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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Keine Verschnaufpause Diese Preise steigen 2024 deutlich
Die Inflation ist in den vergangenen Monaten zwar deutlich zurückgegangen. Doch auch 2024 müssen Verbraucher tief in die Tasche greifen, denn Tanken und essen gehen dürfte deutlich teurer werden.
Die Inflationsrate ist in den letzten Monaten des Jahres 2023 deutlich gesunken. Doch die Verschnaufpause könnte nur von kurzer Dauer sein: Denn die nächsten Preiserhöhungen stehen bereits an.
"Insgesamt werden Verbraucher im Jahr 2024 stärker belastet", sagt Tobias Hentze, Ökonom am arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, zu t-online. "Es kommt dabei einiges zusammen: die Anhebung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie und für Gas, ein höherer CO2-Preis, steigende Sozialversicherungsbeiträge sowie höhere Kosten für Kranken- und Pflegeversicherung."
Eine Berechnung des Instituts zeigt: Unterm Strich zahlt ein Single mit einem Jahresbruttoeinkommen von 50.000 Euro auf das Jahr gerechnet 40 Euro mehr an Steuern und Abgaben. Eine Familie mit zwei Kindern und einem gemeinsamen Bruttojahreseinkommen von 130.000 Euro dagegen habe am Ende des Jahres 262 Euro mehr, eine Familie mit 42.000 Euro Jahreseinkommen 33 Euro weniger.
"Wir gehen davon aus, dass die höheren Steuern an die Verbraucher durchgereicht werden, vor allem in der Gastronomie und an der Tankstelle dürfte das spürbar werden", erläutert Hentze.
Bis zu 17 Prozent höhere Gaskosten
Dass Heizen und Tanken teurer wird, liegt daran, dass der CO2-Preis von 30 auf 45 Euro pro Tonne steigt. Den CO2-Preis für alle fossilen Energieträger wie Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel gibt es in Deutschland seit 2021. Der Verbrauch dieser Rohstoffe wird dadurch teurer, was zum Klimaschutz beitragen soll. Der Branchenverband En2x rechnet damit, dass Benzin um 4,3 Cent teurer wird und Diesel um 4,8 Cent je Liter.
Auch die Preise für Heizöl und Erdgas zum Heizen werden allerdings durch den höheren CO2-Preis steigen. Dazu kommt bei Gas und Fernwärme der Wegfall der staatlichen Energiepreisbremsen. Besonders bemerkbar machen wird sich laut dem Verbraucherportal Check24 die Wiederanhebung der Mehrwertsteuer auf Gas auf 19 Prozent. Das Portal hat ausgerechnet, dass ein Musterhaushalt mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden insgesamt 17 Prozent mehr für Gas zahlen muss.
Viele Haushalte haben zwar lange laufende Verträge mit einem Versorger abgeschlossen. Bei einer Preisfixierung sind Steuern und Umlagen aber laut Check24 meist ausgeschlossen. Die steigende Mehrwertsteuer und die höhere CO2-Abgabe dürften sich daher auch bei bestehenden Verträgen auswirken. Anbieter, die eine Preisgarantie geben, gibt es laut dem Portal kaum noch.
"Verbraucher zahlen für die Versäumnisse der Ampel"
Restaurantbesucher müssen sich mit dem Jahreswechsel ebenfalls auf steigende Preise für Speisen einstellen. Seit dem 1. Januar gilt wieder der reguläre Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. Wie der Branchenverband Dehoga angekündigt hat, werden viele Wirte die Erhöhung an ihre Gäste weiterreichen.
Die Bundesregierung hatte den Steuersatz auf Speisen in Restaurants Mitte 2020 während der Corona-Pandemie auf 7 Prozent gesenkt. Später hat die Ampelkoalition die Steuervergünstigung mehrfach verlängert, unter anderem wegen der Folgen der Energiekrise und der hohen Inflation. Für Getränke galt schon bisher der volle Satz von 19 Prozent. Bei Lieferdiensten und Essen zum Mitnehmen bleibt es dagegen beim ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent für Speisen.
"Die Verbraucher zahlen für die Versäumnisse der Ampel, denn das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts hat einige dieser Anpassungen erst ins Gespräch gebracht", sagt Hentze. "So sollte der CO2-Preis langsamer ansteigen, höhere Netzentgelte standen nicht zur Debatte, und auch eine dauerhaft niedrige Mehrwertsteuer in der Gastronomie hielt die Regierung für möglich."
Eon-Chef: Werden Aufschläge an Kunden weitergeben
Erste Unternehmen bestätigen die Einschätzungen des IW. So rechnet etwa Eon-Chef Leonhard Birnbaum damit, dass 2024 höhere Entgelte für Energie auch als höhere Preise an die Kunden weitergegeben werden. "Das sind politisch bedingte Aufschläge, diese werden alle Versorger an die Gas- und Stromkunden weitergeben müssen. Vielleicht nicht sofort, aber wohl in den kommenden Monaten", sagte Birnbaum der "Rheinischen Post" mit Blick auf die Erhöhung der Mehrwertsteuer beim Gas und den Wegfall der reduzierten Netzentgelte der Übertragungsnetzbetreiber beim Strom.
Er erwarte auch nicht, dass die Preise mittelfristig wieder auf das Niveau vor der vom Ukraine-Krieg ausgelösten Krise fallen werden. Zwar koste die Stromerzeugung durch Wind und Solar vergleichsweise wenig, aber die Absicherung für windstille dunkle Tage durch Speicher oder neue Gaskraftwerke erhöhe dennoch die Kosten der Versorgung insgesamt.
Ein Risiko sehe er zudem bei einer Eskalation der Lage im Nahen Osten. "Dann würde nicht nur der Ölpreis durch die Decke gehen, sondern auch der für Gas und für Strom", sagte Birnbaum der Zeitung. "Denn der Persische Golf ist eine zentrale Route nicht nur für Öl, sondern auch Flüssiggas."
Klimageld lässt auf sich warten
Entlastungen – auch solche, die bereits diskutiert wurden – sind bislang nicht umgesetzt worden. So etwa das von der Ampel versprochene Klimageld, das vor allem all jene entlasten soll, die einen niedrigen CO2-Fußabdruck haben. Dabei hatten SPD, Grüne und FDP das Vorhaben schon vor zwei Jahren im Koalitionsvertrag vereinbart: Wenn der CO2-Preis aus Klimaschutzgründen steigt, soll es zum Ausgleich Geld aufs Konto der Bürgerinnen und Bürger geben. Doch angesichts der knappen Kassen ist plötzlich offen, ob sich der Bund das überhaupt leisten kann.
Für die technische Umsetzung ist Finanzminister Christian Lindner (FDP) zuständig. In seinem Ministerium sieht man sich voll im Zeitplan. Vereinbart sei, dass der Auszahlungsweg in dieser Wahlperiode geschaffen werde, sagte Staatssekretärin Katja Hessel der Deutschen Presse-Agentur. "Der Mechanismus wird planmäßig bis 2025 zur Verfügung stehen."
Preiserhöhungen übersteigen Steuergeschenke
Die Änderungen bei der Einkommensteuer können dabei nur bedingt entgegenwirken. Ab 2024 gilt ein höherer Grundfreibetrag, bis zu dem keine Steuern bezahlt werden müssen. Für Ledige klettert er von 10.908 Euro auf 11.604 Euro, bei Verheirateten liegt die neue Grenze bei 23.208 Euro. Zudem steigt der steuerliche Kinderfreibetrag zur Sicherung des Existenzminimums von Kindern von 6.024 Euro auf 6.384 Euro je Kind an.
Doch davon profitieren nicht alle gleichermaßen. "Alleinerziehende sind von den Änderungen besonders deutlich betroffen, da sie weniger über die Einkommensteuer entlastet werden. Wer hingegen ein höheres Einkommen hat und zudem möglichst wenig abhängig von fossilen Energien ist, wird die Preisanstiege weniger spüren", so Ökonom Hentze. Laut den IW-Berechnungen kommt eine alleinerziehende Person mit einem Jahresbruttoeinkommen von weniger als 36.000 Euro auf ein Minus von 144 Euro.
Ob die Inflationsrate 2024 also weiter sinken kann, ist ungewiss. Für den Experten Hentze sind verschiedene Szenarien vorstellbar: Höhere Kosten könnten Menschen von Restaurantbesuchen abschrecken und damit die Inflation sogar senken. Unternehmen könnten die nun ohnehin nötigen Preisanpassungen aber auch nutzen, um zusätzliche Erhöhungen durchzuführen und damit die Inflation wieder ankurbeln. "Ein allzu großer Effekt ist derzeit allerdings nicht zu erwarten", so Hentze.
- Gespräch mit Tobias Hentze (IW)
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- Eigene Recherche