Leber Ein rätselhafter Patient: Bilderrätsel auf der Leber
Leipziger Ärzte entdecken bei einem 44-jährigen Mann einen Tumor an der Leber, sie befürchten eine Krebserkrankung. Doch auf den Bildern der Computertomografie scheint die Geschwulst plötzlich verschwunden. Erst eine Gewebeentnahme bringt die Mediziner auf die richtige Spur.
In die Leipziger Universitätsklinik kommt ein 44-jähriger Mann, der sich ständig müde fühlt. Er berichtet seinen Ärzten von Fieber und nächtlichen Schweißausbrüchen, seit zehn Tagen ginge das bereits so. Zudem hätten in der vergangenen Woche die Kniegelenke nach dem Sport geschmerzt.
Beschwerden vergingen zunächst von selbst
Als der Internist Thomas Karlas und seine Kollegen den Mann befragen, kann der sich an ähnliche Beschwerden in der Vergangenheit erinnern. Im vergangenen und im vorvergangenen Jahr sei es ihm schon einmal so ergangen, berichtet der Patient. Damals vergingen die Beschwerden jedoch von selbst, beschreiben die Ärzte den Fall im Fachmagazin "Gastroenterology".
Ansonsten ist die Vorgeschichte des Patienten unauffällig: Bis vor zehn Jahren hatte der Mann geraucht, er leidet nicht unter chronischen Krankheiten, es gibt keine Hinweise auf Infektionskrankheiten, die er von Reisen mitgebracht haben könnte.
Geschwollene Knie, erhöhte Leberwerte
Bei der Untersuchung bemerken die Mediziner zwar, dass beide Knie etwas geschwollen sind. Sonst fällt ihnen aber nichts auf, was die Beschwerden des Mannes erklären würde. Die Blutanalyse ergibt deutliche Hinweise auf eine Entzündung, auch ein Teil der Leberwerte ist erhöht. Vom roten Blutfarbstoff, dem für den Sauerstofftransport wichtigen Hämoglobin, hat der Patient eine zu niedrige Konzentration im Blut. Außerdem ist die Konzentration der Blutplättchen, der für die Gerinnung benötigten Thrombozyten, leicht erhöht. Für beide Befunde gibt es unterschiedliche Ursachen. Der Mann wird geröntgt, sein Urin analysiert - ohne auffällige Ergebnisse.
Untersuchung mit Kontrastmittel
Bei der Ultraschalluntersuchung werden die Ärzte schließlich fündig. Sie stoßen in der Leber auf eine etwa zwei mal zwei Zentimeter große Struktur, die ein bösartiger Tumor sein könnte. Mit Hilfe eines Kontrastmittels sehen die Mediziner, wie das Gebilde von einem Blutgefäß versorgt wird. Das ist bei den meisten Tumoren ab einer gewissen Größe der Fall, bei vielen gutartigen Veränderungen dagegen nicht. Sie fühlen sich in ihrer Vermutung bestätigt, dass der Patient an Krebs erkrankt ist.
Auf dem CT verschwindet der Tumor
Doch ihre Hypothese wackelt, als sie den Mann auch computertomografisch untersuchen. Auf den CT-Bildern verschwindet der Tumor nahezu. Erst eine Magnetresonanztomografie macht das Gebilde erneut sichtbar. In einer Positronenemissionstomografie erkennen die Mediziner, dass die Zellen an der verdächtigen Stelle große Mengen an Blutzucker verbrauchen, was wiederum zu einem bösartigen Tumor passen würde. Weil die unterschiedlichen Bilder sich zu widersprechen scheinen, entschließen sich die Ärzte zu einer Biopsie der Leber, bei der sie ein kleines Stückchen Gewebe entnehmen.
Ein ganz anderer Tumor nahezu
Die Pathologen finden bei der Analyse des Gewebes keine Hinweise auf einen bösartigen Tumor. Allerdings fällt ihnen eine Vielzahl dicht gepackter Abwehrzellen auf. Eine genauere Untersuchung der Zellen im Labor ergibt die Diagnose: Der Patient leidet an einem entzündlichen Pseudotumor (inflammatorischer Pseudotumor) in der Leber.
Inflammatorische Pseudotumoren sind sehr selten, das Abwehrsystem richtet sich dabei gegen den Körper selbst. Es ist also eine Autoimmunkrankheit, die verschiedene Organe wie Bauchspeicheldrüse, Lunge oder eben die Leber treffen kann. Zur richtigen Diagnose führt nur, wenn die Ärzte rechtzeitig daran denken, die Biopsie durchzuführen. Lange Zeit wurden die Pseudotumoren erst nach der Operation der vermeintlich bösartigen Geschwulst erkannt.
Jetzt bekommt der Patient Prednisolon, einen Verwandten des körpereigenen Hormons Cortisol. Das Medikament unterdrückt Entzündungsreaktionen. Die Beschwerden des Mannes gehen rasch zurück, seine Entzündungswerte im Blut normalisieren sich.
Entzündung verliert an Aktivität
Beim Versuch der Ärzte, ihn mit einer geringeren Menge cortisonverwandter Medikamente zu behandeln, erleidet der Patient einen Rückfall. Mit Hilfe einer Kombination verschiedener, das Immunsystem unterdrückender Wirkstoffe gelingt es schließlich, seine Symptome dauerhaft zu unterdrücken. In Ultraschalluntersuchungen können die Mediziner den Pseudotumor zwar nach wie vor sehen, doch die Entzündung scheint an Aktivität verloren zu haben.
Bei manchen Patienten schrumpfen die Tumoren auch ohne Behandlung, der Großteil der Betroffenen benötigt allerdings eine Therapie mit Steroiden, den Verwandten des Cortisols. Nur wenn auch das nicht hilft, müssen die Pseudotumoren in einer Operation entfernt werden.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.