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Deerberg und Klingel insolvent: Versandhaus-Krise? Branche warnt


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Klingel am Ende
Deutsche Versandhändler zittern


Aktualisiert am 30.08.2023Lesedauer: 4 Min.
Die Zentrale von Klingel in PforzheimVergrößern des Bildes
Die Zentrale von Klingel in Pforzheim: Das Traditionsversandhaus stellt seinen Betrieb ein. (Quelle: Meantime Communications)
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Erst Deerberg, jetzt Klingel: Gleich zwei Traditionshäuser im deutschen Versandgeschäft stellen den Betrieb ein. Branchenvertreter warnen vor weiteren Pleiten.

Zwei Pleiten in kurzer Folge: Nach 100 Jahren ist Schluss bei Klingel. Der vor allem für Mode bekannte Versandhändler beendet im Januar 2024 seine Geschäfte. Es sei kein Investor für die Gruppe gefunden worden, teilte das Unternehmen am Montag in Pforzheim mit. Mehr als 1.300 Jobs fallen weg.

Deutlich früher, zum September, endet die Geschäftstätigkeit eines weiteren deutschen Versandhauses. Deerberg hatte bereits im Juni Insolvenz angemeldet, hat bislang keinen passenden Investor gefunden und stellt nun den Betrieb ein, wie in der vergangenen Woche bekannt wurde. Hier sind 270 Mitarbeitende betroffen.

Was ist los in der Branche? Bestellen die Deutschen denn nicht immer mehr im Netz – galt nicht gerade der Versandhandel zuletzt sogar als Wachstumsmarkt?

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Eigentlich schon, sagen Branchenkenner. Und doch könnte schon bald weitere Unternehmen ein ähnliches Schicksal ereilen wie Klingel und Deerberg. Frank Düssler, Sprecher des Bundesverbands E‑Commerce und Versandhandel (BEVH), warnt davor, dass sich viele Unternehmen derzeit erhöhtem Stress ausgesetzt sehen. Im Gespräch mit t-online sagt er: "Das starke Wachstum der Vorjahre war nur durch Investition in Infrastruktur, Menschen und Prozesse möglich – also auch bei Fixkosten, die wegen der Kaufzurückhaltung der Kunden nun voll auf dem Ergebnis lasten."

Zahl der Insolvenzen steigt

Im Klartext: wegen der hohen Inflation kaufen die Deutschen weniger ein. Das bekommen die Versandhäuser teils stark zu spüren – und nicht nur sie:

Längst warnen auch abseits der Branche deshalb immer mehr Experten vor den Folgen des Konjunkturabschwungs. Die Sorge vor einer nachträglichen Insolvenzwelle nach der Corona-Pandemie und infolge der hohen Inflation greift um sich.

Unlängst sagte etwa der Chef des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Stefan Wolf, Deutschland sei wieder "der kranke Mann Europas". Im Interview mit t-online führte er aus: "Es fängt an bei den teuren Energiepreisen, geht weiter bei der Bürokratie und den ewig langen Genehmigungsverfahren und endet mit den hohen Lohn- und Lohnnebenkosten sowie der Unternehmenssteuer", so Wolf. "In der Summe macht das Deutschland als Standort unattraktiv."

Dabei handelt es sich nicht nur um ein Gefühl, auch in den Zahlen zeigt sich ein entsprechender Trend: Auf Basis vorläufiger Angaben hat das Statistische Bundesamt errechnet, dass die Anzahl der Regelinsolvenzen im Juli um fast ein Viertel (23,8 Prozent) im Vergleich zum Vorjahresmonat angestiegen ist. Damit setze sich ein Trend der vergangenen Monate fort, heißt es von den Statistikern.

Das trifft nun auch Versand- und Onlinehändler. Ein Vergleich des BEVH zeigt bereits die Auswirkungen auf das erste Quartal 2023. Im Vergleich zum Vorjahr sei der Umsatz im Onlinehandel mit Kleidung in diesem Zeitraum um 20 Prozent gefallen.

"Schlechtem Konsumumfeld nicht einfach entziehen"

"Der Onlinehandel kann sich dem schlechten Konsumumfeld nicht einfach entziehen. Es handelt sich auch um kein Problem, das speziell die Versender betrifft, sondern den gesamten Einzelhandel", so Düssler. Seine Hoffnung: "Verbessern sich die Rahmenbedingungen wieder, wird der E-Commerce erneut überdurchschnittlich wachsen."

In den konkreten Fällen von Klingel und Deerberg kamen mehrere Faktoren zusammen. Beide Händler erklärten, dass die Kauflaune der Menschen durch die hohe Inflation infolge des Ukraine-Kriegs zurückgegangen ist. Klingel führt zudem an, dass die gestiegenen Kosten für die Katalogproduktion und den Versand eine Belastung dargestellt hätten. Eine notwendige Umstellung der IT-Systeme im Jahr 2022 habe zusätzlich zu Buche geschlagen.

Das alles heißt: Es handelt sich beim Versandhandel kaum um einen echten Pleite-Nachholeffekt aus der Corona-Zeit, als zwischenzeitlich die Regelungen zur Meldepflicht von Insolvenzen gelockert worden waren. Stattdessen sind es jüngere Auslöser, heißt es auch vom Branchenverband: "Wir wissen aus unserer laufenden Marktforschung, dass der Online-Konsum sehr genau mit Ausbruch des Kriegs in der Ukraine eingebrochen ist. Einkäufe von nicht unmittelbar benötigten Dingen werden seitdem zurückgefahren", so Düssler.

Otto als Vorbild?

Lehren für die gesamte Branche lassen sich dennoch nur schwer ziehen. So gilt zwar das Traditionsunternehmen Otto mit seinem Umbau vom klassischen Versandhaus mit Katalog zum digitalen Marktplatz als Vorreiter – doch auch das Hamburger Unternehmen spürt die veränderte Kaufbereitschaft deutlich. Während der Konzern 2021 noch einen Gewinn von 1,8 Milliarden Euro verbuchte, rutschte Otto im Geschäftsjahr 2022/23 (bis Ende Februar) in die roten Zahlen. Unter dem Strich stand ein Verlust von 413 Millionen Euro.

Über allem schwebt der Gigant Amazon. Mit den günstigen Preisen und der riesigen Produktpalette kann es kaum eine andere Plattform aufnehmen. 2022 war die Plattform allein für 56 Prozent der Online-Einzelhandelsumsätze in Deutschland verantwortlich.

Das Otto-Modell sei in der Tat Vorbild für einige Händler, andere würden weiter versuchen, sich selbst als Onlinehändler zu behaupten, so der BEVH. Doch die Marktmacht von Amazon können auch sie nicht leugnen. "Insgesamt hat die Spreizung am Markt aber zugenommen", sagt Düssler.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Statement Frank Düssler (BEVH)
  • bevh.org: "Langer Weg zurück"
  • Statista: "Amazon dominiert den deutschen Online-Handel"
  • manager-magazin.de: "Otto Group rutscht in die roten Zahlen"
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