Konjunktur Forscher: Rezessionsgefahr in Deutschland steigt
Konjunkturforscher sehen eine erhöhte Rezessionsgefahr. Mehrere bekannte Ökonomen fordern von der Politik daher Maßnahmen zur Belebung der Wirtschaft.
Konjunkturforscher der Hans-Böckler-Stiftung sehen bis Ende April eine gestiegene Gefahr für eine Rezession der deutschen Wirtschaft. Darauf weise der Konjunkturindikator des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) hin, berichtete die Stiftung am Montag in Düsseldorf.
Der leichte Anstieg des Rezessionsrisikos beruhe vor allem darauf, dass die Produktion im verarbeitenden Gewerbe nach den aktuellsten verfügbaren Daten von Dezember nochmals gesunken sei. Weitere Negativ-Faktoren sehen die Forscher in zuletzt schwachen Einzelhandelsumsätzen und einer überdurchschnittlich hohen Zahl an Unternehmensinsolvenzen im Vergleich zu vor der Pandemie.
Dullien: Sorge vor chronischer Wachstumsschwäche
Weil die Aufträge für die Industrie jüngst zugenommen hätten, sei die Rezessionswahrscheinlichkeit nicht noch stärker gestiegen. Diese positive Entwicklung sollte aber nicht überschätzt werden, erklärte IMK-Konjunkturexperte Thomas Theobald. Sie sei vor allem auf Großaufträge im Flugzeugbau zurückzuführen, die die konjunkturelle Grunddynamik weniger gut widerspiegelten.
"Mit jedem Monat wächst das Risiko, dass die konjunkturelle Hängepartie, die wir seit mehreren Quartalen erleben, in eine chronische Wachstumsschwäche umschlägt", sagte IMK-Direktor Sebastian Dullien laut Mitteilung. In dieser Situation seien sowohl von der Europäischen Zentralbank als auch von der Bundesregierung positive Signale gefordert: "Die EZB sollte möglichst bald die Zinsen senken. Und die deutsche Politik sollte realistische, schnell wirksame Maßnahmen auf den Weg bringen." Dazu gehörten etwa erweiterte Abschreibungsbedingungen für Unternehmen, wie sie im Wachstumschancengesetz vorgesehen seien.
Bundesregierung hatte Prognose reagiert
Die Bundesbank prognostiziert im laufenden ersten Quartal womöglich auch wegen der sich häufenden Streiks eine Rezession. Mit dem zweiten Rückgang der Wirtschaftsleistung in Folge befände sie sich in einer sogenannten technischen Rezession. Im vierten Quartal 2023 war Europas größte Volkswirtschaft um 0,3 Prozent geschrumpft.
Die Bundesregierung rechnet laut Insidern für das laufende und auch für das kommende Jahr nur mit einem geringen Wirtschaftswachstum. Für 2024 wird demnach nur ein Plus von 0,2 Prozent veranschlagt. Für 2025 werde laut Entwurf des Jahreswirtschaftsberichts ein Zuwachs von 1,0 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) erwartet. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wird den Bericht am Mittwoch vorlegen.
Ökonomen fordern Politik zum Handeln auf
Angesichts dieser Aussichten plädieren führende Ökonomen für mehr Anstrengung in der Politik. Ifo-Chef Clemens Fuest verwies am Montag auf einer Videokonferenz führender deutscher Wirtschaftsforscher darauf, dass die Konsumenten verunsichert seien und die Geschäfte der Unternehmen zu Jahresbeginn "extrem schlecht" liefen. Die Rahmenbedingungen für Investitionen seien ungünstig, auch wegen der Bürokratiebelastung. Die Ampel-Regierung und die oppositionelle Union sollten zusammen daran arbeiten, öffentliche Investitionen zu verstetigen: "Ich glaube, das wären vertrauensbildende Maßnahmen, die auch sofort helfen würden", sagte Fuest.
Die Politik sei in der Pflicht, bessere Rahmenbedingungen zu setzen, betonte auch der Präsident des Berliner DIW, Marcel Fratzscher. Mehr öffentliche Investitionen in eine leistungsfähige Infrastruktur beim Verkehr, im Digitalen und auch ins Bildungssystem seien dringend nötig.
Nach Ansicht des Präsidenten des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, Reint Gropp, sind mangelnde Konsumlust und Investitionsschwäche ein Stück weit hausgemacht. Dies habe sehr viel mit Kommunikation zu tun. Die Bundesregierung sei außerordentlich schlecht darin, eine kohärente Strategie im Kampf gegen Klimawandel, Demografieprobleme und zur Abwehr geostrategischer Risiken zu vermitteln: "Diese mangelnde Kommunikation einer Strategie führt eben zu dieser Unsicherheit sowohl bei den Haushalten als auch bei den Unternehmen." Die Regierung verfolge einen "mikro-dirigistischen Ansatz", der aber nicht gut funktioniere: "Es wird sich viel zu wenig auf Preissignale und Marktmechanismen verlassen und zu sehr auf Mikrosteuerung durch den Staat."
- Nachrichtenagenturen dpa und Reuters