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Gas aus den USA: Braucht Deutschland Russland noch?


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Russische Gaslieferungen
Der Preis der Freiheit


Aktualisiert am 19.01.2022Lesedauer: 5 Min.
Gazprom-Mitarbeiter vor einer Anlage (Symbolbild): Deutschland erhält 48 Prozent seiner Gasimporte aus Russland.Vergrößern des Bildes
Gazprom-Mitarbeiter vor einer Anlage (Symbolbild): Deutschland erhält 48 Prozent seiner Gasimporte aus Russland. (Quelle: Peter Kovalev/TASS/imago-images-bilder)
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Für Deutschland geht es im Ukraine-Konflikt auch um die eigene Gasversorgung. Groß ist die Angst, dass Russland die Verbindung kappen könnte.

Russland tritt immer offensiver gegenüber der Ukraine auf – und bringt Deutschland in eine Zwickmühle. Politisch ist die Linie Deutschlands eindeutig: Einen russischen Einmarsch in die Ukraine kann Deutschland nicht hinnehmen.

So warnte unlängst Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Moskau, jede weitere Aggression in der Ukraine hätte einen "hohen Preis". Wirtschaftlich jedoch stellt sich schnell die Frage: für wen eigentlich?

Fakt ist: Die Bundesrepublik ist im hohen Maße abhängig vom russischen Gas, unabhängig davon, ob die Ostseepipeline Nordstream 2 in Betrieb geht oder nicht. Denn ohne die russischen Gaslieferungen droht den deutschen Haushalten entweder ein kalter Winter oder ein enormer Preissprung, weil Gaslieferungen aus anderen Ländern mit enormen Aufpreisen verbunden wären.

Polster für die kalten Monate fehlt

Dabei erreichten die Gaspreise in der Pandemie bereits einen neuen Allzeitrekord. Kunden in der Grundversorgung zahlen im Januar mittlerweile doppelt so viel für ihre Gaslieferungen wie vor einem Jahr, analysierte unlängst das Vergleichsportal Check24.

Und Reserven für die kalten Monate sind knapp: Die europäischen Gasspeicher sind so wenig gefüllt wie seit fünf Jahren nicht mehr. "Die kälteste Zeit des Winters steht noch bevor, die Lagerbestände werden also weiter deutlich sinken", prognostiziert Barbara Lambrecht, Rohstoff-Expertin bei der Commerzbank, im Gespräch mit t-online.

"Deutschland ist auf die Importe angewiesen"

Kaum verwunderlich, dass die Töne aus Deutschland im Russland-Konflikt immer noch weniger deutlich sind als etwa aus Kanada oder Großbritannien. Die letzten beiden sind deutlich weniger auf das russische Gas angewiesen – und haben so auch politisch einen größeren Spielraum.

Während Kanada oder Großbritannien Spezialeinsatzkräfte beziehungsweise Waffen in die Ukraine schicken, setzt Deutschland bisher auf die Diplomatie der scharfen Worte; Waffenlieferungen hat Kanzler Scholz bisher nicht zugesagt.

"Deutschland ist auf Importe angewiesen", sagt Lambrecht. Pro Jahr verbrauche die EU etwa 400 Milliarden Kubikmeter Erdgas, fördere selbst aber nur knapp 54 Milliarden Kubikmeter.

Eigene Förderung wird noch weiter sinken

Der wichtigste Lieferant war im vergangenen Jahr mit 48 Prozent der Importe Russland, weitere 24 Prozent der Gaseinfuhren kamen aus Norwegen, 12 Prozent aus Algerien.

Und perspektivisch werde Deutschland sogar noch stärker auf Importe angewiesen sein, so Lambrecht: "Die Förderung von Erdgas in der EU ist deutlich rückläufig. Das wichtigste Erdgasfeld im niederländischen Groningen soll bald aufgrund von Umweltbedenken seinen Betrieb sogar einstellen."

Immer wieder stellen sich die USA als Alternative dar, denn durch das Fracking fördern auch die Amerikaner große Mengen an Erdgas, die sie exportieren. Anders als andere Exporteure binden sie ihr Gas dabei nicht an langfristige Verträge, sondern bieten es flexibel auf dem Markt an.

Kann Deutschland die Abhängigkeiten tauschen?

Die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 sehen die Amerikaner daher aus mehreren Motiven kritisch. Mit der Pipeline werde auch der russische Einfluss direkt nach Europa fließen und die Stabilität der Ukraine sei noch weiter gefährdet, warnt die US-Regierung immer wieder.

Können die Deutschen also einfach die Abhängigkeiten tauschen – das russische Pipeline-Produkt gegen Flüssiggas made in USA?

Ganz so einfach ist es nicht. Denn einerseits fehlt es an der entsprechenden Infrastruktur für den Import des US-Gases, andererseits würde das Flüssiggas auch gar nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken.

Was steckt hinter Flüssiggas?
Um das Gas transportfähig zu machen, wird es in sogenannten LNG-Exportterminals auf minus 161 Grad Celsius herabgekühlt. Dadurch schrumpft das Volumen auf ein Sechshundertstel verglichen mit dem gasförmigen Zustand. Gängigen Tankschiffe können insgesamt 175.000 Kubikmeter verflüssigtes Erdgas transportieren. Am Ankunftshafen muss das flüssige Gas dann am Terminal wieder in seinen ursprünglichen Zustand umgewandelt werden. 175.000 Kubikmeter Flüssiggas entsprechen danach rund 105 Millionen Kubikmetern Erdgas.

In Deutschland gibt es aktuell noch nicht ein einziges betriebsfähiges LNG-Terminal, das die Flüssiggaslieferungen annehmen könnte. Und in ganz Europa stehen gerade einmal 25 Terminals bereit – zu wenig, um den Kontinent dauerhaft mit US-Gas zu versorgen: Bei voller Auslastung könnten alle LNG-Terminals gerade einmal die Hälfte des europäischen Gasbedarfs decken, zeigt eine aktuelle Commerzbank-Analyse.

Starker Fokus auf US-Gas würde Preise anfeuern

Zwar sind bereits neue Terminals in Planung, etwa im niedersächsischen Stade, doch selbst bei ausreichenden Terminals gäbe es ein weiteres Problem. "Selbst die vollen US-Kapazitäten würden nicht ausreichen, um die russischen Lieferungen vollständig zu ersetzen", sagt Lambrecht.

Zudem riefen auch die Amerikaner keine Freundschaftspreise auf. "Die USA verkaufen an den höchsten Bieter", so Lambrecht. Europa müsste für einen entsprechend großen Anteil am amerikanischen Flüssiggas also andere Kunden verdrängen. "Dies ginge nur mit deutlichen Preisaufschlägen."

Und selbst dann wäre Europa noch auf weitere Importe aus Katar und Nigeria angewiesen, um seinen Bedarf zu decken – und würde sich womöglich mit weiteren politisch unberechenbaren Akteuren einlassen.

US-Gas hat keine gute Umweltbilanz

Dazu kommen noch die Umweltbelastungen. Das Fracking-Gas, das ohnehin bei Umweltschützern in der Kritik steht, müsste aus den USA nach Europa verschifft werden. Wenn der gesamte Bedarf mit Flüssiggas gedeckt werden müsste, würde sich eine regelrechte Flut an Megatankern auf den deutschen Gewässern bewegen. Denn das Flüssiggas wird in bis zu 350 Meter langen Tankern mit einem Fassungsvermögen von umgerechnet 105 Millionen Kubikmeter Erdgas transportiert.

Laut Berechnungen der Commerzbank entspräche das nur 0,025 Prozent des jährlichen Erdgasbedarfs der EU. Das heißt, es bräuchte jährlich 4.000 dieser Megaschiffe, die das hochexplosive Flüssiggas über den halben Globus verschiffen. Eine komplette Umstellung wäre daher nicht nur logistisch aufwendig, sondern würde auch noch die Umwelt durch längere Transportwege stärker belasten.

Ganz ohne Russland können die Deutschen ihre Wohnungen im kalten Winter also nicht beheizen. Umgekehrt gelte aber auch, so Lambrecht: "Russland ist auf die Einnahmen angewiesen und wird Ausfälle kaum vollständig und rasch durch verstärkte Exporte etwa nach China ausgleichen können."

Auch Russland braucht die Einnahmen aus dem Gas-Geschäft

Knapp 30 Prozent des russischen Bruttoinlandsproduktes stamme aus den Exporten. Davon wiederum würden zehn Prozent die Gasgeschäfte ausmachen. Deutschland war 2018 nach China der zweitgrößte Handelspartner für die russischen Exporte. Das zeigt: Das Ausfuhrgeschäft ist für die Russen wichtig. Andere Energieträger sind dabei aber bedeutender als Gas.

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Zudem versucht Russland verstärkt, unabhängiger vom EU-Markt zu werden und seinen Marktanteil in China auszubauen. Langfristig dürfte das Interesse an Deutschland und Europa als Geschäftspartner daher sinken, besonders durch die zunehmend angespannten politischen Beziehungen.

Russland hat bereits bei den vergangenen Nachfrageschüben nicht mehr Gas in die EU geliefert als vertraglich vereinbart war. Partner wie Deutschland haben diese Schritte damals kritisiert – ohne Erfolg.

Deutschland braucht langfristig neue Partner

Wenn sich Russland nach neuen Partnern umsieht, wird auch Deutschland gezwungen sein, Alternativen aufzubauen. Ein schneller Umstieg auf die Amerikaner ist aber nicht die erhoffte fixe Lösung – sie dürfte aber zumindest eine Entschärfung der Lage sein und gibt daher der Bundesregierung mehr politischen Spielraum.

Um vollkommen autark zu sein, müsste Deutschland langfristig deutlich stärkere Investitionen in die Infrastruktur tätigen. Aktuell könnte das US-Flüssiggas in Krisenzeiten zumindest temporär akute Versorgungslöcher in Europa abfangen – allerdings zu einem hohen Preis.

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