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VW in der Krise | Habeck lädt zum Autogipfel – kommt die "Abwrackprämie 2.0"?


VW in der Krise
Habeck lädt zum Autogipfel – kommt die "Abwrackprämie 2.0"?

Von Matthias Zimmermann

Aktualisiert am 23.09.2024 - 11:26 UhrLesedauer: 6 Min.
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Habeck besucht Meyer Werft in PapenburgVergrößern des Bildes
Robert Habeck im VW-Werk in Emden: Der Wirtschaftsminister lädt zum Autogipfel. (Quelle: Hauke-Christian Dittrich/dpa/dpa-bilder)

Drohende Werksschließungen, bis zu 30.000 Stellen bei VW in Gefahr: Die Schreckensnachrichten rissen zuletzt nicht ab. Doch wie dramatisch ist die Lage tatsächlich? Und was bringt der Autogipfel?

Noch beschäftigt VW in Deutschland rund 120.000 Menschen. Doch diese Zahl könnte in den kommenden Jahren drastisch zurückgehen. Angesichts rückläufiger Umsätze kündigte der Vorstand in Wolfsburg harte Einschnitte an, wie sie die Belegschaft so noch nicht erlebt hat.

Bis zu 30.000 Jobs stünden auf dem Spiel, betriebsbedingte Kündigungen schließen Hardliner im Konzern nicht aus, berichtet das "Manager Magazin". Gleichzeitig drohten erstmals Werksschließungen im Stammland. Betriebsrat und Gewerkschaft kündigten Widerstand gegen diese Pläne an. Während einer Betriebsversammlung protestierten Tausende Mitarbeiter lautstark.

Einem Bericht des "Spiegels" zufolge will sich VW bei einem virtuellen Autogipfel mit Branchenvertretern und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) für eine neue Kaufprämie für E-Autos starkmachen.

Wie schlimm sieht es bei VW tatsächlich aus? Wie kann ein solches Szenario noch verhindert werden? Und was bringt hier der Autogipfel? t-online klärt die wichtigsten Fragen.

Wie ist die wirtschaftliche Lage bei VW?

Nicht so dramatisch, wie man womöglich denken könnte. Die nun genannten Zahlen der Arbeitsplätze, die angesichts der hohen Verluste auf der Kippe stehen sollen, hält Experte Jürgen Pieper für "eine Drohkulisse seitens des Vorstandes". Der Branchen-Analyst war lange Jahre Director Research beim Bankhaus Metzler.

Die Manager "haben wohl gemerkt, dass sie es mit den bisherigen Plänen nicht hinbekommen, ihr Sparziel von zehn Milliarden Euro zu erreichen". Um in diesem Zusammenhang Druck auf die bevorstehenden Tarifverhandlungen über Lohnerhöhungen auszuüben, werde nun "die große Keule ausgepackt". Pieper glaube "nicht daran, dass sie auch diesen Weg gehen" und diese harten Personaleinschnitte umsetzten. Zumal VW immer noch Geld verdiene.

Drohen tatsächlich betriebsbedingte Kündigungen?

Das ist zumindest möglich. Denn die Konzernspitze kündigte den seit 30 Jahren währenden Vertrag mit der Arbeitnehmerseite, der betriebsbedingte Kündigungen ausschloss. Das Management begründete dies mit Überkapazitäten in der Produktion, die über Altersteilzeitmodelle und Abfindungen nicht abzubauen seien.

Allen voran müsse die Verhandlungsbereitschaft sowohl auf Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerseite stehen. Der "schwere Tanker" Volkswagen müsse umgebaut werden, so Experte Pieper. VW sei in vielen Bereichen "teuer und unflexibel". Ein großer Verwaltungsapparat müsse verkleinert werden. Außerdem müsse die Belegschaft zu neuen Beschäftigungsmodellen bereit sein, die auch Einschnitte für jeden Einzelnen bedeuten, erklärt der Experte.

Dies hat es bereits in den 1990er-Jahren gegeben, als VW in der Krise war. Damals wurde die Viertagewoche eingeführt, und die Volkswagen-Mitarbeiter mussten erhebliche Lohneinbußen hinnehmen. Dafür rang die IG Metall dem Konzern Beschäftigungsgarantien ab, die bis jetzt über drei Jahrzehnte fortbestanden. Hier müssten nun neue Modelle folgen, fordert Pieper weiter.

Video | Das sagen VW-Beschäftigte zum Sparkurs
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Quelle: t-online

Wird es zu Werksschließungen kommen?

Über den Standorten in Deutschland hängt nach wie vor das Damoklesschwert der Betriebsschließungen. Zumindest droht damit die VW-Konzernspitze. Bisher produziert der Autobauer in Hannover, Emden, Osnabrück, Braunschweig, Salzgitter, Kassel, Dresden und Chemnitz – und in Zwickau.

Hier laufen Elektrofahrzeuge vom Band. Allerdings schreibt Volkswagen an diesem Standort tiefrote Zahlen. Darum wird darüber spekuliert, ob diese Fabrik auf der Kippe steht.

"Es wäre völliger Unsinn, das Werk zu schließen", sagt Pieper dazu. Wenn auch jetzt dort Verluste eingefahren werden, sei dies "totaler Unsinn", sollte das Aus besiegelt werden. Das würde VW "die Fähigkeit absprechen, zukunftsfähig zu planen". Der E-Mobilität gehöre die Zukunft, auch wenn es beim Absatz zurzeit hakt.

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Auch an anderen Standorten befürchtet Pieper keine Schließungen. Das gelte beispielsweise für das Werk in Emden, das Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Freitag besuchte. Das wird schon das Land Niedersachsen als Anteilseigner mit Vetorecht nicht zulassen.

Denn neben den 8.000 Beschäftigten, die direkt bei VW arbeiten, wären von einer Schließung viele weitere der umliegenden Zulieferindustrie betroffen. Pieper schätzt, dass dadurch bis zu 12.000 Menschen ihren Job verlieren könnten. "Dieses Horrorszenario wird Niedersachsen nicht zulassen."

Und auch kleinere Standorte wie in Osnabrück mit etwa 2.500 Mitarbeitern sieht er keineswegs gefährdet. Vor einer Schließung stehe eher der Verkauf an die Konkurrenz – wenn es denn überhaupt so weit komme.

Wie viele Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel?

Dass letztlich tatsächlich 30.000 Jobs verschwinden, wie vom Vorstand angedroht, damit rechnet Jürgen Pieper nicht. Am Ende könnten es bis zu 8.000 Stellen in den kommenden zwei Jahren sein, und das ohne Kündigungen, so der Experte. So liefen Zeitverträge aus. Zudem gebe es das Angebot der Altersteilzeit sowie der Abfindungen. Letztere müssten den Mitarbeitern aber schon schmackhaft gemacht werden. Dafür müsse der Vorstand "mehrere Millionen zusätzlich bereitstellen", sagt der Experte.

Üblicherweise erhalte derjenige, der das Unternehmen mit dieser Zahlung verlassen will, für jedes Beschäftigungsjahr ein Monatsgehalt. "Das wird nicht reichen", glaubt Pieper. Sein Beispiel: Ein Ingenieur sollte bei zehn Berufsjahren mindestens 15 Monatsgehälter Abfindung bekommen. Bei einem geschätzten Monatslohn von 8.000 Euro erhielte er immerhin 120.000 Euro.

Welche Ideen für die Autobranche gibt es?

Beim Autogipfel am Montag sollen Vertreter der Autoindustrie, dessen Dachverband VDA sowie die IG Metall teilnehmen. Auf der Tagesordnung dürften sinkende Absatzzahlen, von der Industrie beklagte Bürokratie, Kostendruck, Konkurrenz aus China sowie E-Mobilität stehen.

VW fordert vor dem Autogipfel laut "Spiegel" eine staatliche Förderung von 4.000 Euro beim Kauf eines reinen Elektroautos, wenn der Hersteller zusätzlich einen Preisnachlass von 2.000 Euro gibt.

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Der sogenannte Umweltbonus für die Anschaffung von E-Autos war Ende 2023 im Zuge der Haushaltskrise kurzfristig abgeschafft worden. Das Subventionsprogramm war ursprünglich bis Ende 2024 geplant gewesen. Branchenexperten führen den Rückgang der Absatzzahlen von E-Autos insbesondere auf die gestrichene Förderung zurück.

Wie der "Spiegel" weiter berichtete, schlägt VW außerdem die Berücksichtigung des CO2-Fußabdrucks bei der Autoproduktion ähnlich wie in Frankreich vor. Dort ist die staatliche Förderung beim Kauf eines E-Autos an die CO2-Emissionen geknüpft. Die Maßnahme zielt vor allem auf Importe aus China ab.

Mercedes: Entgegenkommen der Politik

Mercedes-Chef Ola Källenius fordert in der Klimapolitik ein Entgegenkommen der Politik. "Wir müssen über die CO2-Regulierung in Europa reden", sagte Källenius dem "Handelsblatt" (Montagausgabe). Zwar stehe der Stuttgarter Autobauer zum Ziel der Dekarbonisierung der Autoindustrie, "doch die Schätzungen der EU-Kommission waren zu optimistisch, wie sich jetzt zeigt", sagt Källenius.

"Wir können die Kundenwünsche nicht ignorieren." Zurzeit stagniere der Absatz von Stromautos bei zehn Prozent. Konkret fordert Källenius eine Erleichterung bei den Klimavorgaben der EU für die Neuwagenflotten, die ab 2025 greifen. Weil die meisten europäischen Hersteller zu wenig Elektrofahrzeuge verkaufen, drohen der Industrie milliardenschwere Strafzahlungen.

SPD will "Abwrackprämie 2.0"

SPD-Wirtschaftspolitiker schlagen indes unter anderem eine "Abwrackprämie 2.0" vor. Wer seinen Verbrenner "abwrackt" und ein neues E-Auto kauft, solle einen Bonus von 6.000 Euro bekommen. Für den Kauf eines gebrauchten E-Autos soll es dann 3.000 Euro geben.

In der Wirtschaftskrise 2009 hatte Deutschland schon einmal mit einer Prämie den Austausch von Autos gefördert. 2.500 Euro Umweltprämie erhielt, wer sein altes Auto verschrotten ließ und ein neues kaufte. Viele sprachen von "Abwrackprämie".

Was bringt der Autogipfel von Habeck?

Das bleibt abzuwarten. Angesichts der ernsten Lage sei es nach Piepers Ansicht "absolut richtig, sich auszutauschen". Er gehe davon aus, dass allen Seiten der Ernst der Lage bewusst ist, dass es so nicht weitergehen kann. Dass Habeck nun die Initiative zu diesem Treffen ergriffen hat, halte er für ein richtiges Signal. Pieper: "Die Politik muss jetzt eingreifen."

Allerdings dürfe kein Steuergeld dafür verschwendet werden, um VW bei seinen Sparplänen zu unterstützen. "Der Konzern hat viele Jahrzehnte gut verdient und verdient auch heute noch. Er kann das stemmen", sagt der Fachmann.

Dennoch sieht er eine Möglichkeit, sowohl den Unternehmen als auch den Kunden finanziell behilflich zu sein, die Nachfrage anzukurbeln. "Eine Prämie für E-Autos ergibt volkswirtschaftlich Sinn, weil E-Mobilität die Zukunft sein wird", ist Pieper überzeugt. Solch eine staatliche Förderung bei Wagenneukauf, wie es sie bereits gab, müsse es wieder geben, um den Absatz anzukurbeln, sagt er. Auch VW hatte eine solche Prämie ins Spiel gebracht (siehe oben).

Bis wann gibt es Klarheit über den Umfang der Einschnitte bei VW?

Die Verhandlungen über die Einsparungen muss die Geschäftsführung mit dem Betriebsrat führen. "Ich gehe davon aus, das wird in drei Monaten erledigt sein", sagt Pieper.

Bis zum Jahresende wolle der VW-Vorstand die Verträge mit den Arbeitnehmervertretern abschließen, um die ersten Effekte bereits 2025 zu spüren, so Pieper. Dann könne dieses – ein erstes – Sparprogramm in den kommenden Jahren umgesetzt werden.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Experte Jürgen Pieper
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP
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