwas Zucker und effektive Mikroorganismen wie Bakterien, Pilze oder Hefe hinzu. Nach einigen Wochen werden die Molekülketten aufgebrochen, die Medikamentenrückstände sind Geschichte. Was bleibt, ist bester Bio-Dünger fürs Gemüse.

Stimmt es auch, dass Urin ein Turbo-Beschleuniger fürs Kompostieren ist? Und wenn ja, warum?

Der Nährstoffgehalt eines Komposthaufens kann mit Urin tatsächlich stark verbessert werden. Dank des hohen Stickstoff- und Phosphorgehalts erhält man am Ende Humus mit einem besonderen Nährstoff-Boost. Auch die Kompostierung wird verbessert. Man kann Urin jedoch nicht direkt auf den Kompost geben, da der hohe Harnstoffgehalt die Fermentation im Komposthaufen stören würde. Am besten mischt man den Urin vorher mit holzigen Stoffen wie Sägespänen, Stroh, Nadelstreu, Rindenmulch oder Laub. Dann wird das Ungleichgewicht beseitigt. Bis zu 100 Liter Urin pro Kubikmeter Kompost können beigegeben werden.

Wir haben viel über Urin als Düngemittel gesprochen. In Ihrem Buch beschreiben Sie, wie man das "gelbe Gold" am effektivsten sammelt: mit einer Bio-Trenntoilette. Ganz kurz erklärt: Wie funktioniert so etwas?

Bio-Toiletten oder Trocken-Trenntoiletten sind eine genial-einfache Erfindung: Durch eine mechanische Trennung landet der Urin im vorderen Bereich der Toilette und wird separat gesammelt, Feststoffe und Klopapier landen im Kompostbehälter. Durch die Trennung ist das System geruchsfrei und absolut indoor-tauglich. Damit das klappt, gilt auch für die Herren: Hinsetzen!

Sie leben auf einem österreichischen Gutshof – vermutlich mit einer Bio-Trenntoilette. Welcher Beitrag für ein nachhaltiges Wohnen lässt sich daraus konkret ableiten? Stichwort: Wasserverbrauch.

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Mit einer Bio-Toilette hat man eine ökologische Toilettenlösung, die nicht nur das "gelbe Gold" sammelt, sondern auch unfassbare 13.000 Liter Trinkwasser pro Person und Jahr spart. Soviel spülen wir nämlich im Normalfall unsere Toilette hinunter. Auch wenn es ein seltsames Tabu-Thema ist, Urin-Düngung und Bio-Toiletten wären ein wertvoller Beitrag, um Kreisläufe wieder zu schließen. Spannend ist, dass es mittlerweile nicht nur Lösungen für das Land gibt, wo natürlich die Verwertung des angefallenen Urins im großen Gemüsegarten leichter fällt. Auch in der Stadt gibt es mittlerweile Projekte, die funktionieren.

Welche wären das?

Ein Schweizer Unternehmen entwickelt zum Beispiel Lösungen, um den gesammelten Urin aus Wohnhausanlagen direkt zu hygienisieren und als Dünger abzufüllen. Und in Hamburg kommen Vakuumtoiletten zum Einsatz und das separat gesammelte Toiletten-Abwasser wird zur Energieerzeugung genutzt.

Wem das zu weit geht, dem möchte ich zumindest für den ersten Schritt Mut machen: Eine Bio-Toilette für den eigenen Garten ist eine wunderbare Möglichkeit, die Kreisläufe wieder zu schließen.

Vielen Dank für das Interview, Frau Mai.

Verwendete Quellen
  • Schriftliches Interview vom 24. September 2021
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