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HDE-Chef Stefan Genth: "Ich gehe davon aus, dass ein Lockdown vom Tisch ist"


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Handelsverband-Chef Genth
"Die Corona-Situation ist eine völlig andere als im Vorjahr"


Aktualisiert am 19.11.2021Lesedauer: 6 Min.
Menschen in der Innenstadt München (Symbolbild): "Neue Einschränkungen für den Einzelhandel sind derzeit nicht notwendig", sagt HDE-Chef Stefan Genth.Vergrößern des Bildes
Menschen in der Innenstadt München (Symbolbild): "Neue Einschränkungen für den Einzelhandel sind derzeit nicht notwendig", sagt HDE-Chef Stefan Genth. (Quelle: aal.photo/imago-images-bilder)

Der Bund-Länder-Gipfel hat sich auf neue Corona-Regeln geeinigt. Im Interview mit t-online erklärt HDE-Chef Stefan Genth, was das für den Handel bedeutet und was er jetzt von der Ampelkoalition erwartet.

Auf dem Bund-Länder-Gipfel wurden am Donnerstag neue Corona-Regeln beschlossen. Der Handel kann dabei erst einmal aufatmen. Doch die Sorgen sind dennoch groß.

Im Interview mit t-online erklärt Stefan Genth, Chef des Handelsverbandes Deutschland (HDE), was ein weiterer Lockdown für den Handel bedeuten würde, und was er sich von der Ampelkoalition wünscht.

t-online: Der Bund-Länder-Gipfel hat weitreichende Corona-Maßnahmen beschlossen, künftig dürfen Ungeimpfte zum Beispiel nicht mehr ins Restaurant oder zum Friseur, wenn die Hospitalisierungsrate entsprechend hoch ist. Der Handel ist aber ausgenommen. Wie erleichtert sind Sie?

Stefan Genth: Es ist gut, dass die Politik offenbar erkannt hat, dass der Einzelhandel kein Infektionsherd ist und der Einkauf mit Hygienekonzept und Maskenpflicht sicher ist. Deshalb ist es auch richtig, keine weiteren Einschränkungen beim Einkauf anzuordnen. Wir werden unsere Hygienekonzepte, Lüftungsanlagen und Abstandsregeln intensiv weiter anpassen und vor allem aber auch auf die Maskenpflicht beim Einkaufen setzen.

Fürchten Sie nicht, dass jetzt im Weihnachtsgeschäft Einschränkungen für Geimpfte kommen, wenn die Intensivstationen weiter volllaufen? Das würde Ihnen das Geschäft doch erst recht kaputt machen, oder?

Der Gesundheitsschutz geht vor, deshalb ist das Impfen so wichtig. Neue Einschränkungen wie 2G oder 3G für den Einzelhandel sind derzeit jedoch nicht notwendig. Sollte da doch noch etwas kommen, dann hätten die Einzelhändler ein Riesenproblem. Denn die dann notwendige Kontrolle würde erheblich Personal binden und für Schlangen vor den Geschäften sorgen. Das wäre gerade im Weihnachtsgeschäft, der umsatzstärksten Zeit für den Handel, eine echte Katastrophe. Deshalb warne ich sehr davor, dass einzelne Bundesländer mit strengeren Einzelmaßnahmen vorpreschen. Wenn das passieren sollte, haben wir wieder einen unübersichtlichen Flickenteppich. Das verwirrt Kunden und Unternehmen. Es müssen sich jetzt alle an die gestern vereinbarten Warnstufen halten und entsprechend handeln.

Wie groß ist Ihre Angst, dass es kurz vor Weihnachten wieder zum richtigen Lockdown kommt, so wie letztes Jahr?

Das wage ich mir gar nicht vorzustellen. Ich gehe davon aus, dass ein Lockdown mit der Schließung von Geschäften vom Tisch ist. Die Situation ist mit vielen Geimpften auch eine völlig andere als im Vorjahr.

Wie groß sind Wut und Misstrauen im Handel auf die Politik nach dem letzten Jahr?

Die Situation mit der Pandemie ist für uns alle herausfordernd, das ist ein permanenter Stresstest für unsere Gesellschaft. Natürlich sind unsere Händler alles andere als glücklich, dass sie so lange zusperren mussten. Das hat Existenzen und Lebenspläne ins Wanken gebracht und gekippt. Als Handelsverband sind wir stets in einem intensiven Austausch zur Politik auf allen Ebenen. Das waren schwierige Entscheidungen und aus Sicht des Handels waren sie nicht alle richtig. Aber Wut oder Misstrauen sehe ich nicht. Wir müssen jetzt vorausblicken und sicherstellen, dass es nicht noch einmal zu Geschäftsschließungen kommt.

Die Überbrückungshilfen III Plus wurden verlängert. Reicht das als Unterstützung?

Es ist gut, dass die Überbrückungshilfen verlängert werden. Schade ist aber, dass die Gelegenheit nicht auch zu einer Überarbeitung der Antragskriterien genutzt wurde. Unternehmen müssen damit auch künftig 30 Prozent Umsatzverlust nachweisen, damit sie Hilfe bekommen können. Für viele Händler wird es aber schon bei geringeren Verlusten sehr kritisch, da die Gewinnspannen sehr niedrig sind. Durch den harten Lockdown ist oft zudem das Eigenkapital aufgezehrt.

Stefan Genth ist seit 2017 Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE). Der HDE ist die Interessenvertretung des deutschen Einzelhandels mit 100.000 Mitgliedsunternehmen aus verschiedenen Branchen.

Was sagen Sie Menschen, die sich wegen steigender Inzidenzen nicht zum Einkaufen in die Geschäfte trauen?

Es gibt keinen Grund, den Einkauf in den Innenstädten und den Geschäften vor Ort zu meiden. Es gibt keine Hotspots im Einzelhandel – auch nicht bei den Beschäftigten, die sich ja viel länger in den Läden aufhalten. Sicheres Einkaufen in der Pandemie ist möglich, das haben wir doch auch besonders in den immer geöffneten Supermärkten gesehen.

Der Weg raus aus der Pandemie ist das Impfen, eine Impfprämie lehnen Sie aber ab. Wie kann der Einzelhandel konkret helfen, um die Impfquote zu erhöhen? Welche Ideen haben Sie hier?

Der Einzelhandel hat die größte privatwirtschaftliche Impfkampagne des Landes gestartet. Unter dem Motto "Leben statt Lockdown – Lass dich impfen" werben über 30 große Handelsunternehmen mit Plakaten und Flyern in den Geschäften für die Corona-Impfung. Und auch in den sozialen Medien läuft die Kampagne gut. Darüber hinaus bietet die Aktion immer wieder Impfgelegenheiten auf Parkplätzen oder in Einkaufszentren an. Mittlerweile konnten so schon mehr als 150.000 Impfdosen verimpft werden. Als Vorbilder konnten wir dabei unter anderem Sportler wie Emre Can von Borussia Dortmund, Gerald Asamoah von Schalke 04 oder die Miss Germany gewinnen. Wir werden unsere Impfkampagne jetzt nochmals verstärken und unsere Kundinnen und Kunden mit Informationen zum Impfen ansprechen.

Was halten Sie denn von einer Impfpflicht?

Das ist eine politische und offenbar juristisch nicht ganz einfache Entscheidung. Solange die gesellschaftliche Debatte dazu nicht abgeschlossen ist, gehen wir als Handel deshalb mit unserer Impfkampagne voran und versuchen so viele Menschen wie möglich zu überzeugen. Denn am Ende ist die Impfung der einzige uns derzeit bekannte Weg aus dieser Pandemie. Und natürlich würde eine klare Aussage zum Impfen helfen!

Die Corona-Krise hierzulande ist nicht die einzige Gefahr für den Einzelhandel. Durch die Lieferketten, die wegen der Pandemie durcheinandergekommen sind, dürfte es unter manchem Weihnachtsbaum leerer sein als sonst. Welche Produkte könnten knapp werden?

Unter den Weihnachtsbäumen werden auch in diesem Jahr viele Geschenke liegen. Es wird keine leeren Regale geben. Die Händler haben ihre Ware frühzeitig bestellt, die Lager sind gut gefüllt. Wegen der Lieferprobleme kann es aber dazu kommen, dass einzelne Produkte in ganz bestimmten Ausführungen oder von ganz bestimmten Herstellern knapp werden. Das betrifft vor allem den Fahrradbereich und die Unterhaltungselektronik – aber auch hier und da den Spielzeugsektor.

Was raten Sie Kunden?

Wenn Sie auf ein ganz bestimmtes Produkt, in einer bestimmten Farbe und von einer bestimmten Marke fixiert sind, dann würde ich zu einem frühen Kauf raten. Denn bei einzelnen Produkten kann es auch einmal knapper werden.

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Wie lange halten die Engpässe noch an?

Die Lieferengpässe werden uns noch bis ins kommende Jahr hinein beschäftigen. Die derzeit außer Takt geratene Containerschifffahrt kommt nicht von heute auf morgen wieder in den richtigen Terminplan. Diese Schiffe sind oft Wochen unterwegs, das wird noch dauern.

Noch ein Blick in die Zukunft: Was wünschen Sie sich am dringendsten von der nächsten Bundesregierung?

Mehr Vertrauen in Unternehmertum und die Mechanismen des Marktes müssen ein Grundprinzip der kommenden Bundesregierung sein. Wir brauchen eine Entfesselungsoffensive, um einen kraftvollen Neustart nach der Krise hinzulegen. Zudem müssen die Themen Innenstädte und Digitalisierung schnell und gründlich angegangen werden. Und vor allem darf die Kaufkraft nicht durch Steuererhöhungen gefährdet werden.

Was sollte unbedingt im Koalitionsvertrag verankert werden, um dem Handel unter die Arme zu greifen?

Der Koalitionsvertrag muss verbindliche Schritte für die Unterstützung des Handelsstandortes Innenstadt festlegen. Das Thema brennt seit Jahren, Corona hat den Handlungsdruck weiter erhöht. Wir müssen das Ausbluten der Städte mit immer mehr Leerständen stoppen.

Haben Sie weitere Forderungen?

Für die durch Corona unverschuldet in Notsituationen geratenen Handelsunternehmen sollte außerdem ein Digitalisierungsfonds festgeschrieben werden. Ansonsten verlieren viele mittelständische Händler den Anschluss, weil sie keine Mittel mehr haben, um in die Digitalisierung zu investieren. Viele mussten ihre Rücklagen auflösen, um die Lockdowns zu überstehen. Und nicht zuletzt braucht es einen klaren Weg zu einem fairen Wettbewerb im globalen Onlinehandel. Die Politik darf nicht mehr zuschauen, wie beispielsweise asiatische Händler über Onlinemarktplätze und Plattformen ihre Ware nach Deutschland und Europa verkaufen, ohne sich an unsere Regeln im Verbraucher- und Umweltschutz zu halten oder die korrekten Steuern abzuführen. Das ist ein ruinöser und unfairer Wettbewerb für alle unsere innereuropäischen Händler. Dem muss ein deutlicher Riegel vorgeschoben werden.

Herr Genth, vielen Dank für das Gespräch!

Verwendete Quellen
  • Interview mit HDE-Chef Stefan Genth
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