Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Standort Deutschland Scholz will es nicht wahrhaben
Deutsche Unternehmen klagen über hohe Produktionskosten und ausufernde Bürokratie. Doch der Kanzler ignoriert das. Das wird dem Standort langfristig schaden.
Wer Olaf Scholz dieser Tage reden hört, könnte meinen, in Deutschland liefe alles rund. "Die Zeiten sind unruhig, auch an Deutschland geht das nicht spurlos vorbei. Aber wir navigieren da gut hindurch", sagte der SPD-Politiker unlängst beim deutschen Bankentag in Berlin.
Doch wer zum gleichen Schluss wie der Kanzler kommt, hat zuletzt maximal die Überschriften gelesen. Denn es stimmt zwar, dass die am Mittwoch vorgestellte Frühjahrsprognose der Bundesregierung wieder eine leichte Tendenz nach oben zeigt und auch das wichtige Stimmungsbarometer, der ifo-Geschäftsklimaindex, steigt. Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit und dass Scholz den Rest ignoriert, könnte den Standort Deutschland langfristig teuer zu stehen kommen.
Niedriges Ausgangsniveau sorgt für Anstieg
Denn die vermeintlich hoffnungsvollen Anstiege der Prognosen und Barometer sind nur möglich, weil das Ausgangsniveau besonders niedrig war. So rechnet die Bundesregierung für das laufende Jahr mit einem Mini-Wachstum von 0,3 Prozent. Das sind zwar etwas bessere Aussichten als noch im Februar, als die Bundesregierung 0,2 Prozent veranschlagte, aber immer noch weit entfernt von den Hochrechnungen, die im vergangenen Jahr für 2024 gemacht wurden. Damals ging die Regierung noch von 1,3 Prozent Wachstum aus.
Natürlich ist es ein gutes Zeichen, wenn die Stimmung in deutschen Unternehmen sich verbessert. Doch leider zeigt auch hier ein Blick in die Zahlen des ifo-Instituts: Es ist vor allem der Dienstleistungssektor, der die aktuelle Lage besser bewertet. Im verarbeitenden Gewerbe und im Baugewerbe hingegen klagen die Unternehmen über sinkende Auftragszahlen.
Die Konsequenzen zeigen sich bereits. Erst in der vergangenen Woche gab Thyssenkrupp bekannt, dass der Konzern die Produktion um 20 Prozent drosselt. Grund sind nach Unternehmensangaben die hohen Energiekosten und die schwächelnde Konjunktur. Tausende Jobs sind nun in Gefahr. Andere große deutsche Unternehmen, etwa aus der Automobilindustrie, sprechen mittlerweile ganz offen darüber, ihre Produktion in anderen Ländern auszubauen. In den USA etwa winken attraktive staatliche Zuschüsse durch den Inflation Reduction Act.
Der Wahrheit ins Auge sehen
Es hilft deshalb nichts, die Wahrheit auszublenden: Die deutsche Wirtschaft ist angeschlagen. Die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg und die weltweiten geopolitischen Spannungen haben ihre Spuren hinterlassen. Aber auch Versäumnisse aus der Vergangenheit, vor allem bei der Digitalisierung, treten derzeit besonders deutlich hervor. Hinzu kommt ein gravierender Fachkräftemangel. Mehr noch, jetzt die Augen zu verschließen, könnte für Deutschland langfristig zum Problem werden. Unsicherheit hält Unternehmen von dringend notwendigen Investitionen ab und führt im schlimmsten Fall dazu, dass sie abwandern oder aufgeben.
Wirtschaftsminister Robert Habeck hat das Problem erkannt. Bei der Vorstellung der Frühjahrsprognose gestand er ein, dass in der Vergangenheit nicht mit der notwendigen Konsequenz und Härte an Lösungen gearbeitet worden sei und so Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt wurde. Das zeigt deutlich, dass er bereit wäre mehr zu tun. Auch die FDP sieht Handlungsbedarf. Doch die Ansätze der Koalitionspartner klaffen auseinander. Es bräuchte also einen Kanzler, der sagt, wo es langgehen soll. Doch der sitzt das Problem aus, lässt sich nicht zu einer Entscheidung drängen. Dabei wäre es so wichtig. Je eher auch der Kanzler die Probleme in der Wirtschaft anerkennt, desto schneller und zielgerichteter können Lösungen auf den Weg gebracht werden.
- Eigene Recherche