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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Eintrittsalter und Rentenbeiträge Das planen die Ampelparteien für Deutschlands Rentner
Die gesetzliche Rente ist eines der Zukunftsthemen, das Millionen Menschen in Deutschland beschäftigt. Hier will die Ampelkoalition ein bisschen was anpacken und reformieren. Doch reicht das?
Es war eines seiner wichtigsten Wahlversprechen: Olaf Scholz will als SPD-Kanzler das Rentenniveau sichern, gleichzeitig soll das Rentenalter nicht steigen. Dieses Vorhaben hat es auch in den Koalitionsvertrag geschafft.
Auch die Aktienrente, die die FDP vorgeschlagen hat, will die Ampelkoalition einführen, wenngleich nur in einer abgespeckten Variante. Zudem soll die private Altersvorsorge umgekrempelt werden.
Auf aktuelle und künftige Rentner kommt also einiges zu. t-online erklärt, was die künftige Regierung genau plant, welche Auswirkungen das für Sie hat – und wo es langfristig Probleme geben könnte.
Was ist eigentlich das Problem mit der gesetzlichen Rente?
Die gesetzliche Rentenversicherung zählt zu den drängendsten Themen der künftigen Regierung. Denn: Die Rente mit ihrem Umlagesystem, bei dem die jetzigen Arbeitnehmer die Rente für die rund 21 Millionen Beitragsempfänger zahlen, steht vor einem großen Finanzierungsproblem.
Davor warnen Ökonomen schon seit Jahren. Durch die steigende Lebenserwartung und die sinkende Geburtenrate kommen auf immer mehr Rentner immer weniger Beitragszahler. Das Problem wird sich verschärfen, wenn die Angehörigen der Babyboomer-Generation in einigen Jahren in Rente gehen. Die Zuschüsse zur Rente aus Steuermitteln werden wohl künftig noch weiter steigen.
Dazu kommt: Die Diskussion ist stark gesellschaftlich aufgeheizt. Verkompliziert wird das Ganze dadurch, dass Politiker oftmals nur in Legislaturperioden denken und handeln, für die sie gewählt werden. Zudem sind die aktuellen Rentner für die Politik eine wichtige Wählergruppe, mit der sie es sich nicht verscherzen wollen.
Welchen Plan hat die Ampel für die gesetzliche Rente?
Für aktuelle Rentner dürfte sich wenig ändern – mit einer wichtigen Ausnahme. Die betrifft den sogenannten Nachholfaktor, den die künftige Regierung "rechtzeitig vor den Rentenanpassungen ab 2022" wieder einführen will.
Um den Nachholfaktor zu verstehen, muss man wissen, dass die Renten 2021 theoretisch hätten gekürzt werden müssen. Der Grund: Die Löhne der Arbeitnehmer waren wegen der Corona-Krise stark gesunken. Und da sich die Höhe der Rentenbezüge am Lohnniveau ausrichtet, hätten folglich auch die Renten abgesenkt werden müssen.
Genau das aber ist per Gesetz ausgeschlossen. Stattdessen sorgt der Nachholfaktor dafür, die eigentlich nötige Kürzung in den folgenden Jahren nachzuholen – über geringere Anhebungen der Bezüge oder gar Nullrunden. Mehr zum Nachholfaktor lesen Sie hier.
Rentenanstieg wird etwas verringert
Seit 2018 jedoch ist der Nachholfaktor deaktiviert, was das große Rentenplus für 2022 erklärt. Führt ihn die Ampelkoalition jetzt wieder ein, dürfte die Anhebung etwas geringer ausfallen als unlängst von der Rentenversicherung errechnet.
Der Rentenanstieg 2022 werde um etwa 0,6 Prozentpunkte verringert, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters aus Kreisen der künftigen Koalition. Statt einem Plus von 5,2 Prozent im Westen und 5,9 Prozent im Osten gäbe es im kommenden Jahr also nur 4,6 Prozent und 5,3 Prozent.
Freuen können sich dagegen alle, die eine Erwerbsminderungsrente (EM) beziehen. Für sie soll es "Verbesserungen" geben. Was das konkret heißt, bleibt aber unklar. Lesen Sie hier, wann Sie Anspruch auf die EM-Rente haben.
Genau hinschauen auf die Ampel-Pläne sollten vor allem künftige Rentner. Ein Überblick:
Rentenalter
Auch wenn es so nicht explizit im Koalitionsvertrag steht, will die Ampel das Renteneintrittsalter langfristig auf dem heutigen Niveau von 67 Jahren fixieren. Wörtlich heißt es, es werde "keine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters geben". Wann Sie aktuell in Rente gehen können, lesen Sie hier.
Eine Koppelung des Rentenalters an die steigende Lebenserwartung, wie von Experten gefordert, ist damit vom Tisch. Bekannter machen wollen SPD, Grüne und FDP aber die Flexi-Rente. Man wolle gemeinsam mit den Sozialpartnern "einen gesellschaftlichen Dialogprozess" darüber führen, wie Menschen, die möchten, länger arbeiten könnten.
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Rentenniveau
Keine Änderungen soll es zudem beim sogenannten Rentenniveau geben, Das wollen die Koalitionäre in spe bei mindestens 48 Prozent halten, und zwar "dauerhaft", wie es heißt. Das Rentenniveau ist eine rein theoretische Größe. Es zeigt das Verhältnis zwischen einer sogenannten Standardrente zum Einkommen eines aktuellen Durchschnittsverdieners an.
Die Standardrente basiert auf der Regelaltersrente und gibt an, wie hoch die gesetzliche Rente eines Durchschnittsverdieners nach 45 Beitragsjahren ist. Sie umfasst also genau 45 Entgeltpunkte, auch Rentenpunkte genannt.
Sinkt das Rentenniveau, heißt das also nicht, dass die individuell ausgezahlte Rente sinkt. Es bedeutet lediglich, dass die Renten insgesamt langsamer steigen als die Verdienste.
Beitragssatz
Der Beitragssatz zur Rentenversicherung soll bei maximal 20 Prozent liegen – zumindest in dieser Legislaturperiode. Aktuell liegt er bei 18,6 Prozent.
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In wenigen Jahren, nach der Legislaturperiode, dürften die Rentenbeiträge aber deutlich steigen, befürchten Experten. Die Sicherung des Rentenniveaus und das stabile Renteneintrittsalter dürften die Beitragszahler weiter belasten.
Finanzierung
An dieser Stelle bleibt der Koalitionsvertrag vage. Die künftige Regierung setzt hier vor allem auf eines: Hoffnung. Denn finanziert werden sollen Rentenniveau, stabiles Rentenalter und der Beitragssatz, indem die Rentenversicherung teilweise in ein kapitalgedecktes System umgewandelt wird. Dieser Vorschlag stammt von der FDP, die eine gesetzliche Aktienrente nach schwedischem Vorbild geplant hatten.
Konkret heißt das: Die Rentenversicherung soll einen Teil ihres Vermögens für die Bürger an den Finanzmärkten in einem Fonds anlegen, breit gestreut und mit nur geringem Risiko. Zunächst sollen zehn Milliarden Euro aus Haushaltsmitteln hineinfließen. Zudem soll die Rentenversicherung einen Teil ihrer Reserven am Kapitalmarkt reguliert anlegen dürfen. Experten bezweifeln aber, dass das ausreicht, um die Rente langfristig zu finanzieren (siehe unten).
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Doch es soll noch andere Wege geben, um mehr Geld für die Rentenkasse zu generieren. So will die Ampel mehr Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen. Zudem soll die Einwanderung von Fachkräften erleichtert werden, auch für nicht-akademische Berufe. Dazu will die Ampel das Fachkräfteeinwanderungsgesetz praktikabler ausgestalten und ein Punktesystem einführen.
Interessieren Sie sich für die Altersvorsorge? In der "Rentenfrage der Woche" beantworten wir jeden Samstag Fragen, die Sie, unsere Leserinnen und Lesern, uns zuschicken. Auf dieser Seite finden Sie alle bereits beantworteten Rentenfragen. Wenn Sie weitere Fragen rund um Altersvorsorge und gesetzliche Rente haben sollten, schreiben Sie uns gern eine E-Mail an "wirtschaft-finanzen@stroeer.de".
Reicht das aus, damit das Rentensystem dauerhaft funktioniert?
Nein, wahrscheinlich nicht. Wie die Rente langfristig gesichert werden soll, ist nicht entschieden – und das trotz des fast sicheren Kollapses des Umlagesystems. Schon nach Veröffentlichung des Sondierungspapiers sagte Andreas Gunkel, Vorstandsvorsitzender der Rentenversicherung: Ein Kapitalstock müsste mit "sehr, sehr erheblichen Summen" gefüllt werden, wenn damit Rentenniveau und Beitragssatz dauerhaft gesichert werden sollten.
Auch Johannes Geyer, Ökonom am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), sieht das so. Mit Blick auf die neue Aktienrente sagte er t-online: "Zehn Milliarden Euro sind nicht mehr als ein symbolischer Beitrag. Das wird die Rente kaum sichern."
Selbst bei einer Rendite von 8 Prozent wären das für die Rentenversicherung nach einem Jahr gerade einmal 800 Millionen Euro, wenn das Geld ihr direkt zufließen soll. "Das gibt die Rentenversicherung an einem Tag aus", so Geyer.
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"Kein großer Wurf"
Wenn die Gelder erst in Jahrzehnten ausgegeben werden, könnten sie indes bei den aktuellen Probleme nicht helfen. "Ein solcher Fonds kommt schlicht zu spät", sagt Geyer.
Die Zuschüsse aus Haushaltsmitteln dürften also langfristig steigen. Schon heute fließen mehr als 100 Milliarden Euro vom Bund in die Rentenkasse. Auch die Beiträge zur Rentenversicherung könnten in den nächsten Jahren deutlich anziehen.
Experte Geyer resümiert: "Alles in allem sind keine großen Linien in der Rentenpolitik erkennbar", sagt er. "In Sachen Rente ist das kein großer Wurf."
Wie will die Ampel die private Vorsorge umkrempeln?
Im Koalitionsvertrag heißt es groß: "Wir werden das bisherige System der privaten Altersvorsorge grundlegend reformieren." Dazu will die Ampelkoalition einen öffentlichen Fonds "mit einem effektiven und kostengünstigen Angebot mit Abwahlmöglichkeit" prüfen.
Ebenfalls prüfen will die Koalition, inwiefern sich "private Anlageprodukte mit höheren Renditen als Riester" gesetzlich anerkennen lassen. Diese sollten dann auch gefördert werden, damit vor allem Menschen mit geringerem Einkommen sie in Anspruch nehmen. Für laufende Riester-Verträge gelte ein Bestandsschutz. Lesen Sie hier, für wen sich die Riester-Rente noch lohnt.
Auch die Betriebsrente will die Ampelkoalition "stärken", wie sie schreibt, "unter anderem durch die Erlaubnis von Anlagemöglichkeiten mit höheren Renditen".
Den Großteil ihrer Pläne für die private Vorsorge – samt Prüfungsaufträgen – fand sich bereits im Sondierungspapier. "Leider bleibt die Ampelkoalition hier sehr vage", sagt DIW-Ökonom Geyer. "Eine Riesenreform der private Vorsorge ist das nicht."
- Eigene Recherche
- Gespräch mit Johannes Geyer
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa