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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Eine Woche vor der Wahl Experten erklären: Das muss sich bei der Rente ändern
Rente, Klima, Jobs: Die Aufgaben für die kommende Bundesregierung werden nicht kleiner. t-online hat die führenden Ökonomen des Landes gefragt, wie sich unser Land verändern muss.
Inhaltsverzeichnis
16 Jahre hat Bundeskanzlerin Angela Merkel Deutschland regiert, 16 Jahre, in denen sich vieles verändert hat, die Politik einige Probleme aber auch nicht gelöst hat. Beispiel Rente: Obwohl seit Jahren klar ist, dass der demografische Wandel zu einer erheblichen Finanzierungslücke im Umlagesystem der gesetzliche Rente führen wird, ist bis heute offen, wie es reformiert werden soll. Beispiel Klima: Längst wissen wir alle, dass Deutschland einen radikalen Umbau braucht, um klimaneutral zu werden – doch wie genau das gelingen soll, ist weiter unklar.
In der kommenden Legislaturperiode wird sich entscheiden, wo Deutschland in einer Reihe der wichtigsten Fragen unserer Zeit in 10, 20 oder gar 50 Jahren steht. Viele dieser Fragen sind dabei ökonomischer Natur, hängen mehr oder weniger direkt auch mit der Wirtschaftspolitik zusammen.
Eine Woche vor der Bundestagswahl hat t-online deshalb die führenden Volkswirte des Landes um ihre Meinung gebeten, um das, was sie der Politik für die kommenden Jahre ins Hausaufgabenbuch schreiben würden. Mitgemacht haben die folgenden bekannten Wirtschaftsexperten:
- Veronika Grimm, Wirtschaftsweise und Professorin für Wirtschaftstheorie an der Universität Erlangen-Nürnberg
- Michael Hüther, Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW)
- Sebastian Dullien, Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomik und Konjunkturforschung (IMK)
- Monika Schnitzer, Wirtschaftsweise und Professorin für komparative Wirtschaftsforschung an der LMU München
- Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW)
- Lars Feld, Ex-Wirtschaftsweiser und Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg
Sie alle hat t-online Fragen zu den wichtigsten Themenfeldern für die kommenden Jahre befragt. Ihre Antworten tragen wir für Sie im Folgenden zusammen.
Rente
Die gesetzliche Rente steht vor einem großen Finanzierungsproblem, wegen des demografischen Wandels kommen auf immer mehr Rentenempfänger immer weniger Beitragszahler. Doch auch die private und betriebliche Altersvorsorge braucht grundlegende Reformen, so die einhellige Meinung der Experten.
An welcher Stellschraube sollte die nächste Bundesregierung drehen – Wie lässt sich die Rente Ihrer Ansicht nach zukunftssicher machen?
Bei dieser Frage sind Deutschlands Ökonomen sehr uneins. Klar ist nur, es muss etwas geschehen. Oder wie Wirtschaftsweise Veronika Grimm es formuliert: "Bei der Rentenversicherung besteht dringender Handlungsbedarf, da sonst der Bundeszuschuss immer weiter steigt." Ihr Vorschlag: "Man sollte nicht an den Beitragssätzen oder dem Rentenniveau ansetzen, sondern das Renteneintrittsalter an die Entwicklung der Lebenserwartung knüpfen."
Ihre Kollegin aus dem Sachverständigenrat der Bundesregierung, Monika Schnitzer, sieht das genauso. Sie schlägt außerdem vor: "Ein weiterer Baustein zur Sicherung der Altersbezüge muss der Ausbau einer privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge sein."
Auch Lars Feld, ehemaliger Vorsitzender des Rates der Wirtschaftsweisen, sieht das Rentenproblem – und präsentiert eine Lösung. "Ich bevorzuge eine Erhöhung des gesetzlichen Eintrittsalters", sagt er. "Zunächst sollte aber der Nachholfaktor wiedereinsetzen, damit die Rentnerinnen und Rentner ihren Beitrag zur Finanzierung der Corona-Krise leisten."
Durch die Rentengarantie können Renten nicht gekürzt werden. Der Nachholfaktor sorgt aber dafür, dass theoretische Rentenkürzungen in den kommenden Jahren nachgeholt werden. Eine Rentenerhöhung würde also geringer ausfallen. Allerdings ist der Nachholfaktor seit 2018 ausgesetzt, Rentner können 2022 ein kräftiges Plus erwarten. Mehr dazu lesen Sie hier.
- Experte warnt: "Die Rentenreserven sind fast aufgebraucht"
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Marcel Fratzscher: "Die Grundrente reicht längst nicht aus"
Sebastian Dullien vom IMK und IW-Direktor Michael Hüther stellen vor allem darauf ab, dass mehr Menschen arbeiten gehen und so in die Rentenkasse einzahlen sollten. "Die künftige Bundesregierung muss alles tun, um die Erwerbsbeteiligung zu erhöhen. Hierzu wäre ein beherzter Ausbau der Ganztagesbetreuung von Kindern eine wichtige Stellschraube", sagt Dullien.
Hüther wünscht sich "eine erfolgreiche Beschäftigungspolitik – auch mit höherer Jahresarbeitszeit wie in der Schweiz". Der IW-Chef weiter: "Eine auskömmliche Rente ist Ergebnis einer erfolgreichen Erwerbsbiografie. Auch deshalb passt die abschlagfreie Frühverrentung nicht mehr in die Zeit, gilt es doch, die junge Generation nicht zu überfordern."
Marcel Fratzscher sieht ein weiteres Problem: "Unser Rentensystem hat ein großes Manko: Es verteilt von unten nach oben, von arm zu reich." Er schlägt daher eine Mindestrente vor, die Altersarmut verhindern soll. "Menschen mit geringeren Einkommen und Rentenanwartschaften wären finanziell abgesichert, regressiven Wirkungen des jetzigen Rentensystems würde gegengesteuert", so Fratzscher. "Die bereits eingeführte Grundrente ist ein Schritt in die richtige Richtung, reicht aber längst nicht aus."
- Aufschlag auf Mini-Renten: Was Sie zur Grundrente wissen sollten
Klima
Die Klimakrise ist die wohl größte Herausforderung, vor der die neue Regierung steht: Deutschland will aus der Kohle aussteigen, die erneuerbaren Energien ausbauen, klimaneutral werden.
Wie kann der nachhaltige Umbau des Landes, der Wirtschaft kostengünstig und sozialverträglich gelingen?
Als Dreh- und Angelpunkt im Klimaschutz betrachten die Ökonomen den CO2-Preis, der seit Anfang des Jahres gilt. Derzeit liegt der Preis bei 25 Euro pro Tonne CO2. Bis 2025 soll er auf 55 Euro steigen. Doch ob das ausreicht, wie genau er greifen soll und wie Klimaschutz nicht zulasten von armen Menschen geht – darüber streiten die Wissenschaftler.
Marcel Fratzscher, DIW-Präsident, sagt etwa: "Der CO2-Preis ist ein wichtiges Instrument, das aber nicht überschätzt werden sollte. Allein der Markt wird es nicht richten." Darüber hinaus bräuchte es klare und verlässliche Rahmenbedingungen und die Forschung sollte gestärkt werden. Auch schlägt er einen "Klimaclub" vor, "aber auch Allianzen zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft".
IMK-Direktor Sebastian Dullien stellt ebenfalls darauf ab, dass der CO2-Preis allein nicht reiche. Der Grund: "Vielen Haushalten und Betrieben fehlt die Möglichkeit, auf steigende CO2-Preise etwa durch Umstieg auf erneuerbare Energiequellen oder andere Verkehrsmittel zu reagieren." Er mahnt daher öffentliche Investitionen etwa in den ÖPNV an.
Das sieht IW-Chef Michael Hüther ähnlich: "Notwendig sind umfangreiche Investitionen in den Ausbau erneuerbarer Energien, Leitungen, Speicher und Netze, sowie kluge Politikinstrumente, die nicht nur CO2-Emissionen verteuern, sondern auch Anreize für klimafreundliche Alternativen schaffen."
Monika Schnitzer: "Wir sollten Strom günstiger machen"
Wirtschaftsweise Veronika Grimm sagt: "Das realwirtschaftliche Umfeld muss auf den Klimaschutz ausgerichtet werden." Sie will daher die CO2-Preise erhöhen, dafür aber auch die Ökostromumlage abschaffen und die Stromsteuer reduzieren. "Die resultierende Entlastung beim Strompreis würde für die unteren Einkommensgruppen die Belastung durch die CO2-Bepreisung überkompensieren."
Auch Monika Schnitzer aus dem Rat der Wirtschaftsweisen hält es für wichtig, "die Steigerung des CO2-Preises mit genügend zeitlichem Vorlauf (also jetzt!)" anzukündigen, "sodass sich die Betroffenen rechtzeitig darauf einstellen" könnten. Auch sie fordert: "Gleichzeitig sollten wir die Stromsteuer und die EEG-Umlage reduzieren, um Strom günstiger zu machen."
Ihr ehemaliger Kollege Lars Feld pflichtet der Ökonomin bei. Auch er hält es für wichtig, dass Klimaschutz sozial verträglich abläuft. "Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung sollten wieder an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben werden." Die hierzulande erforderlichen Investitionen in den Klimaschutz müssten vor allem von den Unternehmen kommen. "Ich halte nichts davon, diese durch staatliche Subventionen zu finanzieren."
Staatsfinanzen
Deutschland muss in den kommenden Jahren Milliarden Euro in Zukunftsprojekte investieren. Nötig dafür werden voraussichtlich auch neue Schulden. Viele Parteien wollen deshalb die Schuldenbremse aufweichen, Steuern erhöhen, teilweise neue einführen, etwa auf Vermögen.
Wie lassen sich die Zukunftsinvestitionen aus Ihrer Perspektive am besten finanzieren?
Grundsätzlich sind sich alle befragten Wirtschaftswissenschaftler einig, dass es große Investitionen braucht. Wie hoch diese ausfallen sollen und wie sie finanziert werden können, darüber herrscht indes keine Einigkeit.
Streitpunkt ist vor allem die Schuldenbremse, also der gesetzlich festgeschriebene Mechanismus, der dafür sorgen soll, dass sich Deutschland nicht überschuldet. Nicht zu verwechseln ist dieser dabei mit dem Ideal der Schwarzen Null, die nicht im Grundgesetz verankert ist – und über die Schuldenbremse hinausgeht. Mehr dazu lesen Sie hier.
"Wir brauchen eine Übergangsphase, bis wir die Schuldenbremse wieder einhalten können", sagt etwa Wirtschaftsweise Monika Schnitzer. Künftig sei vor allem die Priorisierung von Investitionen wichtig. "Insbesondere muss vermieden werden, dass Investitionen wie aktuell üblich nur nach Kassenlage getätigt werden." Die Ökonomin schlägt die "Einrichtung von Investitionsfördergesellschaften" vor. An diese sollten feste Gelder aus den öffentlichen Haushalten zugewiesen werden, so Schnitzer. Das gebe allen Beteiligten "Planungssicherheit".
Ihre Kollegin Veronika Grimm stellt sich Ähnliches vor: "Die Schuldenbremse hat sich in der Corona-Krise bewährt und sie wird es in Zukunft der Politik ermöglichen, Aufgaben zu priorisieren und insbesondere Ausgabenbereiche kritisch zu hinterfragen." Es reiche, wenn man richtig priorisiere und etwa Subventionen zugunsten fossiler Energieträger abbaue.
Michael Hüther: "Der Finanzierungsbedarf ist in den nächsten zehn Jahren enorm"
Auch Ökonom Lars Feld warnt davor, an der Schuldenbremse zu rütteln. "Von einer Aufweichung der Schuldenbremse zur Finanzierung von Subventionen halte ich nichts", sagt er. Selbst bei 500 Milliarden Euro in zehn Jahren reichten die in der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes geplanten 50 Milliarden Euro pro Jahr aus. "Dies ist im Rahmen der Schuldenbremse finanzierbar. Über die dadurch erlaubte Verschuldung hinauszugehen, ist genauso wenig nötig wie Steuererhöhungen."
Michael Hüther, Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), will die Schuldenbremse dagegen reformieren. "Der Finanzierungsbedarf für wichtige Zukunftsinvestitionen ist in den nächsten zehn Jahren enorm und erfordert die Öffnung der Schuldenbremse für einen rechtlich selbständigen Investitionsfonds", so Hüther.
Sebastian Dullien vom gewerkschaftsnahen IMK pflichtet ihm bei, geht gar noch weiter: "Es wäre am sinnvollsten, Zukunftsinvestitionen auf Kredit zu finanzieren. Ideal wäre deshalb eine Reform der Schuldenbremse, alternativ lassen sich Investitionen über Zweckgesellschaften finanzieren."
Veronika Grimm: "Von Steuererhöhungen sollte man absehen"
Das sieht Marcel Fratzscher, DIW-Präsident, ähnlich. "Massive Investitionen sind essenziell", so der Ökonom. Doch: "Es ist ein unmöglicher Spagat, Zukunftsinvestitionen zu tätigen, Steuern zu senken und gleichzeitig die Schuldenbremse einzuhalten." Sein Vorschlag daher: "Eine überfällige Steuerreform muss Vermögen stärker und Arbeit geringer belasten. Besser als eine Vermögenssteuer wären hier eine höhere Grundsteuer und eine faire Erbschaftssteuer."
Wirtschaftsweise Grimm hält dagegen: "Von Steuererhöhungen, insbesondere von einer Vermögenssteuer, sollte man absehen, um die Erholung nicht zu gefährden", sagt sie. Zu Steuererhöhungen hat IW-Chef Hüther ebenfalls eine klare Meinung: "Höhere Steuern zur Finanzierung wären kontraproduktiv, da sie die dringend benötigten wirtschaftlichen Wachstumsimpulse hemmen."
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Digitalisierung
Viele deutsche Unternehmen hängen bei der Digitalisierung weiter hinterher, auch in den staatlichen Verwaltungen hapert es. Auch deshalb ist im Wahlkampf von der Notwendigkeit eines Digitalministeriums die Rede.
Sind Sie für ein solches Digitalministerium – und um welche drei Dinge müsste sich ein Digitalminister kümmern?
Hier ist sich das Gros der Wissenschaftler einig: Ein eigenständiges Digitalministerium ist nicht zielführend, lediglich Wirtschaftsweise Monika Schnitzer sagt: "Ein Digitalministerium kann nur sinnvoll sein, wenn es mit den nötigen Kompetenzen und Mitteln ausgestattet ist."
Dagegen stellen die anderen Ökonomen darauf ab, dass besonders der Aufbau eines solchen Ministeriums zu lange dauert. "Der Neuaufbau eines Ministeriums kostet sehr viel Energie und es würde wahrscheinlich die halbe Legislaturperiode vergehen, bevor ein solches Ministerium arbeitsfähig ist", sagt etwa IMK-Direktor Sebastian Dullien.
IW-Chef Michael Hüther pflichtet ihm bei – wie bei den Staatsfinanzen sind die beiden Ökonomen einer ähnlichen Meinung. "Statt eines Digitalministeriums wäre eine Digitalagentur sinnvoll – der Aufbau eines Ministeriums dauert schlicht zu lange", sagt er. "Eine Agentur wäre zügig einsatzfähig." Und Wirtschaftsweise Veronika Grimm findet: "Unabhängig davon, ob es ein Digitalministerium gibt oder nicht ist der Handlungsbedarf immens und dringend."
Sebastian Dullien: "Schulen zügig mit schnellem Internet ausstatten"
Das sieht auch Marcel Fratzscher vom DIW: "Die Pandemie hat der Wirtschaft zwar einen Digitalisierungsschub gegeben, aber sehr viele Unternehmen hinken weiter hinterher. Die Digitalisierung lässt zahlreiche Unternehmen und damit auch Arbeitsplätze neu entstehen, andere werden sich grundlegend wandeln, aber auch einige vom Markt verschwinden."
Schnitzer stellt vor allem auf die Digitalisierung von Schulen, Universitäten und der öffentlichen Verwaltung ab. "Notwendig ist auch eine Strategie für mehr Cybersicherheit" sowie Maßnahmen zur Förderung und Regulierung von Künstlicher Intelligenz. Auch Lars Feld hält das für notwendig. Und weiter: "Wir sollten beim Datenschutz zu Lockerungen kommen."
Dullien fasst zusammen: "Inhaltlich wäre wichtig, den Breitbandausbau voranzutreiben, Schulen zügig mit schnellem Internet auszustatten und einen verbindlichen Fahrplan für die Digitalisierung der Verwaltung zu erstellen."
Arbeitsmarkt
Zahlreichen Firmen gehen nicht nur Fachkräfte aus, auch für einfache Jobs fehlen immer öfter Bewerber. Voraussichtlich wird deshalb mehr Zuwanderung notwendig, wie immer wieder auch der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, betont.
Wären mehr Zuwanderer eine gute Lösung und wie ließe sie sich gestalten?
Für die führenden Ökonomen des Landes ist klar: Deutschland braucht deutlich mehr Zuwanderung. "2030 gibt es in Deutschland 3,2 Millionen Erwerbspersonen weniger, selbst mit jährlich 200.000 Zuwanderern netto", erläutert IW-Chef Michael Hüther das Problem.
Auch Wirtschaftsweise Monika Schnitzer sagt: "Zuwanderung ist angesichts des demografischen Wandels dringend notwendig. Die Gründerszene in den USA profitiert schon lange von den smartesten Köpfen der ganzen Welt."
DIW-Chef Marcel Fratzscher ergänzt: "Zugewanderte zahlen in unser Sozialversicherungssystem ein, sie werden die Renten vieler Babyboomer zahlen. Wir brauchen nicht nur hochqualifizierte Kräfte aus dem Ausland, sondern auch Menschen mit beruflicher Qualifikation, die in weniger gut dotierten Bereichen arbeiten, etwa in der Pflege." Und Lars Feld resümiert: "Deutschland wird aus demografischen Gründen ein Einwanderungsland bleiben."
Wie mehr Zuwanderung gelingen soll, darüber streiten sich die Experten derweil. "Zusätzliche Studienplätze können für mehr Zuwanderung ins Bildungssystem werben", so Hüther. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz sei ein guter Ansatz, aber: "Das Fachkräfteverfahren bei allen Visa-Anträgen müsste deutlich schneller werden." Ökonomin Veronika Grimm geht noch weiter: "Wir müssen uns aktiv um die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte bemühen, eventuell durch steuerliche Vorteile in den Anfangsjahren. Auch unser Bildungs- und Weiterbildungssystem sollten wir verbessern."
Lars Feld: "Der Fachkräftemangel bleibt"
IMK-Chef Sebastian Dullien glaubt auch, dass es mittelfristig mehr Zuwanderung brauche. "Der Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland sollten deshalb keine übermäßigen Hürden in den Weg gelegt werden", sagt er. "Für einfache Arbeiten sollte allerdings zunächst der Schwerpunkt darauf gelegt werden, das Erwerbspotenzial im Inland zu heben, etwa bei Geflüchteten oder unter Langzeitarbeitslosen."
Ökonom Feld warnt vor Problemen, die mit zu viel Zuwanderung einhergingen. Man benötige brutto 1,7 Millionen Einwanderer jährlich – da es auch Abwanderung gebe, führt er aus. Aber: "So viele gut qualifizierte Zuwanderer lassen sich nicht leicht finden, von verbundenen gesellschaftlichen Problemen abgesehen. Der Fachkräftemangel bleibt also."
- Eigene Recherche
- Statements der Ökonomen
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa