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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wasserplan des Bundes Warum Lebensmittel bald teurer werden könnten
Zahlreiche Bundesländer sind dabei, die Nationale Wasserstrategie der Bundesregierung umzusetzen. Doch Landwirte warnen vor weitreichenden Folgen.
Möhren, Kohl und Paprika – all das landete im vergangenen Jahren in deutlich geringerem Umfang in den Vorratskisten deutscher Landwirte als in den Vorjahren. Der Ertrag ging insgesamt um mehr als 12 Prozent zurück, wie eine Erhebung des Statistischen Bundesamtes zeigt. Grund dafür waren demnach die Hitzewellen im Sommer 2022, die auf dem Ackerland für Dürre und Trockenheit sorgten – ein Szenario, das vielen Landwirten auch in künftigen Sommern droht.
Doch bald könnte noch etwas zum Problem für viele Landwirte werden: das Aus fürs Gratis-Grundwasser.
Bislang konnten viele Landwirte mit der Bewässerungsanlage so lange wie nötig gegen die Dürre ankämpfen. Auf Wasserverbrauch oder ihren Geldbeutel mussten sie nur geringfügig achten, denn für die Grundwasserentnahme mussten sie größtenteils nichts zahlen.
Das ändert sich nun: Was im Saarland, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen schon längst gängige Praxis ist, soll künftig in weiteren Bundesländern zur Pflicht werden. Für die Entnahme von Grund- und Oberflächenwasser sollen Landwirte künftig Geld zahlen – und damit zum Wassersparen animiert werden.
"Lebensmittelpreise würden noch weiter steigen"
Deutschlands Landwirte schlagen deshalb Alarm und warnen vor den Konsequenzen. "Landwirtschaft erzeugt die Lebensmittel für die Bevölkerung. Mit zusätzlichen Gebühren würden die Lebensmittelpreise noch weiter steigen", sagt Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV), t-online.
Er sieht die Pläne der Bundesländer kritisch. Diese folgen mit ihren Plänen der Nationalen Wasserstrategie, mit der die Bundesregierung der zunehmenden Wasserknappheit entgegenwirken will. Sie soll auch in Zukunft garantieren, dass "überall und jederzeit hochwertiges und bezahlbares Trinkwasser" zur Verfügung steht.
Dass das in Anbetracht der Klimakrise künftig knapp werden könnte, zeigen auch Satellitenbilder: Deutschland gehört demnach zu den Erdregionen, die am meisten mit Wasserverlust zu kämpfen haben. "Durch den Klimawandel sind Dürren in Europa deutlich wahrscheinlicher und auch intensiver geworden", sagt Klimaforscher Fred Hattermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Es sei schlicht wärmer geworden – in Deutschland durchschnittlich zwei Grad. Dadurch seien die Winter kürzer, in denen sich Grundwasser, Seen und Böden wieder mit Wasser auffüllen könnten.
Immer mehr Bundesländer bitten Landwirte zur Kasse
Um dem entgegenzuwirken, will die Bundesregierung mit der Nationalen Wasserstrategie wasserverbrauchende Sektoren wie Verwaltung und Verkehr, Stadtentwicklung und Industrie – so wie die Landwirtschaft – in die Verantwortung nehmen. Zuletzt hatte die Regierung in Rheinland-Pfalz ein entsprechendes Gesetz beschlossen, das Landwirte für ihren Wasserverbrauch künftig zur Kasse bittet. Für einen Kubikmeter Grundwasser sollen Landwirtschaftsbetriebe ab 2024 demnach 6 Cent zahlen, für einen Kubikmeter Oberflächenwasser 2,4 Cent.
Auch in weiteren Bundesländern wie Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg oder Hessen wird über Wasserentnahmeentgelte für die Landwirtschaft nachgedacht, wie aus einer Anfrage der dpa hervorgeht. In Bayern soll demnach im kommenden Jahr ein entsprechendes Gesetz eingeführt werden. In Sachsen-Anhalt werde sogar bereits über eine Erhöhung des Preises diskutiert. Ausnahmen sollen lediglich in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg vorerst bestehen bleiben.
Diese sollten weiterhin bestehen, findet der Deutsche Bauernverband. Nach der Trinkwasserversorgung müsse die Versorgung der Menschen mit Nahrungsmitteln im Vordergrund stehen. Diese würden mit steigenden Wasserkosten für die Landwirte auch für die Verbraucher teurer werden.
"Die Politik sollte auf die Wissenschaft hören"
Die Nationale Wasserstrategie und die damit einhergehenden Beschränkungen für die Landwirtschaft kritisiert der DBV auch deshalb, weil diese nur einen unwesentlichen Teil zum Wasserverbrauch beitragen würden. Nur ein Bruchteil der Ackerflächen, so der DBV, werde überhaupt bewässert. "Ob es eine gute oder schlechte Ernte wird, entscheidet sich bei den meisten Ackerkulturen dadurch, ob die Niederschläge in der Vegetationsperiode in ausreichender Menge und zum richtigen Zeitpunkt fallen", so Krüsken.
Tatsächlich beliefen sich die Wasserentnahmen für die landwirtschaftliche Beregnung in Deutschland laut der letzten Erhebung des Statistisches Bundesamtes im Jahr 2019 auf etwa 0,4 Milliarden Kubikmeter. Zum Vergleich: Auf die öffentliche Wasserversorgung entfielen 2019 etwa 5,4 Milliarden Kubikmeter. In einem Zweipersonenhaushalt liegt der Wasserverbrauch bei durchschnittlich 93 Kubikmetern im Jahr.
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Damit nutzte die Agrarwirtschaft mit 2,2 Prozent von 20 Milliarden Kubikmeter nur einen sehr geringen Teil der kompletten jährlichen Wasserentnahmen in Deutschland. Aber: Der Trend in der Landwirtschaft geht offenbar hin zu mehr Wasserverbrauch, was nicht zuletzt an der zunehmenden Trockenheit liegt. Zudem gibt es Zweifel an den Angaben des Statistischen Bundesamtes. Dieses verlässt sich, laut einer Anfrage des Recherchemediums "Correctiv", auf Zahlen, die Landwirte an die Wasserbehörden melden – offiziell erhoben werden sie jedoch nicht.
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Auch der DBV sieht deshalb zwar Grund zum Handeln. Die Landwirtschaftsbetriebe zur Kasse zu bitten, hält Generalsekretär Krüsken jedoch für den falschen Ansatz. Stattdessen sollte mehr in die Landwirtschaft investiert werden, um etwa mit Speicherbecken das Wasser in der Landschaft zu halten.
Bewässerung und Bewässerungsinfrastruktur müssten verbessert und ausgebaut werden. Auch bräuchten Landwirte widerstandsfähigere Sorten, die mit modernen Züchtungstechniken erforscht und kultiviert werden könnten. "Die Politik sollte auf die Wissenschaft hören und sich dem Thema annehmen", fordert Krüsken.
- Anfrage an den Deutschen Bauernverband
- bauernverband.de: Vorfahrt für die Lebensmittelerzeugung auch bei der Wassernutzung (Pressemitteilung vom 20.03.2023)
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- ufz.de: Dürremonitor Deutschland
- destatis.de: Gemüseernte 2022 um 12 % gegenüber Spitzenerntejahr 2021 gesunken (Pressemitteilung vom 27. Februar 2023)
- umweltbundesamt.de: Wasserressourcen und ihre Nutzung
- correctiv.org: Wassermangel: Konsum der Landwirtschaft offenbar massiv unterschätzt