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Mallorca-Hotelier berichtet: "Vielleicht ist es für immer verloren"


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Mallorca-Hotelier: "Vielleicht ist es für immer verloren"

Von Mauritius Kloft, Artà

Aktualisiert am 18.04.2022Lesedauer: 4 Min.
Touristen laufen am Strand von Arenal, Palma (Symbolbild): Der Tourismus ist ein entscheidender Wirtschaftsfaktor auf Mallorca.Vergrößern des Bildes
Touristen laufen am Strand von Arenal, Palma (Symbolbild): Der Tourismus ist ein entscheidender Wirtschaftsfaktor auf Mallorca. (Quelle: Clara Margais/dpa)
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Die Corona-Krise gilt auf Mallorca zwar als abgehakt, doch die Folgen der Pandemie wiegen schwer. Dazu kommt der Ukraine-Krieg, der auch hier die Preise treibt. Klar ist allen: Wie früher wird es wohl nie mehr.

Christoph Heufken lässt sich in den Korbsessel fallen. Er atmet tief ein, dann stößt er die Luft wieder aus. "Von 2021 zu jetzt bin ich fünf Jahre älter geworden", sagt er und lacht.

Ein bitteres Lachen. Es klingt, als wolle Heufken seine eigentliche Gemütslage überspielen.

"So erschöpft wie aktuell war ich in der ganzen Zeit noch nicht", sagt der 63-Jährige mit Blick auf die mehr als 20 Jahre, die er den "Palacio Sant Salvador" betreibt. Ein Boutiquehotel in Artà, rund eine Autostunde von der Hauptstadt Palma entfernt.

Was genau ihn herunterzieht, kann Heufken kaum in Worte fassen. "Es liegt eine Spannung in der Luft. Die Unbeschwertheit, die Fröhlichkeit ist verflogen", sagt der hochgewachsene Mann mit Brille, Drei-Tage-Bart und Glatze.

Touristen kommen zurück

Heufken ist einer von Zehntausenden Menschen auf der Insel, die ihr Geld mit dem Tourismus verdienen. Oder besser gesagt: verdient haben. Die Pandemie zerstörte das Geschäft größtenteils, die Touristen blieben weg. Und mit ihnen auch die Existenzgrundlage für viele Mallorquiner.

Vor der Corona-Krise hatte der Tourismus direkt und indirekt für mehr als 40 Prozent des Volkseinkommens der Baleareninseln gesorgt. 2020 war der Anteil auf 14,2 Prozent eingebrochen; 2021 gab es immerhin eine leichte Erholung auf 27,7 Prozent.

Zwar kommen die Touristen nun wieder zurück, die Corona-Maßnahmen sind größtenteils gefallen. Über Ostern sind laut Schätzungen etwa so viele Gäste auf Mallorca wie zu den Feiertagen 2019, am Ballermann finden wieder Partys in vollen Kneipen statt (t-online berichtete).

Auch die spanische Wirtschaftsministerin Nadia Calviño freute sich jüngst bereits: "Die Balearen werden einer der Motoren der wirtschaftlichen Erholung Spaniens sein." Doch die Folgen der Pandemie werden die hiesigen Gastronomen und Hoteliers noch lange begleiten.

Armut wuchs rapide

Auch Heufken. Etwa 50.000 Euro habe der 63-Jährige durch die Corona-Pandemie verloren, sagt er. Aktuell versuche er noch, das Geld wieder reinzuholen. So recht glauben mag er nicht daran. "Vielleicht muss man sich damit abfinden, dass es für immer verloren ist."

Ihm gehe es noch vergleichsweise gut, versichert Heufken. Andere Menschen habe es deutlich schlimmer getroffen. Tatsächlich wuchs die Armut in der Corona-Zeit rapide (t-online berichtete vergangenes Jahr).

Von Anfang 2020 bis 2021 verdoppelte sich die Zahl der auf den Balearen in extremer Armut lebenden Menschen nach einer Studie der UIB-Universität auf circa 34.000. Als arm galten im vorigen Jahr demnach bereits 320.000 Einwohner, das heißt mehr als jeder Vierte der 1,18 Millionen "Baleáricos".

"Die Armut wird nicht so schnell verschwinden"

Hochkonjunktur haben daher traurigerweise Hilfsorganisationen, immer noch. So wie die von Heimke Mansfeld, als gemeinnütziger Verein im Frühjahr 2020 gegründet, mittlerweile als Stiftung organisiert. Der Name: "Hope Mallorca", Hoffnung für die Baleareninsel also. Spricht man mit Mansfeld, versucht sie, solche zu verbreiten.

Immerhin müsse sie mit rund 160 Freiwilligen nur noch an etwa 2.200 Menschen Essen ausgeben, erzählt sie. In der Hochphase seien es mehr als 5.000 gewesen. Pro Woche wohlgemerkt. Doch Mansfeld ist eben auch Realistin.

Sie sagt: "Die Armut wird nicht so schnell verschwinden. Sie hat sich auf Mallorca breitgemacht." Auch weil es kaum Hilfen vom Staat gebe, Saisonarbeiter fielen ohnehin durch jedes Raster. Tausende lebten immer noch am Existenzminimum, so Mansfeld, die hauptberuflich als Friseurin und Stylistin arbeitet.

"Besonders Mieten sind kaum mehr zu bezahlen." Teils hätten die Menschen zwar einen Job, könnten sich aber keine Wohnung oder das Essen mehr leisten. "Die Obdachlosigkeit hat sich in Palma noch verschlimmert", sagt sie. "Es gibt Menschen, die mit Schuhen ohne Sohlen herumlaufen, weil sie sich keine neuen leisten können."

"Die Lebenshaltungskosten hier sind explodiert"

Dazu kommen nun die Auswirkungen des Ukraine-Krieges: steigende Strompreise, steigende Spritpreise, steigende Lebensmittelpreise. "Die Lebenshaltungskosten hier sind explodiert", resümiert Mansfeld.

Laut Statistikamt INE sind die Verbraucherpreise auf den Balearen im März 2022 im Vergleich zum Vorjahresmonat um 9,4 Prozent gestiegen. In Deutschland lag die Inflationsrate im selben Zeitraum bei 7,3 Prozent.

Der Vorsitzende der Verbraucherschutz-Organisation Consubal, Alfonso Rodríguez, hält die Lage für verzwickt. "Hier auf den Balearen hängen wir aufgrund der Insellage extrem von außen ab", sagte er der deutschsprachigen "Mallorca Zeitung". Werde der Transport teurer, so wirke sich das auf die Endverbraucherpreise vieler Produkte aus.

Dadurch entstünden bisweilen "sehr absurde Situationen", sagt Heufken. Am Morgen des Gründonnerstags sei ein Duschkopf in einem der acht Hotelzimmer kaputtgegangen.

"Die ganze Zeit habe ich befürchtet, dass so etwas passiert." Die Lieferung dauere mindestens einen Monat, und er müsse das Fünffache des eigentlichen Preises zahlen. "Wir sprechen hier von Alltagsgegenständen, die zum Problem werden", so der Hotelier.

"Die Spendenbereitschaft ist eingebrochen"

Letztlich wirken sich die hohen Preise auch auf die Personalsuche aus. Wegen der hohen Lebenshaltungskosten kämen deutlich weniger Menschen vom Festland, sagt Heufken. Und wenn, dann eher zu den großen Hotelketten, die besser zahlen könnten.

Sein Restaurant direkt in seinem Hotel in Artà musste er geschlossen lassen, weil er keinen Koch finden konnte. Bei seinem anderen Lokal im 15 Minuten entfernten Örtchen Colònia de Sant Pere hätten vor zwei Wochen ganz spontan zwei Kellner abgesagt.

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Sie hätten einen anderen Job angenommen, für den sie nicht so weit mit dem Auto fahren müssen. Obwohl sie bereits einen Vertrag unterzeichnet hätten, so Heufken.

Mansfeld beobachtet noch eine weitere Folge der steigenden Lebenshaltungskosten: "Die Spendenbereitschaft ist drastisch eingebrochen." Dabei seien Gelder in der aktuellen Situation wohl dringender denn je.

Auch, weil "Hope Mallorca" Hilfen für Menschen aus der Ukraine bereitstellt. Zwei geflüchtete Familien seien bereits in Wohnungen vermittelt worden, bald würden es noch mehr, sagt Mansfeld.

"Es wird nie wieder wie früher"

Und Heufken? Er will trotz allem weitermachen. Vergangene Woche habe er einen Tiefpunkt erlebt, ans Aufhören gedacht.

"Ich könnte auch einfach irgendwo als Angestellter anheuern", schildert er rückblickend seine Gedanken. Am nächsten Morgen habe er sich wieder gefangen.

Ans Wegziehen will Heufken selbst jetzt nicht denken. "Ich bleibe auf Mallorca. Irgendwann wird es auch wieder besser", sagt er, und erhebt sich aus dem Sessel vor seinem Hotel. "Auch wenn es nie wieder so wird wie früher."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche vor Ort
  • Telefongespräch mit Heimke Mansfeld, Hope Mallorca
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