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Thyssenkrupp, ArcelorMittal und der Weg zum grünen Stahl: Klappt das?


CO2-neutrale Stahlproduktion
"Wir würden uns damit aus dem Markt katapultieren"


14.07.2024Lesedauer: 4 Min.
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Stahlarbeiter an einem Hochofen von ThyssenKruppVergrößern des Bildes
Stahlarbeiter an einem Hochofen in Duisburg (Symbolbild): Die deutsche Stahlindustrie steht vor herben Einschnitten. (Quelle: Oliver Berg/dpa/dpa-bilder)

Grüner Stahl soll die deutsche Industrie auf dem Weg zur Klimaneutralität ein großes Stück weiterbringen. Aber wie zukunftsfähig ist die Produktion tatsächlich?

Es ist heiß und dreckig, aus den Hochöfen fließt das Roheisen wie Lava. Unten an den Anlagen arbeiten die Angestellten unter höchster Vorsicht und mit Kleidung, die sie vor der brütenden Hitze schützt. Das ist der Alltag in einer Branche, die für die Wirtschaft und das tägliche Leben unverzichtbar ist: Die Rede ist von der Stahlindustrie. Deutschland ist der größte Stahlproduzent in Europa, pro Kopf benötigen deutsche Haushalte etwa 180 Kilogramm Stahl im Jahr.

Doch die Stahlbranche steht vor einem großen Problem: Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral werden. Die Stahlproduktion ist extrem energieintensiv, bislang wird in der Herstellung Kohle und Koks verwendet. Die Branche ist für etwa ein Drittel der deutschen CO2-Emissionen verantwortlich. Um die Klimaziele zu erreichen, muss sich die Industrie umstellen. Ihr Hoffnungsträger: grüner Stahl. Doch diese Umstellung ist nicht einfach. Denn der Wandel kostet Milliarden und wird vermutlich noch Jahre dauern, denn noch fehlen wichtige Voraussetzungen.

Stahlsparte ist für Thyssenkrupp eine Belastung

Schon jetzt steht die Branche massiv unter Druck. Sie leidet unter den steigenden Kosten für fossile Energieträger und muss Kosten reduzieren: Thyssenkrupp kündigte jüngst ein hartes Sparprogramm für seine Sparte Steel Europe an. Am Stammwerk Duisburg fährt Thyssenkrupp die Produktionskapazitäten herunter.

Ausgelegt ist das größte deutsche Stahlwerk für ein Volumen von etwa 11,5 Millionen Tonnen Stahl. Künftig soll es eine Kapazität von neun Millionen Tonnen haben. Welche Folgen das für die rund 27.000 Beschäftigten der Sparte hat, ist bislang offen.

ThyssenKrupp-Chef Miguel Lopez klagte erst kürzlich in der "Welt", die Stahlsparte sei aktuell eine Belastung für den Konzern. Grund: "Hinter der Strahlkraft unserer Marke steht leider keine entsprechende finanzielle Leistungsstärke." Die Finanzen seien nicht da, wo sie sein sollten. In fast allen Geschäften lägen sie unter Wettbewerbsniveau.

Grüner Stahl könnte also zum Hoffnungsträger werden.

Experte: "Nicht viele Alternativen zum Wasserstoff"

Allerdings ist mit grünem Wasserstoff hergestellter Stahl in Deutschland bisher noch "Zukunftsmusik", wie Andreas Fischer, Ökonom am Institut für deutsche Wirtschaft (IW) sagt. Noch fehlen der Industrie Anlagen, um grünen Wasserstoff in Deutschland überhaupt herzustellen. Aktuell sind sie erst geplant und müssen noch realisiert werden.

Wie nachhaltig das Produkt am Ende ist, hängt zudem von der Produktionskette ab. Ist jeder einzelne Schritt emissionsarm – werden die Industrieanlagen zum Beispiel ebenfalls mit Wasserstoff betrieben –, könnte Deutschland mit grünem Stahl bis zu 97 Prozent der Emissionen in der Stahlproduktion einsparen, so der Experte.

"Es gibt nicht viele Alternativen zum Wasserstoff", sagt Fischer. Darum müsse die Transformation einzelner Industrien diesen Weg einschlagen. Von technischer Seite sei es kein Problem, die Stahlproduktion auf Wasserstoff umzustellen. Es ist eher eine Kostenfrage. Wie teuer genau, das ist, lässt sich laut Fischer noch nicht beziffern.

In die Rechnung fließe auch ein, in welchem Umfang und zu welchem Preis Wasserstoffimporte zur Verfügung stehen werden. Zudem ist unklar, ob Vorprodukte perspektivisch zu gewissen Teilen aus dem Ausland bezogen und in Deutschland weiterverarbeitet werden. Erst am Donnerstag schloss Wirtschaftsminister Habeck einen Vertrag über Wasserstoffimporte aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Ab 2027 sollen von dort rund 250.000 Tonnen grüner Wasserstoff nach Deutschland fließen. Der Preis liegt bei etwa 4,50 Euro pro Kilo.

Ist grüner Wasserstoff zu teuer?

Wasserstoff ist also zentral dafür, dass die Umstellung auf klimaneutrale Stahlproduktion klappt. Notwendig ist für die Herstellung von grünem Wasserstoff, dass es ausreichend Strom aus erneuerbaren Energiequellen gibt, denn auch dieser Prozess ist energieintensiv. Noch immer stammen allerdings 44 Prozent der deutschen Stromversorgung von fossilen Energieträgern. "Deutschland muss in der Versorgung mit erneuerbaren Energien vorankommen, damit die Unternehmen überhaupt die technische Möglichkeit haben, ihre Prozesse daran anzupassen", sagt Fischer.

Klar sei laut Fischer schon jetzt: "Da wird einiges an Investitionen auf uns zukommen." Denn um die Stahlindustrie klimaneutral umzustellen, müssen neue Anlagen gebaut und fossile Anlagen ersetzt werden. Nur so könnte es der Branche gelingen, auch die Jobs in den Werken zu sichern.

2,5 Milliarden Euro soll es kosten, die deutschen Werke umzurüsten. Deutschland unterstützt den Bau mit Genehmigung der EU-Kommission mit 1,3 Milliarden Euro. Allerdings gibt es Zweifel, ob die Voraussetzung – eine ausreichende Versorgung mit Energie aus erneuerbaren Quellen – überhaupt gegeben ist. Erst kürzlich übergab Wirtschaftsminister Robert Habeck darum einen Förderbescheid für ein Transformationsprojekt für grünen Stahl im brandenburgischen Eisenhüttenstadt. Die Firma Salzgitter erhielt im vergangenen Jahr eine Milliarde Euro. Und auch Thyssenkrupp konnte sich über zwei Milliarden Euro für den Bau einer Wasserstoff-Produktionsanlage freuen.

ArcelorMittal stellt in Frankreich die Produktion um

Doch trotz der Subventionen in Milliardenhöhe sagte der Chef der europäischen Niederlassung von ArcelorMittal, Geert van Poelvoorde, im Februar: "Grüner Wasserstoff ist zu teuer für den Einsatz in unseren EU-Stahlwerken." Mit dem Einsatz werde man sich "komplett aus dem Markt katapultieren". ArcelorMittal ist einer der weltweit größten Stahlkonzerne.

In Deutschland ist der Konzern kurz davor, die Umstellung auf grünen Stahl deshalb aufzugeben. Grund sind laut Thomas Bünger, Chef der Stahlwerke Bremen und Eisenhüttenstadt, die Energiepreise: "Um die geplante Transformation in den kommenden Jahren umsetzen zu können, benötigen wir so bald wie möglich – jedoch bis spätestens Mitte 2025 – wettbewerbsfähige Energiepreise und ausreichende Verfügbarkeit von grünem Strom und Wasserstoff", sagte er im Mai. Dann will der Konzern eine finale Investitionsentscheidung für die Projekte in Bremen und Eisenhüttenstadt treffen.

In Frankreich ist ArcelorMittal einen Schritt weiter. Vor wenigen Tagen schloss die französische Niederlassung einen Vertrag mit der Westfalen-Gruppe, um am französischen Stahlwerk einen Elektrolyseur zu errichten, der die Produktion ab 2026 mit grünem Wasserstoff versorgen soll. Westfalen plant, einen zweistelligen Millionenbetrag in das Projekt zu stecken. Allgemein ist Frankreich im Vergleich zu Deutschland kaum abhängig von fossilen Brennstoffen, da das Land auf Atomkraft setzt. Diese wird ebenfalls als klimaneutrale Energiequelle gesehen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit IW-Ökonom Andreas Fischer
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