Öffentliche Verschwendung aufgedeckt Hier werden Millionen an Steuergeldern "im Klo versenkt"
Das neue Schwarzbuch über Steuerverschwendung ist da. Darin finden sich Fälle aus dem Bund, den Ländern und Kommunen. Ein Überblick der schwersten Fehlinvestitionen – und kuriosesten Fälle.
Rund 916 Milliarden Euro hat der deutsche Staat im vergangenen Jahr an Steuern eingenommen. Längst nicht jeder Euro aber wird effektiv ausgegeben: Schon seit 1973 wirft der Bund der Steuerzahler Jahr für Jahr der öffentlichen Hand vor, Milliarden an Steuergeldern in Fehlinvestitionen zu versenken.
Am Mittwoch stellte der Verein in Berlin die neueste Ausgabe seines Schwarzbuchs zur Verschwendung von Steuergeldern vor. Mit 100 neuen Beispielen aus Kommunen sowie von der Landes- und Bundesebene will der Bund der Steuerzahler Kritik an einem "teils sorglosen Umgang" mit Steuermitteln üben.
Die Auflistung "Die öffentliche Verschwendung 2024/25" ist die 52. Ausgabe des Schwarzbuches. Darin finden sich millionenschwere Ausgaben bei der Deutschen Bahn, Betrugsmaschen bei Coronatests, aber auch kurios anmutende Fälle wie der Abriss des Sprungturms eines Freibads in Hessen, weil das Becken fünf Zentimeter zu flach war. Ein Schwerpunkt-Kapitel widmet sich zudem der Bürokratie und Forderungen für deren Abbau. t-online gibt einen Überblick über die prägnantesten Fälle von Steuerverschwendung im vergangenen Jahr.
Millionenschwere Partys bei der Bahn
Gleich zwei der Beispiele des Schwarzbuchs kritisieren millionenschwere Ausgaben bei der Deutschen Bahn. Der Staatskonzern schreibt fast notorisch rote Zahlen. Allein im ersten Halbjahr 2024 erwirtschaftete das Unternehmen einen Verlust von rund 1,2 Milliarden Euro. Ende 2023 verbuchte die Bahn zudem rund 34 Milliarden Euro Schulden.
Angesichts dessen kritisiert der Bund der Steuerzahler unter anderem Ausgaben für gleich zwei Veranstaltungen zur Feier des Starts der neuen Sparte DB InfraGO AG, die Ende vergangenen Jahres gegründet wurde. Die Gesellschaft ist für die Sanierung der Bahn-Infrastruktur zuständig. Zu Beginn dieses Jahres lud die Bahn an zwei aufeinanderfolgenden Tagen in Berlin und Hamburg zu Feiern für die Gründung von InfraGo.
In der Hauptstadt kamen im Januar etwa 300 ausgewählte Gäste ins Futurium neben dem Hauptbahnhof – Kostenpunkt: gut 330.000 Euro bzw. 1.100 Euro pro Gast. Tags darauf feierte die Bahn mit 2.000 Mitarbeitern im Hamburger "Schuppen 52" und ließ sich das nochmals gut 1,4 Millionen Euro kosten. Der hoch verschuldete Konzern müsse besonders effizient mit den knappen eigenen und öffentlichen Mitteln umgehen, um sowohl die Infrastruktur als auch die wirtschaftliche Lage zu verbessern, kritisiert der Bund der Steuerzahler. "Teure Feierlichkeiten passen da nicht ins Bild und sind den Steuerzahlern nicht zuzumuten."
60 Millionen Euro für Bahnterminals, die nicht in Betrieb sind
Ein weiterer Fall spielt sich seit rund 18 Jahren im Duisburger Binnenhafen ab. 2006 hatte die Logistiktochter der Bahn Railion/Intermodal (heute DB Cargo) zwei neue Terminals für den Güterumschlag von Schiene auf Schiene in Auftrag gegeben, damals aber wegen der Finanzkrise auf eine Straßenanbindung verzichtet. Weil die Nachfrage für den Umschlag von der Schiene auf die Straße jedoch höher war als erwartet, musste später eine Straße nachträglich gebaut werden – doch dies verzögerte sich um Jahre.
Nach Baukosten von 60 Millionen Euro gingen die Terminals 2016 in den Probebetrieb, noch immer ohne Verbindungsstraße für Lkw. Bisher ist die Bahn darüber noch nicht hinausgekommen, obwohl die Verbindungsstraße bis zum Herbst 2024 fertiggestellt und in Betrieb genommen werden sollte. Auch der Internetauftritt der Bahn listet die Terminals in Duisburg als "im Ausbau". Welche Mehrkosten der Bau der Straße verursachen könnte, ist derzeit nicht bekannt.
Der Bund der Steuerzahler kritisiert angesichts dessen Ausgaben von "60 Mio. Euro plus ein dickes X für zwei Terminals, die auch 18 Jahre nach der Bestellung nicht in den ordentlichen Betrieb gegangen sind". Die Bahn verweigere den transparenten Umgang mit dem ihr anvertrauten Steuergeld.
Betrug bei Corona-Tests
Auch die staatlichen Maßnahmen während der Corona-Pandemie rückten in den Fokus des Vereins. Die damals kostenlos verfügbaren sogenannten Bürgertests hätten den Steuerzahler rund 18 Milliarden Euro gekostet, heißt es im Schwarzbuch. Der Bund der Steuerzahler stellt zwar nicht die Relevanz der Tests infrage, "das Abrechnungsverfahren erwies sich dabei jedoch als höchst betrugsanfällig". Das habe die Testkosten massiv in die Höhe getrieben.
Mit Blick darauf fordert der Verein, dass der Bund Datenanalysemethoden anwendet, mit denen Betrugsfälle leicht aufgedeckt werden könnten. So könnte laut Ansicht des Bundes der Steuerzahler ein Abgleich von Daten der Kassenärztlichen Vereinigungen, der Gesundheitsämter und des Robert Koch-Instituts dabei helfen. "Dann können die Strafverfolgungsbehörden der Länder den Betrügern schneller auf die Schliche kommen."
Becken fünf Zentimeter zu flach – Sprungturm wird nach 30 Jahren gesperrt
Ein kurioser Fall spielte sich in Hessen ab: Bei der Erstellung eines Gutachtens zur Aufsichtssituation im Freibad des Orts Biedenkopf fiel im vergangenen Jahr auf, dass das Sprungbecken für die Anlage mit einem Ein- sowie einem Drei-Meter Sprungturm fünf Zentimeter zu flach war. Das Becken war 1993 saniert worden, wobei eine Edelstahlwanne eingebaut worden war, die die Beckentiefe minderte – 30 Jahre lang fiel das niemandem auf.
Infolge des Gutachtens wurde der Drei-Meter-Turm im vergangenen Jahr geschlossen. 2025 soll er dann endgültig abgebaut werden. Denn sollte trotz 30 unfallfreier Jahre doch einmal ein Unglück passieren, müsste die Stadt Biedenkopf dafür haften. Der Bund der Steuerzahler hält das für einen Fall "typisch deutscher Genauigkeit". Es sei zwar verständlich, dass der Turm wegen der Haftungsrisiken abgebaut werden müsse, "dennoch stellt sich die Frage, ob die Vorschriften so unflexibel sein müssen, dass selbst minimale Abweichungen unmöglich sind".
"2,08 Mio. Euro wurden sprichwörtlich bereits im Klo versenkt"
Ebenfalls geschlossen werden musste eine ursprünglich für 2,08 Millionen Euro sanierte WC-Anlage mitten im Herzen Hamburgs – und das nach nur drei Monaten Betriebszeit. Die unterirdische Anlage auf der Mönckebergstraße ging zum Tag der Deutschen Einheit 2023 in Betrieb, dann aber drangen große Mengen Wasser in die Räumlichkeiten ein. Die Suche nach der Ursache verzögerte sich um Monate. Dann musste die öffentliche Toilette wieder zurück in den Rohbauzustand versetzt werden.
Wer dafür haften muss – der Steuerzahler oder die Baufirma –, sei noch nicht geklärt. Genau das moniert der Bund der Steuerzahler: "Wieder einmal scheiterte die Stadt Hamburg an einem Bauvorhaben", schreibt der Verein im Schwarzbuch. "2,08 Mio. Euro wurden sprichwörtlich bereits im Klo versenkt. Wie teuer es noch werden wird, ist unklar. Zudem könnte ein Rechtsstreit zwischen der Stadt, dem beauftragten Architekten und den Handwerksbetrieben drohen."
- Pressemitteilung des Bundes der Steuerzahler zu "Das Schwarzbuch – Die öffentliche Verschwendung 2024/25"
- Eigene Recherche