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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Jetzt ein Kauf? Dank Livesport: Was Netflix so unschlagbar macht
Die Netflix-Aktie hat nach der Veröffentlichung beeindruckender Quartalszahlen kräftig zugelegt und viele Anleger überrascht. Ist jetzt der richtige Zeitpunkt zum Einstieg?
Die Aktie von Netflix ist am vergangenen Mittwoch nach Bekanntgabe der Quartalszahlen knapp zehn Prozent gestiegen und hat viele Anleger positiv überrascht. Diese Entwicklung hat klare Gründe: Rekord-Kundenzuwächse, ein optimistischer Ausblick und neue Einnahmequellen. Warum das Unternehmen derzeit so erfolgreich ist und was das für Sie als Anleger bedeutet.
Neuer Kundenrekord erregt Aufsehen
Netflix konnte zum Ende des Geschäftsjahres 2024 einen beeindruckenden Zuwachs von 19 Millionen Kunden verzeichnen – so viele wie nie zuvor. Diese Zahl übertraf die Erwartungen der Analysten deutlich. Ausschlaggebend waren insbesondere Live-Events wie der Boxkampf zwischen Mike Tyson und Jake Paul sowie beliebte Spiele der American-Football-Liga (NFL). Diese Ereignisse haben Millionen Zuschauer angezogen und konnten die Attraktivität des US-Streaminganbieters weiter steigern.
Fokus auf Live-Sport – eine strategische Entscheidung
Netflix investiert seit vergangenem Jahr verstärkt in Live-Sportübertragungen. Ziel ist es, die Kundenbasis zu erweitern und die Abwanderungsquote möglichst niedrig zu halten. Die Wechselquote von Netflix-Kunden liegt laut einer Studie des US-Marktforschungsinstituts Antenna bei niedrigen 1,8 Prozent. Ab 2025 sollen beispielsweise Wrestling-Wettkämpfe auf der Plattform zu sehen sein. Diese strategische Entscheidung möchte sich Netflix über die kommenden zehn Jahre geschätzte fünf Milliarden Dollar kosten lassen.
Zudem will Netflix seinen Fokus auf Gaming erweitern und baut diesen Bereich strategisch aus. Bereits seit 2021 bietet der Streamingdienst mehr als 90 mobile Spiele ohne Zusatzkosten an, darunter bekannte Titel wie "Hades". Um exklusive Inhalte zu schaffen, hat Netflix eigene Studios in Helsinki und Südkalifornien gegründet und Entwickler wie Night School Studio und Boss Fight Entertainment übernommen.
Durch Partnerschaften mit dem französischen Entwickler und Publisher Ubisoft sollen Spiele entwickelt werden, die auf populären Franchises wie "Assassin's Creed" basieren. Ein weiteres Ziel ist die Entwicklung von Cloud-Gaming, um Spiele ohne Download auf Fernseher und Computer zu bringen.
Was bedeutet das für Netflix?
Ein größerer Kundenstamm mit mehr zahlenden Abonnenten führt in der Regel zu stabileren und zuverlässigeren Einnahmen und verbessert zugleich die Marktposition. Zudem bringen mehr Streamer, also mehr Zuschauer, höhere Werbeeinnahmen, da Live-Events eine hohe Aufmerksamkeit erzielen und Werbetreibende bereit sind, hohe Aufschläge für Werbeplätze zu zahlen.
Regelmäßiger Livesport bindet außerdem Zuschauer an das Programm und bringt wiederkehrende Werbeerlöse. Zusätzlich kann Netflix neben seinem reinen Abo-Modell mit werbefinanzierten Abonnements höhere Erträge pro Kunde erzielen als mit klassischen Abo-Gebühren. Dies verschafft dem Unternehmen mehr Flexibilität, um in weitere Inhalte zu investieren.
Quotenbringer und Lorbeeren
Die Produktion von hochwertigem TV-Content wird auch in Zukunft notwendig sein, um sich weiterhin eine breite Zuschauerbasis zu sichern. Mit Serienhighlights wie "Squid Game", "Stranger Things", "You" oder "Outer Banks", die regelmäßig zu den meistgestreamten Serien weltweit zählen, kann Netflix zahlreiche Erfolge verbuchen.
Inzwischen werden Netflix-Produktionen auch mit Nominierungen und Preisen belohnt, was nicht nur eine besondere Auszeichnung in der Film- und TV-Branche ist, sondern auch ein Qualitätsmerkmal. Der Film "Baby Reindeer" gewann beispielsweise als beste Miniserie einen der begehrten Golden Globes. Als beste Darsteller einer Netflix-Serie wurden Jodie Foster in "True Detective: Night Country", Colin Farell für "The Penguin" und Anna Sawei für "Shogun" ausgezeichnet.
Und auch bei den Oscars konnten sich Netflix-Filme durchsetzen. Der Film "Im Westen nichts Neues" gewann vier Oscars, darunter einen für den besten internationalen Film. "The Power of the Dog" erhielt den Oscar für die beste Regie und "My Octupus Teacher" wurde als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet.
Höhere Preise und treue Kunden
Die hohe Kundenzufriedenheit kommt dem mit 400 Milliarden Dollar an der Börse bewerteten Konzern zugute, wenn es darum geht, die Preise zu erhöhen. Den Anfang macht Netflix in den USA, wo die Preise für das Basis- und das Premium-Abonnement ohne Werbung von 15,49 Dollar auf 17,99 Dollar beziehungsweise von 22,99 Dollar auf 24,99 Dollar angehoben wurden.
Höhere Preise bedeuten für Netflix direkt mehr Umsatz pro Kunde. Bleiben die Kunden trotz Preiserhöhung, steigt die Profitabilität des Unternehmens. Das Ziel von Netflix, eine operative Gewinnmarge von 29 Prozent zu erreichen, wird damit realistischer.
Positive Gewinnentwicklung
Der Reingewinn des Unternehmens fiel mit 1,87 Milliarden Dollar überraschend hoch aus. Operativ verdiente Netflix 2,27 Milliarden Dollar und knackte damit zum ersten Mal die Marke von zehn Milliarden Dollar beim Betriebsergebnis für das Gesamtjahr 2024. Für 2025 rechnet Netflix mit weiterem Umsatz- und Gewinnwachstum. Die Umsatzprognose wurde auf 44,5 Milliarden Dollar angehoben. Was bedeutet das konkret?
Solide Gewinne und ein optimistischer Ausblick signalisieren Anlegern Stabilität und Wachstumspotenzial. Solche Zahlen sind ein starker Vertrauensbeweis für den Markt und haben den Aktienkurs beflügelt.
Harte Konkurrenz für Netflix
Einerseits hat Netflix mit den Zahlen im vierten Quartal bewiesen, dass das Unternehmen trotz der Herausforderungen auf dem Streamingmarkt seinen Nutzern innovative Inhalte bietet und sich an aktuelle Zuschauertrends anpassen kann. Auch die Erweiterung des Unterhaltungsangebots um Live-Events, Sportveranstaltungen und Online-Gaming könnte sich langfristig auszahlen.
Zum anderen darf die wachsende Konkurrenz mit Disney+, Apple TV+ oder Amazon Prime Video nicht vergessen werden: Sie alle investieren massiv in Premium-Inhalte und millionenschwere TV-Action-Spektakel und könnten Netflix Marktanteile abjagen. Hohe Produktionskosten für Filme und Serien sowie teure Übertragungsrechte für Premium-Sport könnten die künftigen Gewinne schmälern – aber hier zu sparen, wäre der falsche Weg.
Lohnt jetzt ein Einstieg?
Ein Einstieg für Anleger zum jetzigen Zeitpunkt birgt sowohl Chancen als auch Risiken. Analyst Jeffrey Wlodarczak von der Pivotal Research Group erhöhte sein Kursziel für Netflix auf 1.250 Dollar und stufte die Aktie auf "Buy". Auch Barton Crocket von Rosenblatt Securities ist von der Performance des Unternehmens überzeugt und sieht das Kursziel bei 1.494 Dollar. Goldman Sachs hingegen ist nach wie vor neutral eingestellt und hält an einem Kursziel von 750 Dollar fest.
Wichtig für Anleger ist, nicht zum falschen Zeitpunkt einzusteigen – etwa in einem überkauften Markt und wenn eine Aktie ein neues Allzeithoch erreicht. Das aktuelle Börsenumfeld für US-Aktien – beflügelt durch den neuen Präsidenten Donald Trump – ist derzeit sehr optimistisch und es gibt unter den Analysten kaum Skeptiker. Größere Kursrückgänge beim S&P 500 und Nasdaq 100 gab es zuletzt im Juli 2024 – und sie fielen äußerst mager aus.
Das heißt aber nicht, dass die Rallye vorbei ist – zumal die Berichtssaison gerade erst begonnen hat. Wenn Sie in Netflix investieren möchten, ist es wichtig, die langfristigen Strategien des Unternehmens zu beobachten. Livesport und werbefinanzierte Abonnements könnten für das weitere Wachstum entscheidend sein.
- Eigene Recherche
- faz.net: "Netflix boomt dank Livesport"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa