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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Hörbare Anzeichen Warum depressive Menschen anders sprechen

Eine Depression beeinflusst nicht nur das Verhalten Betroffener. Auch die Sprache kann Hinweise auf die ernste Erkrankung geben.
Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit und negative Gedanken überschatten bei einer Depression das Leben der Betroffenen. Sie fühlen sich in ihren negativen Gefühlen gefangen. Jede Freude geht verloren. Die Ängste, Verzweiflung und Hilflosigkeit zeigen sich vielfach in der Sprache.
Zwei Hauptsymptome einer Depression
Eine Depression zeigt sich laut der Stiftung Deutsche Depressionshilfe durch zwei Hauptsymptome:
- gedrückte, depressive Stimmung
- Interessen- oder Freudlosigkeit
Zu den beiden Hauptsymptomen können Zusatzsymptome auftreten. Dazu gehören:
- Antriebsmangel beziehungsweise erhöhte Ermüdbarkeit
- verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit
- Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit
- vermindertes Selbstwertgefühl
- Hoffnungslosigkeit in Bezug auf die Zukunft
- Suizidgedanken/-handlungen
- Schlafstörungen
- veränderter Appetit
- psychomotorische Unruhe oder Verlangsamung
Treten mindestens fünf Symptome, davon mindestens ein Hauptsymptom, über mehr als zwei Wochen auf, deutet das auf eine Depression hin.
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Veränderte Sprache: Depressive sprechen langsamer
Menschen, die an einer Depression erkrankt sind, erleben einen Abwärtssog aus negativen Gedanken und Gefühlen und empfinden eine tiefe Erschöpfung und Antriebslosigkeit. Dies spiegelt sich auch in der Sprache wider. Im Rahmen einer Untersuchung wertete im Jahr 2021 ein Forscherteam vom Institut für Psychosoziale Medizin, Psychotherapie und Psychoonkologie am Universitätsklinikum Jena Audioinhalte von Anamneseinterviews von depressiven Menschen aus.
Mithilfe einer Software wurden Grundfrequenz der Stimme, Spannweite der Stimme, Sprechgeschwindigkeit und Pausenlänge von Menschen mit Depression mit denen Gesunder verglichen. Das Ergebnis: Depressive Patienten sind im Vergleich zu Gesunden durch eine monotone Sprache, eine geringe Sprechgeschwindigkeit sowie längere Pausen gekennzeichnet.
Wortwahl bei einer Depression: meist negativ
Eine weitere, 2018 veröffentlichte Studie zeigt ebenfalls Veränderungen in der Sprache Depressiver. Das Forscherteam der University of Reading in Großbritannien untersuchte mittels Computeranalyse die sprachlichen Unterschiede zwischen Menschen mit einer Depression und ohne. Es wurden Beiträge von mehr als 6.000 Nutzern in über 60 Onlineforen ausgewertet. Das Ergebnis: Depressive Menschen verwenden häufiger Worte, die negative Gefühle und Stimmungen ausdrücken.
Depressive Menschen verwenden häufig Adjektive wie "einsam", "traurig" oder "miserabel". Auch absolute Wörter wie "immer", "nie" und "total" sind oft zu finden. Außerdem nutzen Depressive deutlich häufiger Pronomen in der ersten Person Singular, also "ich", "mein", "mir" und "mich". Laut den Wissenschaftlern liegt das daran, dass depressive Personen stark auf sich selbst fokussiert sind und ihnen oft der Kontakt zur Außenwelt fehlt.
Sprachanalyse kann Diagnose unterstützen
"Bei Verdacht auf eine Depression lohnt es sich, genauer hinzuhören. Eine Sprachanalyse kann dabei helfen, eine Depression zu erkennen", sagt Armin Rösl, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Depressionsliga e. V. Rösl erkrankte 2010 selbst an einer Depression – und erkennt sich rückblickend in den Forschungsergebnissen wieder.
Es liege am Krankheitsbild der Depression, dass Betroffene mutlos und traurig sind. Das zeige sich in Sätzen wie "Ich mag nicht mehr", "Ich habe keine Ahnung, was mit mir los ist", "Ich bin sehr müde" oder "Ich bin nichts wert". Solche Sätze seien für die Erkrankung typisch und würden von den Betroffenen häufig wiederholt.

Zur Person
Armin Rösl ist stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Depressionsliga e. V. Armin Rösl ist Journalist und hatte im Jahr 2010 eine schwere depressive Episode. Seit 2015 engagiert er sich öffentlich in Sachen Depression.
Notfall Suizidgedanken: Diese Sätze ernst nehmen
Bei einer schweren Depression können Suizidgedanken aufkommen. Werden diese von den Betroffenen kommuniziert, sollten Angehörige das sehr ernst nehmen. "Äußert der Betroffene Sätze wie 'Ich bringe mich um' oder 'Ich mag nicht mehr', sollte er nicht allein gelassen werden. Es besteht die Gefahr, dass er sich etwas antut", betont Rösl. "Im Ernstfall braucht es umgehend ärztliche Hilfe."
Eine erste Anlaufstelle kann die hausärztliche oder psychiatrische Praxis sein oder die nächste psychiatrische Klinik. Auch kann man den Notruf unter 112 wählen. Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr und kostenfrei unter 0800-111 0 111 oder 0800-111 0 222 erreichbar.
Wenn Depressiven die Stimme wegbleibt
Nicht nur die Sprache verändert sich bei Betroffenen. Bei einer Depression bleibt die Stimme oft förmlich ganz weg. Depressive ziehen sich von ihrer Umwelt immer mehr zurück. Sie haben meist keine Kraft mehr, mit anderen in den Austausch zu gehen und Gespräche zu führen. Oft melden sie sich wochen- oder monatelang nicht bei Familie und Freunden. Auch im Kontakt mit den Menschen, mit denen sie zusammenleben, versiegt die Kommunikation oft gänzlich.
"Betroffenen fällt es schwer, Kraft für überhaupt irgendetwas zu finden. Auch zum Sprechen. Sie möchten alleine sein“, sagt Rösl. "Dabei können gerade Gespräche wertvoll sein. Für Erkrankte ist es wichtig, zu spüren, dass sie nicht alleine sind und sie Menschen um sich herum haben, die ihre Erkrankung ernst nehmen und versuchen, sie zu verstehen."
Immer wieder Gesprächsangebote machen
Laut Rösl sollten Angehörige immer wieder Gesprächsangebote machen – ohne den Depressiven unter Druck zu setzen. Ein guter Gesprächseinstieg kann sein: "Ich merke, dass es dir heute nicht gut geht. Magst du mir erzählen, was du fühlst und was dich beschäftigt?" Ein guter Rahmen für ein Gespräch ist ein Spaziergang. Regelmäßige Bewegung ist bei einer Depression wichtig. Stresshormone werden reguliert, der Betroffene kommt in die Aktivität, erlebt Neues und verlässt die Wohnung.
"Bei anhaltend und zunehmend gedrückter und trauriger Stimmung sowie Erschöpfung und anhaltender Verhaltensänderung sollte man aufmerksam werden. Bei Verdacht auf eine Depression ist ein Arztbesuch für eine professionelle Diagnose dringend anzuraten", sagt Rösl. "Eine Depression ist eine ernst zu nehmende Erkrankung, die einer konsequenten Behandlung bedarf."
- Interview mit Armin Rösl, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Depressionsliga e. V.
- depressionsliga.de: "Symptome & Ursache". Online-Information der Deutschen Depressionsliga e. V. (Abrufdatum: 17. März 2025)
- depressionsliga.de: "Hilfe für Angehörige von depressiv Erkrankten". Online-Information der Deutschen Depressionsliga e. V. (Abrufdatum: 17. März 2025)
- deutsche-depressionshilfe.de: "Diagnose der Depression". Online-Information der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. (Abrufdatum: 17. März 2025)
- deutsche-depressionshilfe.de: "Suizidalität". Online-Information der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. (Abrufdatum: 17. März 2025)
- gesundheitsinformation.de: "Depression". Online-Information des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). (Stand: 13. Dezember 2023)
- link.springer.com: "Klang der Depression". Online-Information von Springer Nature Link. (Stand: 2022)
- journals.sagepub.com: "In an Absolute State: Elevated Use of Absolutist Words Is a Marker Specific to Anxiety, Depression, and Suicidal Ideation". (Stand: Januar 2018; englisch)
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.