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Öl aus Russland: In Schwedt endet eine deutsch-russische Freundschaft


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Raffinerie in Schwedt
Hier endet eine deutsch-russische Freundschaft


Aktualisiert am 27.04.2022Lesedauer: 5 Min.
Wichtige Versorgungsader: Die PCK-Raffinerie in Schwedt produziert unter anderem Kraftstoffe für viele Regionen in Ostdeutschland.Vergrößern des Bildes
Wichtige Versorgungsader: Die PCK-Raffinerie in Schwedt produziert unter anderem Kraftstoffe für viele Regionen in Ostdeutschland. (Quelle: Jochen Eckel/imago-images-bilder)

Ein Städtchen in Brandenburg wird zum Symbol: Die Raffinerie in Schwedt ist engstens mit Russland verbunden – und versorgt große Teile der Republik mit Benzin. Gelingt die Abkopplung?

Eine Stadt mit knapp 33.000 Einwohnern an der Grenze zu Polen gelangt in den vergangenen Tagen zur bundesweiten Bekanntheit: Der Ort Schwedt spielt eine Schlüsselrolle in der neuen deutschen Außen- und Sicherheitspolitik. Hier nämlich steht eine Raffinerie, die zum größten Teil dem russischen Rosneft-Konzern gehört – und die Unabhängigkeit vom russischen Öl für Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zu einer komplizierten Angelegenheit macht.

Von der Raffinerie ist dabei nicht nur der kleine Ort an der Oder als größter Arbeitgeber abhängig, der gesamte Osten Deutschlands würde die Konsequenzen spüren, wenn die Rohölverarbeitung in der Raffinerie ins Stocken geriete. In Berlin könnte gar das Benzin knapp werden.

Und auch über die deutschen Grenzen hinweg schaut man auf Schwedt: Auch Polen kommt ins Spiel, wenn Habeck das Problem um die Achillesferse der deutschen Versorgung lösen will. t-online beantwortet die wichtigsten Fragen.

Warum ist diese eine Raffinerie so bedeutend?

Die PCK-Raffinerie in Schwedt versorgt den gesamten Osten Deutschlands mit Kraftstoffen wie Diesel, Benzin und Kerosin. Die Industrie bezieht zudem Heizöl sowie andere Vorprodukte, etwa Bitumen oder Aromaten aus Schwedt.

Berlin wird zu 95 Prozent von der größten Raffinerie in Ostdeutschland mit Kraftstoffen versorgt. Steht die Arbeit in Schwedt also still, dürfte die Hauptstadt das schnell spüren: Tankstellen könnten keinen Nachschub mehr erhalten, das Kerosin für den Flughafen BER dürfte knapp werden und auch das Heizöl würde nicht mehr ankommen. Den umliegenden Regionen würde es ähnlich ergehen. Auch der Westen von Polen wird von Schwedt aus versorgt.

Gleichzeitig steht die brandenburgische Raffinerie aktuell im Fokus, weil sie wie kein zweiter Ort für die Abhängigkeit Deutschlands vom russischen Öl steht. Die Anlagen gehören dem russischen Staatskonzern Rosneft, über die Pipeline "Druschba" – das russische Wort für "Freundschaft" – liefert Moskau seit Jahrzehnten komplikationsfrei Öl direkt aus Russland in die Raffinerie.

Doch der prompte Gas-Lieferstopp gegenüber Polen und Bulgarien zeigt: Auch in Energiefragen ist Russlands Freundschaft nicht von ewiger Dauer. Deutschland sucht daher händeringend nach Alternativen zum russischen Öl für die Raffinerie.

Kann sich Deutschland überhaupt vom russischen Öl lossagen?

Nicht ohne Unterstützung, aber es ist möglich. Das machte der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck am Dienstag deutlich, als er aus Warschau zurückkehrte.

Bislang hatte sich Deutschland innerhalb der EU gegen ein kurzfristiges Ölembargo gegenüber Russland ausgesprochen, zum Unmut der östlichen Partner wie Polen. Lange Zeit war die Linie der Ampel, dass Deutschland erst zum Jahresende unabhängig vom russischen Öl sein könne.

Doch inzwischen ändert sich der Tonfall: Laut Habeck sei die Raffinerie in Schwedt der letzte Faden, der Russland und Deutschland im Ölhandel verbindet – schon jetzt sei ein Ölembargo für Deutschland auszuhalten, meint der Wirtschaftsminister. Er sieht mit Gefallen, dass die zweite große Raffinerie in Ostdeutschland, im sachsen-anhaltischen Leuna, bereits die Abkoppelung von russischem Öl erfolgreich in die Wege geleitet hat. Die westdeutschen Raffinerien beziehen ihr Rohöl ohnehin über Häfen wie Rotterdam.

Statt zu knapp 35 Prozent von russischen Ölimporten abhängig zu sein, ist Deutschland laut Habeck bald nur noch zu 12 Prozent auf russisches Öl angewiesen – und das fällt auf die Raffinerie in Schwedt.

Muss die Raffinerie bei einem Ende der Öllieferungen schließen?

Nein, die Raffinerie hat laut Ralf Schairer, dem Chef der PCK-Raffinerie, Reserven, um fünf Tage ohne weitere Öllieferungen den Betrieb aufrechtzuerhalten. Danach würde ein Stopp der russischen Öllieferungen das Unternehmen aber vor Herausforderungen stellen.

Alle Maschinen seien auf die Zusammensetzung von russischem Öl ausgelegt, sagt Schairer in einem Interview mit der "Wirtschaftswoche": "Wir können da nicht einfach Öl aus Arabien oder Australien raffinieren. Das macht die Situation so eklatant."

Die Raffinerie ist zwar auch mit einer zweiten Pipeline verbunden, die über den Hafen Rostock Öl nach Schwedt pumpen kann. Allerdings könnte diese gerade einmal die Hälfte des Bedarfs decken und müsste konstant beliefert werden.

Da die Tankschiffe aus den großen Exportländern, wie etwa Australien, aber zu groß sind, müsste das Öl in großen Importhäfen wie Rotterdam in kleinere Schiffe umgeschichtet werden. Ein Verzicht auf das russische Öl wäre über Rostock mit einem erheblichen logistischen Aufwand verbunden. Für wenige Monate könnte die nationale Ölreserve einspringen. Eine zweite, einfachere Möglichkeit würde eine Allianz mit Polen darstellen.

Welche Rolle spielt Polen?

Polen könnte Schwedt das wichtige Rohöl zur Verfügung stellen. Über den Hafen in Danzig könnte es Polen in die Pipeline einspeisen und das Öl so nach Schwedt transportieren. Damit wäre nicht nur die Versorgung des ostdeutschen Raumes gesichert, sondern auch der westpolnischen Gebiete, die ihre Kraftstoffe aus Schwedt beziehen.

Aber: Die Polen wollen wiederum nicht polnisches Öl an eine Raffinerie liefern, die in der Hand eines russischen Staatskonzerns liegt. Grundsätzlich vertritt Polen eine deutlich härtere Linie gegenüber Russland.

Es fordert von seinen EU-Partnern ein Embargo gegenüber allen russischen Energieträgern, also auch Öl und Gas. Besonders Deutschlands zögerliche Haltung stößt daher im Nachbarland auf großes Unverständnis, teils auch auf Groll. Die Polen könnten als Gegenleistung also zumindest auch ein Umlenken von Deutschland fordern.

Kann Deutschland Rosneft einfach enteignen?

Ja, das ginge. Dafür stehen zwei Wege offen: Entweder verhängt die EU noch das zuletzt viel diskutierte Ölembargo. Ist der Import von russischem Öl in die EU verboten, entfällt für den derzeitigen Betreiber der PCK-Raffinerie der Geschäftszweck.

Doch in Habecks Ministerium hat man einen anderen Weg im Blick: Der Bund kann die Eigentümer schon bald eigenmächtig austauschen. Das neue Energiesicherheitsgesetz macht es möglich, die Eigentümer unter Verweis auf die gefährdete Versorgungssicherung zu enteignen.

Sobald das Gesetz in Kraft tritt, kann die Bundesregierung mit Rosneft Deutschland das tun, was man im April bereits mit Gazprom Germania ganz ähnlich tat: Den Konzern unter treuhänderische Verwaltung durch die Bundesnetzagentur stellen – und die kann dann Betreiber finden, die ohne russische Energie operieren werden. Habeck selbst sagt aktuell zu dem Vorhaben so viel: "Man wird sehen, wie sich die Eigentümerstruktur in Schwedt weiterentwickelt."

Was hat die Öl-Frage mit dem Gas zu tun?

Für Moskau sind beide Energieträger eng verknüpft, denn Russland würde ein Importstopp seines Öls stark schaden, während Deutschland vor allem die Konsequenzen eines Gasboykotts spüren würde.

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Russland hat Deutschland daher in der Vergangenheit häufiger daran erinnert, dass es die Gasversorgung gen West auch einfach kappen kann, wenn die politischen Beziehungen überstrapaziert werden.

Als jüngste Machtdemonstration kann dabei der Lieferstopp an Polen und Bulgarien gewertet werden – kurz nach Habecks Besuch in Warschau, bei dem Minister beider Regierungen eine Lösung für die Raffinerie in Schwedt gesucht haben, kappte Russland Polen das Gas. Der Wirtschaftsminister schließt auch für Deutschland einen Gas-Lieferstopp nicht aus. Er nehme die Lage sehr ernst, sagte er am Mittwoch.

Deutschland fürchtet wirtschaftliche Vergeltung

Auch das DIW sieht dieses Risiko: "Ein Gas-Lieferstopp seitens Russlands ist auch für Deutschland wahrscheinlicher geworden", erklärte die DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert am Mittwoch.

Die Sorge dahinter: Russland könnte Vergeltung üben und das Gas abdrehen, sollte Deutschland die Raffinerie in Schwedt vom russischen Öl abkoppeln. Und vom russischen Gas ist die deutsche Industrie deutlich stärker abhängig als vom russischen Öl.

Der Ökonom Jens Südekum sieht diese Sorge aber als unberechtigt an. "Sollten wir Schwedt deswegen nicht abkoppeln? Ich denke, wir können Putins Bluff offenbaren und das Ölembargo verabschieden," schreibt Südekum auf Twitter. Er glaubt: Putin wird den Gashahn auch nicht zudrehen, selbst wenn wir ein Ölembargo verhängen. Dass dieses kommen wird, davon ist der Ökonom überzeugt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Robert Habeck auf Warschau-Reise
  • Statement von Robert Habeck
  • Jens Südekum auf Twitter
  • Tagesschau: "Planspiele für die Unabhängigkeit"
  • Wirtschaftswoche: "Wir können nicht einfach Öl aus Arabien oder Australien raffinieren"
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters
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