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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Mediamarkt-Chef Wildberger "Das lädt zum Missbrauch ein"
Die deutsche Wirtschaft strauchelt: Stellenabbau und Insolvenzen sind an der Tagesordnung. Der Chef von Mediamarkt und Saturn hingegen ist zuversichtlich. Im Interview berichtet er, woran das liegt.
Der Berliner Alexanderplatz ist ein schönes Sinnbild für die Probleme des deutschen Einzelhandels: Galeria versucht sich nach seiner dritten Insolvenz zu berappeln, alle Standorte können aber nicht erhalten bleiben. Die Modekette Esprit hat unterdessen alle Filialen geschlossen. Dazwischen gibt es aber auch eine Saturnfiliale und im angrenzenden Shoppingcenter einen Mediamarkt.
Im Gespräch mit t-online erklärt MediamarktSaturn-Chef Karsten Wildberger, was ihn in der aktuellen Wirtschaftslage optimistisch stimmt, wie er weiterhin Kunden in seine Läden locken will und warum er eine Zusammenarbeit mit deutschen Automobilkonzernen für möglich hält.
t-online: Herr Wildberger, sehen Sie für Ihre Elektronikmärkte eine Zukunft in den Innenstädten?
Karsten Wildberger: Ganz klar: ja. Insgesamt glaube ich an die Zukunft deutscher Innenstädte, aber der Einzelhandel muss sich mit den Kunden weiterentwickeln und ihnen etwas bieten. Wir sehen ja in vielen europäischen Ländern, dass Innenstädte sehr gut funktionieren. Wir sind am Alexanderplatz gut vertreten, zum Beispiel mit unserem ersten MediaMarkt-Lighthouse im Shoppingcenter Alexa, einer richtigen Technik-Erlebniswelt. Die Fläche haben wir kürzlich renoviert und verzeichnen nun 25 Prozent mehr Kundenbesuche.
Auch der Saturn direkt am Alexanderplatz läuft hervorragend. Hier gibt es zusätzlich noch auf 2.000 Quadratmetern das Xperion – unser Gaming Store. Wir haben auch einige Ideen, wie wir durch Investitionen den Alexanderplatz insgesamt wieder attraktiver und lebendiger gestalten können.
Können Sie da etwas konkreter werden?
Ich könnte mir einen großen 3D-Screen vorstellen. In anderen Ländern sind solche Displays im Kommen und werden von den Passanten und Anwohnern sehr gut angenommen. In deutschen Städten hingegen sind wir bisher mit diesem Vorschlag auf viel Skepsis gestoßen. Doch der Berliner Oberbürgermeister hat spontan eine große Offenheit gezeigt. Das hat mich beeindruckt. Ich bin gespannt, was wir hier hinbekommen.
Sie haben eben ganz selbstverständlich von Mediamarkt und Saturn gesprochen. Vielen Kunden ist aber vielleicht nicht bewusst, dass die beiden keine Konkurrenten sind, sondern seit 1990 zum gleichen Konzern gehören. Warum werden beide Marken weitergeführt?
Mediamarkt und Saturn sind zwei starke Marken. Ich sehe sie als Geschwister in der gleichen Familie, jeweils mit ihren Stärken und ihren Stammkunden. Im Hintergrund wird dadurch vieles effizienter.
Wie meinen Sie das?
Wir haben unsere Abläufe und Prozesse vereinheitlicht. So organisieren wir beispielsweise die Werbekampagnen für beide Marken gemeinsam. Das verbessert auch die Lagerbestände und Verfügbarkeit.
Nach den vielen Klagen aus dem Handel in den vergangenen Jahren klingen Sie ungewöhnlich optimistisch. Wie locken Sie weiterhin Kunden in Ihre Filialen?
Wir bieten den Kunden nicht nur eine Einkaufsmöglichkeit, wir bieten auch Erlebnisse. Wir haben vor drei Wochen unseren bislang größten Store in Hamburg mit 15.000 Quadratmetern eröffnet. Das ist ein richtiges Technik-Erlebniszentrum. Darin finden sich 50 Boutiquen von Partnermarken. Auf der obersten der vier Etagen sind allein 3.500 Quadratmeter Xperion nur für Gaming eingerichtet. Die Nachfrage bei unseren Partnern ist riesig und auch das Feedback, das ich von Kunden und Partnern erhalte, ist extrem positiv. Das zeigt: Innovation im Handel funktioniert.
Zur Person
1969 in Gießen geboren, studierte Karsten Wildberger in München und Aachen Physik und promovierte anschließend im Bereich Festkörperphysik und Computational Physics. Nach einer Beratertätigkeit bei der Boston Consulting Group hatte er verschiedene Führungspositionen bei T-Mobile, Vodafone und Telstra inne. Von 2016 bis 2021 gehörte Wildberger dem Vorstand des Energiekonzerns E.On an. Seit August 2021 ist er Vorstandsvorsitzender der Ceconomy AG sowie Geschäftsführer der Media-Saturn-Holding GmbH.
Ein klassisches Argument für den stationären Einzelhandel ist die Kundenberatung. Spielt das in ihren Erlebnis-Märkten noch eine Rolle?
Das gehört unbedingt dazu. Es fängt immer mit einer guten Beratung an. Da haben wir uns in den vergangenen Jahren auch deutlich verbessert. Wir werden hier weiter zulegen.
In Ihren Elektronikmärkten arbeitet nicht nur eigenes Personal. Es gibt auch eine ganze Reihe von Promotern einzelner Firmen, die Produkte oder auch Verträge verkaufen. Ist das dann noch unabhängige Beratung?
Promoter kennen sich besonders gut mit den Produkten aus, auf die sie spezialisiert sind, und können dazu fachkundig beraten. Wir achten aber auch darauf, dass sie Teil des Gesamtteams sind. Unser Ziel ist es, dem Kunden das anzubieten, was er braucht und ihm bestmöglich zu helfen. Denn nur ein zufriedener Kunde kommt wieder.
Sie fürchten also keine Ladenschließungen?
Nein, in Summe bin ich davon überzeugt, dass wir in den nächsten Jahren sogar noch weitere Stores eröffnen werden. Aber diese werden mitunter anders aussehen, auch kleinere Formate werden dabei sein.
Vor Kurzem wurde bekannt, dass Sie mehrere Gravis-Filialen übernehmen werden und darin Mini-Mediamärkte einrichten wollen. Wollen Sie künftig stärker in diese Richtung gehen?
Früher gab es für Mediamarkt vor allem ein Format: 2.500 bis 3.000 Quadratmeter. Mittlerweile haben wir vier verschiedene Formate. Dabei geht es darum, unsere Präsenz beim Kunden zu erhöhen und an jedem Standort das richtige Format anzubieten. Die ehemaligen Gravis-Standorte sind mit etwa 600 Quadratmeter deutlich kleiner, wir nennen es das Smart-Format. Das haben wir in anderen Ländern bereits erfolgreich getestet. Wichtig ist es in diesen Märkten, das Sortiment auf die Zielgruppe anzupassen und es mit unserem Onlineangebot eng zu verzahnen.
Ceconomy, der Mutterkonzern von Mediamarkt und Saturn, hat zuletzt rund 25 Prozent seines Umsatzes mit Onlinegeschäften gemacht. Wo wollen Sie noch hin?
Wir streben an, 30 Prozent unseres Umsatzes mit dem Onlinegeschäft zu erzielen. Vor der Corona-Pandemie waren es mit ca. 12 Prozent noch viel weniger. Wir sind deutlich gewachsen und haben schnell dazugelernt.
Was genau?
Zunächst mussten wir umdenken und den Verkauf im Markt und das Online-Geschäft aus Kundensicht gemeinsam denken. Wir haben unser Online-Angebot auf mehr als 1,6 Millionen Produkte erweitert. Und wir haben unser Kundenbindungsprogramm MyMediaMarkt und MySaturn ausgebaut. Hinzukommt, dass Kunden auch innerhalb von 30 Minuten Produkte online bestellen und im Markt abholen oder sich mit unserer Sofortlieferung innerhalb von 90 Minuten direkt nach Hause liefern lassen können. Auch das wird sehr gut angenommen.
Gleichzeitig haben Sie kürzlich gefordert, chinesische Onlineplattformen wie Temu oder Shein stärker zu regulieren. Fürchten Sie die günstige Konkurrenz?
Ich bin für Wettbewerb, aber er muss fair sein. Das heißt, wenn es Regeln gibt, dann müssen sich alle daranhalten, egal ob sie aus Deutschland, Spanien oder China kommen. Deshalb habe ich mich zum Beispiel gegen die Zollfreigrenze von 150 Euro ausgesprochen, denn sie lädt zum Missbrauch ein.
Eine neue Regelung, an die sich auch Mediamarkt halten muss, ist das europäische Recht auf Reparatur. Sie bieten Reparaturen bereits an den sogenannten Smart-Bars an. Gleichzeitig haben Sie als Unternehmen ein Interesse, neue Produkte zu verkaufen. Wie passen diese Widersprüche zusammen?
Ich sehe darin keinen Widerspruch. Wenn ein Kunde ein Produkt kauft, das repariert werden kann, hat er auch ein Recht auf eine entsprechende Reparatur. Wir bieten diesen Service sehr gerne an. Das sehe ich als Verpflichtung, aber darin steckt auch ein Geschäft. Wir haben uns auch zum Ziel gesetzt, unser bereits sehr großes Reparaturgeschäft mit mehr als 3 Millionen jährlicher Reparaturen weiter auszubauen.
Wie sieht das konkret aus?
In unseren Märkten bieten wir an unseren "Smart-Bars" Sofort-Reparaturen, etwa für gesprungene Handybildschirme oder Laptop-Installationen, an. Des Weiteren können wir aufwendigere Dinge entweder in unseren Werkstätten reparieren oder arbeiten mit Partnern zusammen. Der Markt für gebrauchte Geräte wächst. Dazu haben wir in Tübingen einen Mediamarkt eröffnet, der nur aufbereitete Geräte anbietet.
Wieso das?
Kreislaufwirtschaft ist für uns ein wichtiges Thema, aber dazu mussten wir erst einmal eine neue Wertschöpfungskette lernen. Bisher haben wir zum Beispiel Refurbished-Produkte vor allem online angeboten, doch wir wollen Kunden auch immer mehr die Möglichkeit geben, aufbereitete Produkte im stationären Handel zu kaufen. Dazu gehört auch, dass wir alte Geräte in unseren Märkten in Zahlung nehmen. So fördern wir nachhaltigen Konsum sowohl online als auch vor Ort.
Die Produktpalette bei Mediamarkt hat sich stark verändert: Gebrauchte Produkte sind in den Läden dazugekommen, CDs hingegen gibt es dort nicht mehr. Wie hat sich das Kaufverhalten der Kunden verändert?
Sicher gab es auch bei den Kunden Veränderungen, aber vor allem haben wir geschaut, mit welchen Produkten wir unser Sortiment sinnvoll ergänzen können. Wenn Kunden eine Kaffeemaschine kaufen, brauchen sie auch Kaffee. Dafür haben wir unsere eigene Marke eingeführt. Dann gibt es Kategorien wie Saugroboter, die stark nachgefragt werden. Oder die große Nachfrage nach Gaming. Darüber hinaus spielt auch unser wachsendes Servicegeschäft eine immer wichtigere Rolle, das macht bereits 15 Prozent des Umsatzes aus. Dazu gehören Garantieverlängerungen, ein Mobilfunkvertrag, die Reparaturdienstleistung, der Grünstromvertrag oder die Installation zu Hause.
Media Markt und Saturn betreiben derzeit rund 1.000 Märkte in elf Ländern. Was lernen Sie aus dem Vergleich?
Alle Länder tauschen sich aus und lernen viel voneinander. Ungarn hat sehr erfolgreich die kleineren Formate entwickelt. Die Spanier und Italiener verkaufen in ihren Märkten sehr erfolgreich Elektromobilität, unter anderem Elektroautos. In Belgien betreiben wir einen Markt, der sogar nur Elektromobilität anbietet.
Und wie sieht es bei Mediamarkt in Deutschland mit Elektroautos aus?
Im Autoland Deutschland ist dazu noch kein deutsches Unternehmen auf uns zugekommen. Dabei kann ich sagen: Wir hätten auch hier noch Platz für E-Autos. Das ist zwar Zukunftsmusik, aber da könnten grundsätzlich interessante Projekte entstehen.
Schauen wir zum Abschluss noch in die nähere Zukunft, denn in zwei Monaten ist schon wieder Weihnachten. Welche Trends erwarten Sie unter dem Baum?
Künstliche Intelligenz wird dieses Jahr bestimmt ein Thema sein. Es gibt zahlreiche Neuheiten mit intelligenten Anwendungen in Smartphones, Laptops und sogar Waschmaschinen, die durch KI Energie und Wasser einsparen. Moderne Backöfen erkennen dank Sensorik und KI automatisch, welches Gericht zubereitet wird, und passen Temperatur sowie Garzeit entsprechend an.
Dazu im Kontrast steht die große Vinyl-Abteilung, die es neuerdings bei Mediamarkt gibt. Ist dieser Trend dann schon wieder vorbei?
KI und Vinyl sind doch kein Widerspruch. Im Hamburger Lighthouse betreiben wir sogar eine eigene Vinylboutique. Das ist für mich kein "entweder oder", sondern ein "und". Gleiches gilt auch für den Menschen und die KI. Ich bin davon überzeugt, dass bei aller technologischen Entwicklung der Mensch am Ende den Unterschied macht. Auch im Handel.
- Gespräch mit Karsten Wildberger