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Paukenschlag bei Thyssenkrupp: Konzern senkt Produktion – die Branche bangt


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Thyssenkrupp kürzt Produktion
Deutschland wird abgehängt


Aktualisiert am 17.04.2024Lesedauer: 4 Min.
Kokerei und zwei Hochöfen von Thyssenkrupp in Duisburg: Das Unternehmen will die Produktion verringern.Vergrößern des Bildes
Kokerei und zwei Hochöfen von Thyssenkrupp in Duisburg: Das Unternehmen will die Produktion verringern. (Quelle: IMAGO/marco stepniak)
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Thyssenkrupp will seine Produktionskapazitäten senken. Das wird Jobs kosten und könnte Auswirkungen auf die gesamte Branche haben.

Paukenschlag beim Ruhrpott-Traditionsunternehmen: Deutschlands größter Stahlhersteller Thyssenkrupp Steel will seine Produktionskapazitäten in Duisburg deutlich verkleinern.

Die Produktion soll um 22 Prozent verringert werden und damit einhergehen wird auch ein Stellenabbau. Wie viele Jobs gestrichen werden, ist noch unklar. "Es ist das erklärte Ziel, betriebsbedingte Kündigungen auch weiterhin zu vermeiden", hieß es in der Unternehmensmitteilung.

Zugegeben, die Ankündigung hatte sich bereits abgezeichnet, kommt also nicht gänzlich überraschend. Für die Branche und auch den Wirtschaftsstandort insgesamt ist es dennoch eine aufrüttelnde Nachricht.

Schwächelnde Konjunktur, hohe Energiepreise

Denn immerhin arbeiten bei dem Essener Konzern 27.000 Menschen. Bis 2026 gilt eine Beschäftigungsgarantie, doch wie es danach weitergeht, ist unklar. Denn Thyssenkrupp will die Verkaufsmenge von 11,5 Millionen Tonnen auf 9 bis 9,5 Millionen Tonnen Stahl verringern.

Zum Vergleich: 2023 wurden von der gesamten deutschen Stahlindustrie 30,6 Millionen Tonnen warmgewalzte Stahlerzeugnisse hergestellt. Die angepeilte Menge von 9 Millionen bis 9,5 Millionen Tonnen entspreche dem Niveau der vergangenen drei Jahre, betonte das Unternehmen.

Dass Thyssenkrupp nun kürzen muss, liegt auch an falschen Managemententscheidungen in den vergangenen Jahren. So wurden große Summen in den USA und Brasilien investiert, die sich letztlich nicht rechneten. Unter der damaligen Konzernchefin Martina Merz wurde die Unternehmensstrategie immer wieder angepasst, doch ohne nachhaltigen Erfolg. Im Geschäftsjahr 2022/23 machte der Konzern mit seinen fünf Sparten 2 Milliarden Euro Verlust bei 38 Milliarden Euro Umsatz.

Doch nicht alle Gründe für die Flaute liegen allein im Essener Unternehmen begründet. Vor allem die hohen Energiepreise, die anhaltend schwache Konjunktur und "fundamentalen strukturellen Veränderungen auf dem europäischen Stahlmarkt" spielten für die Entscheidung ebenfalls eine maßgebliche Rolle, so Thyssenkrupp.

Günstige Importe

Hinzu kämen die wachsenden Billigimporte vor allem aus Asien, die zu einer "verminderten Branchen-Wettbewerbsfähigkeit" führten. Mit staatlichen Subventionen kurbelt China die Überproduktion im eigenen Land an und drückt die Produkte zu deutlich günstigeren Preisen in den Weltmarkt. Im Automobilbereich – einem wichtigen Abnehmermarkt für Stahl – führt die EU deshalb aktuell eine Untersuchung durch. Sie soll klären, inwiefern Preise auf dem europäischen Markt künstlich niedrig gehalten werden – sehr zum Ärger der chinesischen Behörden. Mehr zur chinesischen Konkurrenz auf dem Automobilmarkt und dem staatlichen Einfluss lesen Sie hier.

Eine zusätzliche Belastung ist die Umstellung der Stahlproduktion auf sogenannten "grünen Stahl". Damit ist gemeinhin Stahl gemeint, der unter Verwendung von grünem Wasserstoff hergestellt wird. Die Politik hat in der Vergangenheit angekündigt, die Unternehmen bei der Umstellung auf grünen Stahl zu unterstützen. Die grüne Wirtschaftsministerin von Nordrhein-Westfalen, Mona Neubaur, bezeichnete deshalb auch die Entscheidung bei Thyssenkrupp als "eine enttäuschende Nachricht".

Allerdings: Bund und Land unterstützen das Firmen bei der Umstellung auf klimaneutrale Produktion mit zwei Milliarden Euro. Doch das wird nicht ausreichen, denn schon die Umstellung eines einzigen Hochofens auf grünen Wasserstoff kostet drei Milliarden Euro. Allein in Duisburg, wo nun gekürzt werden soll, betreibt der Konzern derzeit sechs solcher Öfen, hinzukommen noch weitere Standorte. Thyssenkrupp rechnet so mit rund 18 Milliarden Euro Transformationskosten.

Das Unternehmen betonte, dass am Umbau der Produktion in Richtung klimaneutrale Stahlerzeugung festgehalten werde. "Der Bau der ersten Direktreduktionsanlage am Standort Duisburg wird weiter wie geplant umgesetzt, mit Unterstützung durch die dafür von Bund und Land freigegebenen Fördermittel." Auch das Ziel, bis spätestens 2045 klimaneutral zu produzieren, bleibe bestehen. Die Anlage wird einen Hochofen ersetzen. Sie soll 2027 starten und später mit klimafreundlich hergestelltem Wasserstoff betrieben werden. Bund und NRW fördern das Projekt mit zwei Milliarden Euro.

IHK: Wirkt sich auf ganze Wirtschaft aus

Dennoch stellen diese hohen Kosten Thyssenkrupp nun vor ein Problem – und damit auch die restliche Branche. Denn wenn schon das größte deutsche Stahlunternehmen die Transformation kaum stemmen kann, fürchten Experten auch um kleinere Unternehmen.

Die Niederrheinische Industrie- und Handelskammer ist besorgt. "Die Entscheidung von Thyssenkrupp Steel Europe trifft uns am größten Stahlstandort Europas ins Mark. Sie macht deutlich, wie sehr die politischen Bedingungen unsere Industrie belasten. Unsere Unternehmen verlieren im Wettbewerb an Kraft", erklärte IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Dietzfelbinger. "Schwächelt die Stahlbranche, wirkt sich das auf die ganze Wirtschaft aus – weit über die Grenzen von Duisburg und NRW hinaus. Arbeitsplätze, Kaufkraft und Wertschöpfung gehen verloren", so Dietzfelbinger weiter. Neben den Angestellten bei Thyssenkrupp selbst, hängen auch die Jobs in weiterverarbeitenden Betrieben in der Schwebe.

Wie deutlich Deutschland in der Stahlproduktion hinter andere Länder zurückfällt, wird erst im internationalen Vergleich deutlich. "Weltweit liegen die größten Herausforderungen in der Stahlkonjunktur derzeit in der Europäischen Union und insbesondere in Deutschland", sagt Martin Theuringer, Geschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung Stahl. "Die schwache Erholung in der EU und insbesondere in Deutschland steht im Gegensatz zu den USA, wo die Stahlnachfrage zwischen 2020 und 2025 um insgesamt 20 Prozent zulegen dürfte."

Verwendete Quellen
  • Wirtschaftsvereinigung Stahl: Konjunkturausblick des Weltstahlverbands: EU – und allen voran Deutschland – fallen immer weiter zurück
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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