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Kein russisches Öl: Das bedeutet ein Embargo für Deutschland


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Risiko für den Osten
Was ein Ölembargo für Deutschland bedeutet


04.05.2022Lesedauer: 5 Min.
Die Raffinerie in Schwedt: Hier wird ein Großteil des russischen Öls verarbeitet.Vergrößern des Bildes
Die Raffinerie in Schwedt: Hier wird ein Großteil des russischen Öls verarbeitet. (Quelle: dpa)
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Russisches Öl unerwünscht: Die EU-Kommission will ein Embargo verhängen. Welche Folgen hätte das für Deutschland? Droht ein erneuter Anstieg der Benzinpreise? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wirtschaftsminister Habeck hatte es bereits angedeutet, nun wird die EU-Kommission konkret: In Zukunft soll kein russisches Öl mehr nach Europa fließen. Damit sollen die Sanktionen gegen Russland weiter verschärft werden, um Putin ein Fortsetzen seines brutalen Angriffskrieges in der Ukraine so schwer wie möglich zu machen.

Auch viele EU-Länder dürften die Konsequenzen eines solchen Embargos spüren, unter anderem Deutschland. Und noch immer fürchten sich viele vor einem plötzlichen Ende der russischen Gaslieferungen.

Wie wahrscheinlich ist es also, dass alle 27 Mitgliedstaaten dem Embargo zustimmen? Und was bedeutet das für die deutsche Wirtschaft und Versorgungssicherheit? t-online klärt die wichtigsten Fragen.

Wird das Embargo wirklich kommen?

Ja, von einer Zustimmung der EU-Staaten ist auszugehen. Wirtschaftsminister Habeck nannte ein Embargo der EU zuletzt "sehr wahrscheinlich". Zwar haben sich im Vorfeld einige Länder vor einem Embargo gescheut, da sie die wirtschaftlichen Konsequenzen fürchten, aber: Der Fortschritt des Krieges in der Ukraine und die Zugeständnisse der EU in den Details des Embargos machen einen Konsens in der EU deutlich wahrscheinlicher.

So sollen etwa Ungarn und die Slowakei weitreichende Ausnahmeregelungen erhalten. Beide Länder beziehen den Großteil ihrer Energieimporte aus Russland. Besonders Ungarn hat daher einem Embargo wiederholt widersprochen. "Um es klar und deutlich zu sagen: Wir werden Sanktionen niemals unterstützen", sagte der ungarische Kanzleramtsminister Gergely Gulyás am Sonntag.

Am Dienstag klangen die Töne aus Budapest dagegen bereits kompromissbereiter. Noch immer unterstützt das Land das geplante Embargo nicht öffentlich, nun fokussiert sich die Kritik auf mangelnde Garantien und Übergangsfristen für Ungarn. Die Zustimmung Ungarns scheint also maßgeblich von den Ausnahmeregelungen abzuhängen. Für ein Embargo der EU müssen alle 27 Mitgliedsstaaten zustimmen, ansonsten kann die EU es nicht verabschieden.

Was bedeutet ein Embargo für Deutschland?

Ein Ölembargo würde Deutschland jetzt deutlich weniger stark treffen als noch vor wenigen Wochen. Denn Deutschland hat seine Abhängigkeit vom russischen Öl stark reduziert. Statt ursprünglich 35 Prozent ist der Anteil von russischem Öl bei den deutschen Importen auf 12 Prozent gesunken.

Aber: Bei diesen Bemühungen geht ein Riss durch die Republik. Denn gerade in Ostdeutschland ist die Abhängigkeit vom russischen Öl deutlich höher als im Westen. Alle russischen Importe fließen aktuell nur nach Ostdeutschland und sichern dort die Versorgung.

Denn zwei große Raffinerien in Ostdeutschland hängen noch immer an der russischen Druschba-Pipeline, die auch Ungarn bedient:

  • Die Raffinerie in Schwedt beliefert zu 95 Prozent den Raum Berlin und Brandenburg mit Kerosin, Benzin und Heizöl.
  • Die Raffinerie in Leuna beliefert rund 1.300 Tankstellen in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen und stellt Vorprodukte für die chemisch-pharmazeutische Industrie her.

Sorgenkind Schwedt

Während sich für Leuna eine Übergangslösung durch Öllieferungen aus dem Hafen in Danzig abzeichnet, sieht es für Schwedt schwieriger aus. Nicht nur ist die Raffinerie zum größten Teil in der Hand des russischen Staatskonzerns Rosneft, die gesamte Produktion ist zudem auf russisches Schweröl ausgelegt (mehr zum Dilemma in Schwedt lesen Sie hier).

Fällt Schwedt aus, könnte in der Hauptstadt und in Brandenburg das Benzin knapp werden, der Flughafen BER müsste womöglich seinen Betrieb umstellen. Eine Lösung könnten hier die Übergangsfristen des Embargos sein.

Im aktuellen Vorschlag sieht die EU-Kommission vor, dass erst nach sechs Monaten ein Einfuhrverbot für Rohöl gelten soll – und nach acht Monaten schließlich ein Importverbot für Ölprodukte, zum Beispiel Diesel.

Raffinerien müssen Produktionsvolumen zurückfahren

Somit hätte die Raffinerie in Schwedt sechs Monate Zeit, um die Produktionsabläufe auf andere Ölsorten umzustellen. Die Versorgung könnte anschließend über Tankschiffe aus dem Hafen Rostock erfolgen, der ebenfalls über eine Pipeline mit Schwedt verbunden ist. Wie das gelingen könnte, lesen Sie hier.

Fest steht: Beide Raffinerien könnten nicht im selben Umfang wie bisher produzieren. Das bedeutet: Es gibt weniger verarbeitete Ölprodukte auf dem Markt, zudem wird das Rohöl aus Ländern wie Norwegen, Großbritannien oder den USA teurer sein als das russische Pipelineöl. Die Preise für verarbeitete Produkte wie Benzin oder Kerosin werden für Verbraucher also steigen.

Was heißt das für die deutsche Wirtschaft?

Die Ökonomen und Verbände reagierten am Mittwoch auf die Möglichkeit eines Embargos weitgehend gelassen: Die deutsche Wirtschaft würde ein Embargo verkraften, heißt es von vielen Seiten.

So nannte der deutsche Chemieverband VCI das Ölembargo einen Kraftakt, der möglich wäre. "Es müssen aber noch Probleme bei der Logistik innerhalb Deutschlands, insbesondere zur Versorgung von Ostdeutschland, gelöst werden", schränkt der Verband ein.

Ökonomen blicken einem Importstopp ebenfalls mit Zuversicht entgegen: "Die EU kann sich ein Ölembargo gegenüber Russland leisten", sagt Chefvolkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank. Auch Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer bezeichnet die wirtschaftlichen Folgen als "übersichtlich".

Angst vor einem Gaslieferstopp

Krämer rechnet aufgrund der Übergangsfristen des Embargos nicht mit plötzlichen Preissprüngen bei den weltweiten Ölpreisen. Zeitgleich sinkt aufgrund der strikten Lockdowns in China die Nachfrage nach Öl, und die USA haben mit der Freigabe ihrer Reserven die Preisentwicklung ebenfalls gedämmt. Die Industrie dürfte sich daher nicht einer plötzlichen Preisexplosion am Weltmarkt gegenübersehen.

Die Vorprodukte für die chemische Industrie, die etwa die Raffinerie in Leuna produziert, könnten etwas teurer werden. Denn im Falle eines Ölembargos müsste die Raffinerie zwar nicht schließen, aber wahrscheinlich die Produktion drosseln. Statt aus Russland, soll das Öl in Zukunft aus dem Hafen in Danzig über die Pipeline nach Leuna fließen – allerdings könnten die Polen über die Pipeline nicht so viel Öl liefern wie zuvor die Russen.

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Die deutlich größere Angst ist allerdings eine andere: Verbände und Ökonomen fürchten einen Gaslieferstopp als mögliche Vergeltung Putins. In diesem Fall droht der deutschen Wirtschaft eine Rezession. Inwiefern ein solches Szenario allerdings realistisch ist, dazu herrscht unter den Ökonomen keine Einigkeit (mehr dazu lesen Sie hier).

Worauf müssen sich Verbraucher einstellen?

Vieles dürfte künftig noch teurer werden. Die Umstellungen der Raffinerien in Ostdeutschland, die veränderte Logistik über Tankschiffe und Transporte über Zug und Lkws von West nach Ost bedeuten höhere Kosten. Auch wenn der Ölpreis am Weltmarkt keine plötzlichen Kurssprünge machen sollte, sind die Importpreise für russisches Öl zuletzt deutlich günstiger gewesen.

Denn Russland hat sein Öl mit Sonderrabatten verkauft, da viele Importeure bereits ohne Embargo russisches Öl bereits gemieden haben, erklärte zuletzt Ökonom Jens Südekum im Gespräch mit t-online. Die alternativen Lieferanten werden daher höhere Preise fordern.

Verbraucher werden das bei den verarbeiteten Produkten merken, vor allem beim Benzin und Kerosin. Die Benzinpreise könnten womöglich auf einen Preis von 3 Euro pro Liter ansteigen, das sei aber nur kurzfristig. "Dauerhafte Benzinpreis-Höhen von 3 Euro pro Liter sollten eher unwahrscheinlich sein", sagt Energieexperte Manuel Frondel vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung jüngst der "Rheinischen Post".

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen Reuters und dpa
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