Depressionen, Herzinfarkt, Sterblichkeit Diese gravierenden Folgen kann Einsamkeit haben
Das "Einsamkeitsbarometer" zeigt, dass Einsamkeit in Deutschland ein großes Problem ist. Die körperlichen und psychischen Folgen können gravierend sein.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hat am Donnerstag eine Studie vorgestellt, in der es um Einsamkeit in Deutschland geht. Für das "Einsamkeitsbarometer" wurden Daten aus einem Zeitraum von 30 Jahren ausgewertet – und sie zeichnen ein düsteres Bild. Denn es sind zunehmend auch jüngere Menschen, die sich einsam fühlen.
Doch Einsamkeit ist nicht nur ein unangenehmes Gefühl – sie kann auch schwerwiegende psychische und körperliche Folgen haben. Einsamkeitsforscherin Maike Luhmann von der Ruhr-Universität Bochum erklärt, dass bei chronischer Einsamkeit dieselben Areale im Gehirn aktiviert werden wie bei Schmerz. Obwohl man wisse, dass mit Einsamkeit große Risiken einhergehen, gebe es bislang keine "keine klinische Diagnose im klassischen Sinne" – also auch keine speziellen Therapien und Medikamente, so Luhmann.
Körper ist bei Stress in "ständiger Alarmbereitschaft"
Laut Eva Peters, Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Universität Gießen, sei der Körper bei Einsamkeit in einem dauerhaften Stresszustand, "da er sich in ständiger Alarmbereitschaft befindet". Es fehle das soziale Umfeld als Puffer für mögliche Gefahrensituationen. Peters ergänzt, dass Einsamkeit ein Gefühl ist, das "in unseren Körpern und unseren Seelen" nicht einprogrammiert ist. Der Mensch sei ein soziales Tier, das in Gruppen besonders gut funktioniere.
Auch die fehlende intellektuelle Stimulation, die oft mit Einsamkeit einhergeht, kann schwere Folgen haben. Wie Peters erklärt, verkümmert das Gehirn bei fehlender Interaktion wie ein unbenutzter Muskel: "Das kann der Beginn von Alzheimer und Demenz sein". Depressionen, Schlaf- und Angststörungen und sogar suizidale Gedanken können ebenso mit Einsamkeit einhergehen.
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Einsamkeit kann krank machen
Chronische Einsamkeit kann auch noch andere körperliche Folgen haben. So zeigt eine Studie vom Altersmediziner Johannes Pantel aus dem Jahr 2021, die sich mit den gesundheitlichen Risiken von Einsamkeit und sozialer Isolation im Alter beschäftigt, dass Einsamkeit das Auftreten vieler chronischer Erkrankungen im Alter erhöht und deren Prognose zugleich verschlechtert. Dazu zählen beispielsweise koronare Herzerkrankungen, Schlaganfälle, Herzinfarkte oder Diabetes.
Auch das "Einsamkeitsbarometer" greift dieses Thema auf. Daten aus diversen Studien, die in dem Bericht zitiert werden, zeichnen ein eindeutiges Bild. Demnach sei die Gesundheit von einsamkeitsbelasteten Menschen "unterdurchschnittlich". So hatten im Jahr 2021 60,7 Prozent der Menschen mit erhöhten Einsamkeitsbelastungen eine unterdurchschnittliche körperliche Gesundheit.
Die Studie von Pantel beleuchtet auch noch eine weitere Folge von Einsamkeit und der damit einhergehenden Probleme. Ältere Menschen, die isoliert leben, haben eine reduzierte Lebenserwartung. Eine Metaanalyse von 148 einschlägigen Studien kam zu dem Ergebnis, dass die frühere Sterblichkeit sozial isolierter Personen um 50 Prozent erhöht ist.
Maßnahmen gegen die Einsamkeit
Um der Einsamkeits-Epidemie Herr zu werden, haben Experten schon in der Vergangenheit ein Einschreiten der Politik gefordert. Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur dpa, dass eine Bestandsaufnahme allein nicht reiche. Er warb für mehr Maßnahmen in Kommunen, beispielsweise für die Schaffung von "Seniorenämtern" analog zu den bereits bestehenden Jugendämtern.
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) fordert von der Politik deutlich mehr Geld für gezielte Maßnahmen gegen Einsamkeit. Nötig seien zusätzliche Investitionen in Personal und Strukturen öffentlicher Begegnungsorte wie Bibliotheken, Schwimmbäder, Ärztehäuser, Quartiersläden, Schulen und Kitas sowie ein lückenloses Breitbandnetz, sagte die Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier am Donnerstag in Berlin. "Die Politik muss die Bekämpfung der Einsamkeit ganz oben ansiedeln."
Das Bundesfamilienministerium hat angekündigt, dass es vom 17. bis zum 23. Juni 2024 eine Aktionswoche "Gemeinsam aus der Einsamkeit" geben soll.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- "Einsamkeitsbarometer 2024" (30. Mai 2024, PDF)
- ncbi.nlm.nih.gov: "Gesundheitliche Risiken von Einsamkeit und sozialer Isolation im Alter" (Johannes Pantel, 4. März 2021)
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa