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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Gesetzliche Rente Rentenniveau bei 48 Prozent: Was bedeutet das?
Mit dem Rentenpaket II will die Bundesregierung das Rentenniveau bei 48 Prozent festschreiben. Doch was genau heißt das eigentlich?
In Debatten über die gesetzliche Rente fallen viele Fachbegriffe. Einer davon ist das Rentenniveau. Nach Plänen der Ampelkoalition soll es bis Juni 2040 nicht unter 48 Prozent sinken dürfen. Doch was bedeutet das eigentlich?
Viele nehmen an, ein Rentenniveau von 48 Prozent heiße, dass jeder 48 Prozent seines Gehalts als Rente garantiert bekomme. Das stimmt aber nicht. Was das Rentenniveau stattdessen aussagt und wie es sich im Laufe der Zeit entwickelt hat, zeigt dieser Ratgeber.
Rentenniveau 48 Prozent: Was bedeutet das?
Das Rentenniveau ist der zentrale Indikator dafür, wie hoch die Rente eines Durchschnittsrentners im Verhältnis zum Durchschnittseinkommen ist. Daher wird es in Prozent angegeben.
Unter Durchschnittsrente, auch Standardrente oder Eckrente genannt, versteht der Gesetzgeber die Rente eines Bürgers, der 45 Jahre lang Beiträge in die Rentenversicherung gezahlt hat und dabei jedes Jahr exakt so viel verdient hat wie der Durchschnitt aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Dadurch hat er genau 45 Rentenpunkte verdient. Die Standardrente liegt ab Juli 2024 und einem Rentenwert von 39,32 Euro bei 1.769,40 Euro brutto. Mehr zur Berechnung der Rentenhöhe lesen Sie hier.
Zur Erinnerung: Diese Rente bekommt nur, wer 45 Jahre lang Rentenbeiträge gezahlt und jedes Jahr zum Durchschnittsverdienst gearbeitet hat. 2024 liegt der vorläufig bei 45.358 Euro brutto. Es handelt sich bei der Standardrente also um einen rein statistischen Wert, der keine Rückschlüsse auf die Höhe Ihrer persönlichen Rente zulässt.
Was ein Rentenniveau von 48 Prozent stattdessen aussagt: Nach 45 Beitragsjahren erhalten Rentner, die 45 Jahre zum Durchschnittsentgelt gearbeitet haben, 48 Prozent des Durchschnittsverdienstes, der dann aktuell herrscht.
Sinkt das Rentenniveau, bedeutet das, dass die Rentensteigerung hinter die Entwicklung der Löhne zurückfällt. Rentner würden also im Verhältnis zur arbeitenden Bevölkerung ärmer. Für junge Beschäftigte bedeutet ein sinkendes Rentenniveau, dass sie für ihre Beiträge weniger Rente bekommen, als es ohne Senkung der Fall wäre.
Ist das Rentenniveau ein Netto- oder ein Bruttowert?
Das Rentenniveau wird als Nettowert vor Abzug von Steuern angegeben. Von der Standardrente werden die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abgezogen; vom Durchschnittseinkommen die durchschnittlichen Abgaben zur Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung.
Steuern werden hingegen seit 2005 nicht berücksichtigt. Damals wurde auf die sogenannte nachgelagerte Besteuerung umgestellt – Renten werden seitdem nicht mehr einheitlich besteuert. Lesen Sie hier, ab wann Sie als Rentner Steuern zahlen müssen.
Wie hat sich das Rentenniveau in den vergangenen Jahren entwickelt?
Das Rentenniveau in Deutschland ist in den vergangenen Jahren stark gesunken. So betrug es im Jahr 2000 noch 52,9 Prozent. 2011 lag es nur noch bei 50,1 Prozent. In den vergangenen Jahren hat es sich bei rund 48 Prozent stabilisiert, würde ohne das Rentenpaket II der Bundesregierung aber künftig unter diese Marke fallen. Mehr dazu, was das Rentenpaket für Rentner und Beitragszahler bedeutet, lesen Sie hier.
Die Entwicklung des Rentenniveaus können Sie anhand dieser Grafik ablesen:
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Das Rentenniveau sinkt – sinkt auch meine Rente?
Nein. Das Rentenniveau ist vielmehr als statistische Größe zu betrachten – um zu verstehen, wie sich die Gesamtheit der Renten in Deutschland grundsätzlich entwickelt.
Auf die Höhe Ihrer persönlichen Rente können Sie vom Rentenniveau aus nicht schließen. Das heißt: Auch wenn das Rentenniveau sinken mag, kann es sein, dass Ihre eigene Rente dennoch steigt.
Diese hängt von vielen verschiedenen Kriterien ab. Am wichtigsten ist die Höhe Ihrer bisherigen Beiträge, die von Ihrem Einkommen abhängen. Aber auch Erziehungszeiten spielen eine Rolle – oder ob Sie arbeitslos gewesen sind. Auch ist für die Höhe Ihrer Rente wichtig, wann Sie genau in Rente gehen. Lesen Sie hier, wie hoch Ihre Rentenbeiträge ausfallen.
Warum sinkt das Rentenniveau?
Um zu verstehen, warum das Rentenniveau sinkt, ist es wichtig, zu wissen, was die Grundlage der gesetzlichen Rente in Deutschland ist, das sogenannte Umlageverfahren. Gemeint ist damit: Die heutigen Beitragszahler zahlen den jetzigen Rentnern die Rente. Wenn die jetzigen Beitragszahler selbst in Rente gehen, zahlen die künftigen Beitragszahler ihre Rente. Deshalb spricht man auch von einem "Generationenvertrag".
Die Höhe der Beiträge hängt von den Einkommen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ab. Je höher ihr Lohn, desto höher ist auch der Beitrag zur Rentenversicherung – und damit die Rente der Älteren, die nicht mehr arbeiten. Das sollten Sie sonst noch über die gesetzliche Rente wissen.
Die Rente steigt in der Regel aber nicht so stark wie die Löhne. Grund dafür ist, dass die Gesellschaft insgesamt älter wird. Die Folge davon: Es gibt immer weniger Beitragszahler – und dafür immer mehr Rentner. Kamen auf 100 Beitragszahler 2016 noch 48 Rentner, dürften es im Jahr 2045 nach einer Modellrechnung der Deutschen Rentenversicherung (DRV) 70 sein.
Damit die Beitragszahler nicht übermäßig belastet werden, sie also nicht immer mehr ihres Bruttolohns für die Älteren abgeben müssen, senkt die Politik das Rentenniveau ab. Das heißt, die Beiträge zur Rentenversicherung steigen nicht parallel zu den Löhnen. Die logische Konsequenz für die Rentner: Langfristig haben Sie im Vergleich zum Durchschnittsverdiener weniger in der Tasche.
Wird das Rentenniveau weiter sinken?
Erst einmal nicht. Sobald das Rentenpaket II der Ampelkoalition beschlossen ist, darf das Rentenniveau bis Juni 2040 nicht unter 48 Prozent fallen. Bisher gilt diese Vorgabe nur bis 2025. Im Gegenzug soll es beim Beitragssatz ab 2025 möglich sein, dass er über 20 Prozent des Bruttolohns steigen darf. Aktuell liegt er bei 18,6 Prozent.
Durch das Festschreiben des Rentenniveaus hebelt die Bundesregierung einen anderen Mechanismus aus, den sogenannten Nachhaltigkeitsfaktor. Dieser berücksichtigt das Verhältnis von Rentnern zu Beitragszahlern für die jährliche Rentenanpassung. Konkret heißt das: Kippt das Verhältnis aufgrund des demografischen Wandels, sodass weniger Beitragszahler eine bestimmte Zahl Rentner finanzieren, fällt die Rentenerhöhung weniger stark aus, als es eigentlich aufgrund der Lohnentwicklung der Fall sein müsste.
Doch dieser Mechanismus greift nicht mehr, sobald das Rentenniveau bei 48 Prozent festgeschrieben ist, aber aufgrund des demografischen Wandels in der Praxis unter diese Marke fällt. Die Renten müssten dann so weit erhöht werden, bis die 48 Prozent wieder erreicht sind. Anders ausgedrückt: Dem Staat ist es so wichtig, dass das Verhältnis von Renten und Löhnen nicht noch ungleicher wird, dass er dafür in Kauf nimmt, Beitragszahler stärker zu belasten.
Wie hoch ist das Rentenniveau in Deutschland im Europa-Vergleich?
Das deutsche Rentenniveau mit dem in anderen Ländern zu vergleichen, ist nicht einfach. Denn jedes Land berechnet die Rente auf eine andere Art. Auch die Beiträge sowie die Besteuerung der Rente sind sehr unterschiedlich.
Die Industriestaaten-Organisation OECD hat 2021 eine Studie veröffentlicht, bei der sie die sogenannte Netto-Rentenersatzquote für verschiedene Staaten errechnet hat. Diese Quote ist einfacher miteinander vergleichbar als das Rentenniveau.
Die Netto-Rentenersatzquote von 2021 sagt aus, wie hoch die Rente eines Arbeitnehmers ist, der 2020 mit 20 Jahren in den Arbeitsmarkt eintritt, während seiner gesamten Arbeitszeit einen durchschnittlichen Lohn bekommt und mit 65 Jahren – im Jahr 2065 – in Rente geht.
Um dennoch einen groben Eindruck zu erhalten, wie hoch die Renten in anderen europäischen Ländern sind, eignet sich die Netto-Rentenersatzquote durchaus:
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Doch Vorsicht: Die Nettoersatzquote gibt zwar an, welcher Prozentsatz des letzten Einkommens durch die Rente ersetzt wird, sagt aber nichts über die absolute Höhe der Rentenzahlungen aus. Deshalb bedeutet eine niedrigere Nettoersatzquote in Deutschland nicht zwangsläufig, dass deutsche Rentnerinnen und Rentner im Vergleich zu ihren Altersgenossen in anderen Ländern schlechtergestellt sind.
- Eigene Recherche
- Bundesministerium für Arbeit und Soziales
- Deutsche Rentenversicherung
- OECD-Bericht: "Pensions at a Glance 2019"
- Correctiv
- Rheinische Post
- verdi.de
- sovd.de
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa