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Abnehmspritze: Diese Bedenken äußern Experten


Experten kritisieren
Abnehmspritze führt zu Engpässen bei Medikamenten

Von dpa
Aktualisiert am 22.11.2023Lesedauer: 3 Min.
Die Abnehmspritze Wegovy enthält den Wirkstoff Semaglutid. dieser wird einmal die Woche unter die Haut gespritzt, am Bauch, am Arm oder am Oberschenkel.Vergrößern des Bildes
Eine Person verabreicht sich selbst eine Spritze: Während Diabetiker auf das Medikament Ozempic angewiesen sind, nutzen es andere zum Abnehmen. (Quelle: Diy13 / Getty Images)

Seit Juli können Ärzte ein Präparat verschreiben, das Menschen mit Adipositas beim Abnehmen hilft. Experten sorgen sich um einen "Grauzonenmarkt".

Knapp ein Vierteljahr nach dem Marktstart einer neuen Abnehmhilfe für Menschen mit Adipositas berichten Ärzte von spürbarer Nachfrage in Deutschland. Wie viele Menschen das Präparat "Wegovy" schon anwenden, lässt sich bisher aber nicht genau beziffern, wie Anfragen der Deutschen Presse-Agentur ergaben.

"Wir als plastische Chirurgen fürchten, dass es in einem Grauzonenmarkt unglaublich viele Anwendungen gibt", sagte Sixtus Allert, Plastischer Chirurg und Ärztlicher Direktor des Sana Klinikums Hameln-Pyrmont, mit Blick auf "Wegovy" und "Ozempic". Manche Experten gehen von mehreren Tausend Spritzen pro Woche für den deutschen Markt aus. Mehrere Stellen berichten bereits von zeitweisen Lieferengpässen der Abnehmspritze "Wegovy".

Lieferengpässe bei Diabetes-Arzneien bis Ende 2024 erwartet

Allerdings gibt es nicht nur Engpässe bei der Abnehmspritze "Wegovy". Nun erklärten der Hersteller Novo Nordisk und die EU-Arzneimittelbehörde EMA, dass es auch bei dem Diabetesmedikaments Ozempic Engpässen gibt – und diese dürften sich im vierten Quartal verschärfen und über das ganze kommende Jahr anhalten. Beide Präparate enthalten den Wirkstoff Semaglutid, aber in unterschiedlicher Dosis. Grund für die Lieferengpässe ist die immense Nachfrage. Wie die Abnehmspritzen mit Semaglutid wirken, erfahren Sie hier.

Lieferengpässe auch bei Victoza

Victoza ist ebenfalls ein Diabetes-Medikament des Herstellers Novo Nordisk. Wegen der hohen Nachfrage nach "Ozempic" und "Wegovy" will Novo Nordisk das Angebot von Victoza vorübergehend reduzieren, um die Lieferungen von Ozempic zu erhöhen. Nach Angaben der EMA dürfte Victoza dadurch mindestens bis zum zweiten Quartal 2024 knapp sein.

Hersteller distanziert sich von Verharmlosung

Weil Diabetiker wegen der Nachfrage durch Abnehmwillige teils nur noch schwer an ihre Medikamente kommen, sprechen sich einige Fachleute seit Monaten gegen einen "Ozempic"-Einsatz außerhalb des zugelassenen Einsatzbereichs (sogenannter Off-Label-Use) aus.

Auf der Webseite der dänischen Pharmafirma Novo Nordisk heißt es, man empfehle verschreibungspflichtige Medikamente ausdrücklich nur innerhalb der von der EMA zugelassenen Indikation. Man distanziere sich entschieden von jeglicher Form von Werbung, Social-Media-Posts und Berichten, die zum nichtbestimmungsgemäßen Gebrauch aufriefen oder diesen verharmlosten.

Die Mittel werden Allert zufolge teils als einfacher Weg angepriesen, um zum Beispiel ein paar Kilos ohne Sport und Diät abzunehmen. "Da läuft viel über das Internet und über Kollegen, die wenig Skrupel haben und Dinge tun, die medizinisch nicht gerechtfertigt sind", sagte der Vorstand der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC).

Warnung vor gefälschten Pens

Behörden in Deutschland warnten Anfang Oktober vor gefälschten "Ozempic"-Pens. In Österreich geht die Justiz davon aus, dass mindestens fünf Menschen mutmaßlich gefälschte Diabetesmittel von einem Salzburger Arzt erhalten haben.

Bei drei von ihnen seien anscheinend Gesundheitsprobleme aufgetreten, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Steyr der Deutschen Presse-Agentur. Die Staatsanwaltschaft ermittle gegen den Mediziner sowie zwei führende Vertreter zwei kleinerer Unternehmen, die gefälschtes "Ozempic" vertrieben haben könnten.

Allert appellierte angesichts der Fälschungen dringend, solche Mittel nur über einen Arzt und über ein Rezept in der Apotheke zu beziehen, auch wenn das teurer sei als über andere Wege. Wie eine Abda-Sprecherin sagte, sind in deutschen Apotheken noch keine Fälschungen aufgetaucht.

Arzt: Greifen erheblich in körperliche Abläufe ein

Zum Vorgehen an seiner Klinik sagte Allert, "Wegovy" werde in ausgewählten Fällen verschrieben, wenn danach gefragt wird. "Da geht es um Patienten, bei denen es medizinisch gerechtfertigt ist." Patienten müssten sich dann auch dazu verpflichten, ergänzend ihre Ernährung umzustellen und sich mehr zu bewegen.

Bei Kollegen in der konventionellen plastischen Chirurgie geht der Mediziner von einem zurückhaltenden Einsatz der Präparate aus – auch aus ethischen Gründen: "Wir reden immerhin von einem Medikament, das die Insulin-Wirkung optimiert. Da greifen wir schon erheblich in die körperlichen Abläufe ein." Zudem seien etwaige Nebenwirkungen bei einer Langzeiteinnahme noch unklar.

Hausärztinnen und Hausärzte berichteten von einer gestiegenen Nachfrage, teilte Til Uebel mit, Sprecher der AG Diabetes der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (Degam). "Hierbei wird von Patientenseite häufig von Off-Label-Therapien anderer Betroffener berichtet."

Die Erfahrung aus seiner eigenen diabetologischen Praxis sei, dass insbesondere Menschen mit Diabetes nach den Präparaten fragten, bei denen eigentlich keine Indikation für den Wirkstoff vorliege. Zudem gehe es etwa um jüngere Menschen, "die an sich nicht sonderlich übergewichtig sind".

Operative Eingriffe bei Adipositas womöglich künftig seltener

Susanne Reger-Tan, Expertin der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie, berichtet von Interessenten mit Adipositas und teils zusätzlich Diabetes. Insbesondere seien das Menschen, die bisher mehrfach vergeblich versuchten abzunehmen, die sich sehr wegen gesundheitlicher Adipositas-Langzeitrisiken sorgten oder die Spritzen als Alternative zu sogenannter bariatrischer Chirurgie in Erwägung zögen, also etwa dem Einsetzen eines Magenbandes.

Für Patienten mit Adipositas sieht Allert die Präparate als mögliche alternative Behandlung und als grundsätzlich hilfreich an – vorausgesetzt, es bleibe bei den bisherigen Erkenntnissen zu Nebenwirkungen. Das könne auch dazu führen, dass operative Eingriffe bei manchen Adipositas-Betroffenen künftig seltener nötig sind. Zu den bekannten und häufigen Nebenwirkungen von "Wegovy" zählen Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Verstopfung und Bauchschmerzen.

Kostenübernahme

Die Kosten werden bisher nicht von den Krankenkassen übernommen. Der Hersteller gab den Apothekenabgabepreis einer Vier-Wochen-Ration für die höchste Dosis (2,4 mg) vor dem Marktstart Mitte Juli mit gut 300 Euro an.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Nachrichtenagentur Reuters
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