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Frauenquote: Sorgt sie wirklich für mehr Gerechtigkeit?


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Mehr Frauen in Führung – wie bricht die gläserne Decke?


Aktualisiert am 18.03.2021Lesedauer: 9 Min.
Eine Managerin spricht mit ihrem Team (Symbolbild): Frauen sind in Führungspositionen unterrepräsentiert.Vergrößern des Bildes
Eine Managerin spricht mit ihrem Team (Symbolbild): Frauen sind in Führungspositionen unterrepräsentiert. (Quelle: Tom Werner/getty-images-bilder)

Nach jahrelangem Ringen soll nun auch in Vorständen die Frauenquote greifen. Sorgt das endlich für mehr Geschlechtergerechtigkeit in den Chefetagen?

In den Vorständen deutscher Aktiengesellschaften treffen Sie eher auf Thomas oder Michael als auf Katrin oder Sandra. Und auch im Mittelstand wird es nicht diverser. Wie eine Untersuchung der Jobplattform Indeed jüngst ergab, finden sich unter den 100 häufigsten Vornamen von GmbH-Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern fast ausschließlich männliche.

In der Politik wird die Lage kaum besser. Während bei Grünen und Linken Frauen und Männer gleichauf und in der SPD Frauen immerhin zu 40 Prozent vertreten sind, finden sich in der FDP nur noch 24 Prozent, in der Union 20 Prozent und in der AfD 11 Prozent. Im Bundestag ist nur jeder dritte Platz von einer Frau besetzt und unter den 16 Chefs der Bundesländer gibt es gerade einmal zwei Ministerpräsidentinnen.

Woran liegt das? Und wie kann man das Muster durchbrechen? Eine Antwort ist die Frauenquote, die bald nicht mehr nur für Aufsichtsräte, sondern auch für Vorstände gelten soll. Doch sorgt sie wirklich für mehr Gerechtigkeit?

Warum gibt es so wenige Chefinnen?

Das liege vor allem an zwei strukturellen Problemen, sagt Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). Das erste: "Frauen übernehmen häufiger Familienaufgaben und steigen dafür aus dem Job aus, reduzieren oder machen Pause. So verlieren sie den Anschluss an die Männer." Aufstieg habe in Deutschland noch immer viel mit Präsenz zu tun. Und wer in Teilzeit arbeite, werde oft nur als halbe Kraft wahrgenommen.

Problem Nummer zwei: Selbst Frauen ohne Kinder klagen über Aufstiegsschwierigkeiten; sie stoßen an die sogenannte gläserne Decke. "Michael fördert Michael, nicht Michaela", sagt Hannack. Das liege daran, dass Menschen dazu tendierten, sich mit Leuten zu umgeben, die ihnen ähnlich sind. "Dabei wissen wir, dass gemischte Teams die besseren Ergebnisse liefern."

Hinzu komme, dass es als Führungsqualität gelte, wenn man sich durchsetzen kann. "Diese Fähigkeit wird bei Männern geschätzt, bei Frauen hingegen abgewertet."

Monika Schnitzer, Ökonomin und Teil der Wirtschaftsweisen, sieht die Grundlage dieser Probleme in immer noch vorherrschenden Stereotypen. "Es gibt in Deutschland noch ein ganz klares gesellschaftliches Bild, wie die Rollen verteilt sein sollten", sagt sie im Interview mit t-online.

Wenn Frauen schon erwarteten, dass sie keine echte Chance bekommen, hätten sie auch weniger Motivation, so Schnitzer. "Und wenn Chefs von Vorurteilen beeinflusst werden, werden sie Frauen weniger auf Führungspositionen vorbereiten."

Warum gründen so wenige Frauen?

Nicht nur unter Angestellten mangelt es an Frauen in Führung, auch Gründerinnen sind rar. So werden laut dem Bundesverband Deutsche Start-ups nur knapp 16 Prozent aller Start-ups von Frauen gegründet.

"Es gibt viel mehr Frauen, die gründen wollen, als man glaubt, aber sie haben es schwerer, an Kapital zu kommen", sagt Nina Wöss, Mitgründerin des Netzwerks "Female Founders", das es sich zum Ziel gesetzt hat, die Bedingungen für unternehmerisch denkende Frauen in Europa zu verbessern.

"Geld an diverse Teams geben"

Der fehlende Zugang zu Gründungskapital wirke sich direkt auf die Motivation der Frauen aus. Zudem gebe es noch zu wenige Role Models, an denen sich angehende Gründerinnen orientieren könnten.

"Wir fordern daher, dass der Europäische Investitionsfonds einen Teil seines Geldes an diverse Teams gibt, nicht immer nur an weiße männliche", sagt Wöss. Geldgeber müssten bereit sein, auch außergewöhnlichen Ideen eine Chance zu geben.

Doch fehlendes Kapital ist nicht der einzige Grund, warum Frauen seltener gründen als Männer. Auch hier spielen Kinderbetreuungs- und Pflegezeiten eine Rolle. "Das ist einfach Zeit, die anderswo fehlt", sagt Wöss.

Wie schaffen es mehr Frauen in Führung?

Die wohl prominenteste, aber lange umstrittene Antwort: per Frauenquote. Schon als 2015 das Führungspositionengesetz vorsah, 30 Prozent der Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen mit Frauen besetzen zu müssen, waren dem jahrelange Debatten vorausgegangen. Weitere sechs Jahre später soll nun der Bundestag im Mai über den nächsten Schritt abstimmen: eine verbindliche "Mindestbeteiligung" von Frauen auch in Konzernvorständen.

Der Gesetzentwurf der SPD-Ministerinnen Franziska Giffey und Christine Lambrecht sieht vor, dass in börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen mit mehr als drei Vorstandsmitgliedern mindestens eines davon eine Frau sein muss. Bei Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes wie etwa der Deutschen Bahn soll das bereits ab zwei Vorstandsmitgliedern gelten.

Einer Studie der Organisation Fidar (Frauen in die Aufsichtsräte) zufolge hat fast die Hälfte der Unternehmen (44 Prozent), für deren Vorstände die Frauenquote künftig gelten soll, derzeit keine Managerin in dem Führungsgremium.

Sorgt die Quote für mehr Gerechtigkeit?

Nimmt man die Frauenquote für Aufsichtsräte als Blaupause, scheint eine positive Wirkung wahrscheinlich. Wie Daten des Familienministeriums zeigen, haben Unternehmen in der Privatwirtschaft das Ziel von 30 Prozent Frauen im Aufsichtsrat inzwischen sogar übererfüllt. Im Schnitt lag ihr Anteil 2020 bei 35,2 Prozent – ein Plus von 13,3 Prozent, seit die Quote 2015 eingeführt worden war.

Was die Auswertung aber auch zeigt: Ohne verbindliche Vorgaben scheint es nicht zu gehen. Denn der Anteil von Frauen in Vorständen, für die sich die gleichen Unternehmen freiwillige Ziele setzen sollten, lag nur bei 7,6 Prozent. Dazu passt, dass laut Ministerium rund 70 Prozent der Firmen die gleiche Zielgröße festlegten: null.

Dass die nun avisierte Mindestbeteiligung in Vorständen ähnlich wirksam ist, halten Expertinnen nicht für abwegig. "Sie ist ein Hebel, mit dem sich Stereotype ändern lassen", sagt die Wirtschaftsweise Schnitzer. Ob die Regel, so wie sie jetzt geplant ist, reicht, müsse man sehen. "Bleibt es bei der Alibi-Frau im Vorstand, kann das noch nicht das Ende vom Lied sein."

"Die Frauenquote ist ein wichtiges Signal"

Auch Katharina Wrohlich, Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), begrüßt die Quote. "Allein die Tatsache, dass es diese Regelung geben soll, ist schon ein wichtiges Signal. Schließlich hat es jahrelang geheißen, eine Frauenquote sei gar nicht umsetzbar."

Wenn der Vorschlag so im Parlament durchgehe, werde das Gesetz zwar erst einmal nur 74 Unternehmen betreffen, andererseits seien das die 74 größten. "Meine Hoffnung ist, dass sich die Mindestbeteiligung auf die gesamte Kultur in den Unternehmen auswirkt", sagt Wrohlich. "Wenn die Konzerne nicht darauf angewiesen sein wollen, extern zu rekrutieren, müssen sie die Karrieren von Frauen auch unterhalb des Vorstands fördern."

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DGB: Gleichstellungsgesetz wäre besser gewesen

Auch beim DGB hofft man auf Effekte für die gesamte Unternehmenskultur. "Wir begrüßen die Frauenquote sehr. Allerdings wäre schon vor 20 Jahren ein Gleichstellungsgesetz für Unternehmen möglich gewesen", sagt Hannack. "Das hätte den Prozess deutlich beschleunigt."

Die oft formulierte Kritik an der Frauenquote, Führungspositionen würden dadurch nicht mehr mit den Besten besetzt, hält sie für Unsinn. "Frauen sind oft sogar besser ausgebildet als Männer. Trotzdem schaffen sie es nicht in gleichem Maß an die Spitze, weil sie nicht als potenzielle Führungskraft wahrgenommen oder gar nicht erst gesehen werden."

Je mehr Frauen Zugang bekämen, desto eher würden auch weitere Frauen gefördert. "Dafür braucht es aber eine kritische Masse. Man benötigt etwa 30 Prozent, um Einfluss auf eine Gruppe ausüben zu können", so die DGB-Vize. Umgekehrt gelte: Je vereinzelter Frauen in Führung sind, desto eher werden sie an männlichen Normen gemessen – und wollen erst einmal durch Leistung überzeugen, statt direkt als Frauenförderin zu gelten.

"Nicht das Geschlecht darf den Ausschlag geben"

Astrid Hamker, Präsidentin des Wirtschaftsrats der CDU und selbst Unternehmerin, kritisiert die Frauenquote hingegen als Eingriff in die unternehmerische Freiheit. Sie sagt: "Natürlich brauchen wir mehr Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft. Viele Frauenförderprogramme laufen auch gut. Unternehmen müssen dabei die besten Personen finden können, nicht das Geschlecht darf den Ausschlag geben."

In manchen Branchen seien Frauen für bestimmte Positionen außerdem gar nicht verfügbar. "Was sollen viele Industrieunternehmen denn machen? Sie können sich ja keine Ingenieurinnen backen." Auch den Frauen selbst tue man keinen Gefallen, sagt Hamker. "Sie wollen auf Augenhöhe wahrgenommen werden und das werden sie nicht, wenn sie ihren Posten per Quote bekommen."

Ökonom: Wir brauchen flexible Kita-Öffnungszeiten

Auch Jörg Schmidt, Ökonom am arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft (IW), sieht das Problem fehlender Talente in bestimmten Branchen. "Wenn man über den Anteil von Frauen in Führungspositionen spricht, sollte man sich zunächst den durchschnittlichen Frauenanteil an den Beschäftigten in den jeweiligen Branchen bewusst machen", sagt er.

Statt auf der Quote sollte der Fokus auf einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Karriere liegen. "Wir brauchen nicht nur mehr Betreuungsangebote für Kleinkinder, sondern auch Öffnungszeiten, die mit den Anforderungen an die Arbeitszeiten in Führungspositionen kompatibel sind", sagt Schmidt.

Was tut sich schon?

Tatsächlich machen erste Großkonzerne bereits vor Einführung der gesetzlichen Quote Anstalten, leitende Positionen stärker mit Frauen zu besetzen. So plant etwa Bayer, bis 2025 die Hälfte der Führungspositionen an Frauen zu vergeben.

Für die obersten 540 Manager soll die Frauenquote von 23 auf 33 Prozent steigen. Parität soll bis 2030 erreicht sein. Bayer-Chef Werner Baumann sagte der "Welt am Sonntag": "Diverse Teams führen zu besseren Ergebnissen. Und echte Vielfalt geht nur mit klaren Vorgaben."

Beim Pharmakonzern Merck wird die Spanierin Belén Garijo ab Mai 2021 die erste Frau sein, die alleine einen Dax-Konzern führt. Und Volkswagen will in den nächsten vier Jahren den Frauenanteil in Führungspositionen auf mindestens 20 Prozent erhöhen. Gelingt das nicht, sollen die Boni der Vorstände schrumpfen.

Siemens Energy hat bereits im November eine Frauenquote bei Führungspositionen beschlossen und die Finanzvorständin Maria Ferraro auf die neu geschaffene Position einer Vorständin für Inklusion und Diversität berufen. Der Frauenanteil auf den ersten beiden Führungsebenen soll bis 2025 auf 25 Prozent und bis 2030 auf 30 Prozent steigen.

Welche Ideen gibt es außer der Frauenquote?

"Alles, was wir in den letzten 20 Jahren in Sachen Vereinbarkeit von Beruf und Familie erreicht haben, hat vor allem Frauen erreicht", sagt DGB-Vize Hannack. "Jetzt brauchen wir mehr Bewusstsein dafür, dass auch Männer stärker in die Familienarbeit einsteigen müssen. Da brauchen wir jetzt Druck!" Sobald beide Geschlechter in gleichem Maß Sorgearbeit leisteten, würden sich die Chancen von Frauen auf Führungspositionen erhöhen.

Die wichtigste Stellschraube dafür seien "atmende Arbeitszeiten im Lebensverlauf", sagt Hannack und verweist auf eine Idee des Juristinnenbundes. Dieser hat angeregt, Unternehmen gesetzlich in die Pflicht zu nehmen: Sie sollten ihre Beschäftigten fragen, wie sie sich ihre Arbeitszeiten wünschen. Was betrieblich möglich sei, solle eingeräumt werden. "Das geht besonders gut in Unternehmen, in denen die Angestellten mitbestimmen können, weil es Tarifverträge und einen Betriebsrat gibt."

IW-Ökonom Schmidt weist darauf hin, dass der Anteil von Frauen in Führungspositionen auch deshalb so niedrig sei, weil viele Kleinstunternehmen von Männern geleitet würden. "Das wirkt sich stark auf den durchschnittlichen Anteil von Frauen auf der obersten Führungsebene über alle Betriebe aus." Wichtig sei es, auch mehr Frauen in die Selbstständigkeit zu bringen. "Ein guter Anfang dafür sind beispielsweise Schülerfirmen. So lernen Jugendliche schon früh, dass auch eine Unternehmensgründung ein Weg für sie sein kann."

Familienzeit für Top-Manager soll kommen

Bisher ist es zudem so, dass Vorstände weder schwanger werden noch in Elternzeit gehen oder die Pflege von Angehörigen übernehmen können, ohne Haftungsrisiken gegenüber Gläubigern oder Anteilseignern einzugehen. Das will die Koalition ändern.

Einem Vorschlag von Justizministerin Lambrecht zufolge sollen Vorstände, die das Unternehmen leiten und die strategischen Entscheidungen treffen, bei einer Pause von bis zu einem Jahr ein Recht auf eine erneute Bestellung in den Vorstand haben. Ein Anrecht auf eine Auszeit ist jedoch nicht vorgesehen.

Kritik kommt von der Union. Freiwillige Vereinbarungen könnten schon heute getroffen werden, es brauche aber einen "echten Anspruch auf eine Auszeit", sagte der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jan-Marco Luczak.

SPD-Rechtsexperte Johannes Fechner hingegen lobte den Vorschlag. Damit werde Vorständen die Möglichkeit gegeben, "nach der Auszeit wieder voll einzusteigen als vollwertiges Vorstandsmitglied und keinen Karriereknick zu riskieren, weil sie sich um ihre Familie kümmern oder eine Krankheit auskurieren."

Machen Frauen Unternehmen erfolgreicher?

Eine Vielzahl von Studien legt das nahe. Ob McKinsey, EY oder die Boston Consulting Group (BCG) – Langzeit-Untersuchungen zeigen, dass Unternehmen insgesamt besser werden, wenn Frauen zu mindestens 30 Prozent in den wichtigsten Gremien vertreten sind.

So waren die in Sachen Gleichstellung fortschrittlichsten 30 börsennotierten Unternehmen laut dem BCG Gender Diversity Index 2020 um zwei Prozentpunkte erfolgreicher an der Börse als die Dax-Konzerne.

"Wirtschaftsweise" Schnitzer gibt allerdings zu bedenken, dass bei den bisherigen Studien unklar sei, ob diese Korrelation auch kausal ist. "Womöglich ist es auch umgekehrt und die erfolgreichen Firmen sind zugleich so fortschrittlich, dass sie Führungspositionen stärker mit Frauen besetzen."

Gesichert sei hingegen die Erkenntnis, dass gemischte Teams kreativer seien und dank unterschiedlicher Perspektiven Lösungen entwickeln, die homogene Teams übersehen. Laut dem Managerinnen-Barometer 2021 des DIW führt Diversität dazu, dass Diskussionen umfassender und facettenreicher geführt würden und auch die Atmosphäre eine andere sei.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
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