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Reisechaos bei der Deutschen Bahn zu Weihnachten: Kunden vergrault?


Meinung
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Reisechaos bei der Bahn
Das ist das Ende

MeinungVon Miriam Hollstein

Aktualisiert am 26.12.2022Lesedauer: 4 Min.
Bahnchaos: Durch das 9-Euro-Ticket gab es deutlich mehr Fahrgäste als sonst.Vergrößern des Bildes
Zugausfälle, Triebwerkschäden, Verspätungen: Die Fahrt mit der Deutschen Bahn ist zum Albtraum geworden. (Quelle: Arnulf Hettrich/imago-images-bilder)
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Mehr als 30 Jahre lang war unsere Reporterin eine Vielfahrerin der Deutschen Bahn. Doch damit ist jetzt Schluss.

Der Bundesgerichtshof habe den Winterfahrplan der Deutschen Bahn als Glücksspiel eingestuft. Die Betreiber müssten jetzt eine Lizenz dafür beantragen. So berichtete es vor ein paar Tagen das Satireportal "Der Postillon". Zugegeben, das war natürlich ein Witz. Aber ein ziemlich treffender. Ich hätte gern darüber gelacht. Als Kundin der Deutschen Bahn ist mir aber eher nach Weinen zumute.

Die Bahn und ich führen schon eine sehr lange Beziehung. Als ich Anfang der neunziger Jahre nach Berlin zog, wurde ich zur Dauerkundin, weil ich regelmäßig meine Eltern in der Heimat in Baden-Württemberg besuchte. Damals dauerten die Fahrten dorthin noch länger als heute, die Züge waren deutlich weniger komfortabel. Das Internet gab es noch nicht, um sich auf den gefühlt endlosen Reisen die Zeit zu vertreiben. Zwischendurch bot die Bahn mal in einigen Zügen Plätze mit kleinen Videobildschirmen an, auf denen man, ähnlich wie im Flieger, Filme sehen konnte. Das war bereits das Höchste der Gefühle. Der Vorteil: Man las eben gleich ein Buch, statt sich darüber zu ärgern, dass das WLAN nicht funktionierte.

Als Bahnkunde muss man leidensfähig sein

Schon in dieser Zeit lernte ich als Bahnkundin eine gewisse Leidensfähigkeit. Weil immer mal wieder Züge ausfielen, Fahrten viel länger dauerten, Toiletten gesperrt waren. Aber es war wie in einer Vernunftehe. Die Bahn brauchte mein Geld. Ich brauchte die Bahn, weil mir lange Autofahrten zu anstrengend waren. Ich meckerte über sie, aber ich fuhr weiter mit ihr. Unsere Beziehung hielt.

Zumal ich bei Auslandsreisen feststelle, dass es in anderen Ehen auch nicht besser aussah. Im Gegenteil: In den USA war ich entsetzt über den Zustand der Amtrak-Züge. In Kanada konnte ich mich nicht über die Bahn ärgern, denn es gab fast nirgendwo Zugverbindungen.

Leider ist meine Geduld aufgebraucht. Was ich in den vergangenen Monaten bei meinen zahlreichen Reisen mit der Bahn erlebt habe, geht auf keine Vielfahrerhaut. Die Tage, an denen eine Fahrt problemlos verlief, kann ich an einem Finger abzählen. Schlimmer noch: Inzwischen ist die Bahn für Dienstreisen kein adäquates Reisemittel mehr. Neulich bin ich zu einem Interview nach Nürnberg drei Stunden früher aufgebrochen, als es laut Fahrplan notwendig gewesen wäre. Weil ich sicher gehen musste, auch mit zwei Zugausfällen pünktlich anzukommen. Es klappte dann mit "nur" einer Stunde Verspätung.

Es läuft also gewaltig was schief in unserer Beziehung, aber die andere Seite scheint nicht mehr hinzuhören. Stattdessen erhöht sie ihrem Vorstandsvorsitzenden das Gehalt um zehn Prozent. Dabei ist Richard Lutz schon jetzt mit einem Jahreseinkommen von 900.000 Euro einer der Spitzenverdiener des Bundes. Und da sind die Zulagen noch nicht mitgerechnet.

Ich frage mich seither: Wofür bekommt er die Erhöhung? Für herausragende Leistung kann es nicht sein. Lutz ist gewiss nicht für alles verantwortlich, was gerade schiefläuft. Aber er ist seit 2010 Mitglied des Vorstands und seit fast sechs Jahren dessen Vorsitzender. Da fragt man sich schon, warum er auf den Investitionsstau, den es jetzt bei der Bahn gibt, offenbar nicht früher hingewiesen hat. Warum er beim Bund als Eigentümer der Bahn nicht weniger Bürokratie angemahnt hat, um zu verhindern, dass das ganze System jetzt praktisch zusammenbricht.

Statt Schuldbewusstsein zeigt die Bahn Dreistigkeit

Die Bahn hätte allen Grund, vor ihren Kunden in Sack und Asche zu gehen. Stattdessen tritt sie sie mit Füßen. So hat sie mal eben die Schwelle, ab der man als Vielfahrer gilt, hochgesetzt. Bislang musste man dafür 2000 Euro im Jahr verfahren. Jetzt sind es 2500. Und das, nachdem man die teure Bahncard während der Pandemie kaum nutzen konnte, weil die Mobilität durch die Corona-Auflagen eingeschränkt war. Außerdem hat sie gerade die Ticketpreise kräftig erhöht. Selbst mit der Bahncard kann sich eine normal verdienende Familie mit zwei Kindern eine Fahrt von Berlin nach Stuttgart nicht mehr leisten, es sei denn, sie hat sie Monate vorher zum Sparpreis gebucht.

Und das ist noch Jammern auf hohem Niveau. Denn für Rollstuhlfahrer sind Fahrten quasi gar nicht mehr planbar. Sie müssen schon Wochen vorher ihre Reise bei der Bahn anmelden, um bei Ein-, Aus- und Umstiegen Hilfe beim Hublift zu bekommen. Doch selbst wenn sie diese Anmeldung bestätigt bekommen, heißt das keineswegs, dass sie ihr Reiseziel erreichen. In fast allen Fällen aus meinem Bekanntenkreis gab es bei nahezu jeder Reise Schwierigkeiten, weil Züge zu spät kamen, die Lifte defekt waren, das Personal sich weigerte, die Lifte zu bedienen oder behauptete, dieser sei "spontan" defekt. Ein Bekannter im Rollstuhl bittet seit Monaten bei der Bahn um Auskunft, was gegen dieses Problem getan wird. Er hat bislang nicht einmal eine Antwort bekommen.

Mein guter Vorsatz fürs neue Jahr: weniger Bahn

Ich habe schon jetzt einen Vorsatz fürs neue Jahr: Ich werde meine Bahncard kündigen. Genau, liebe Bahn, ich mache Schluss! Und ich habe deshalb dieses Weihnachten etwas ganz Verwegenes getan und einen Flixtrain-Zug gebucht. Ich wusste, dass die Flix-Züge keinen guten Ruf haben. Aber es konnte ja wohl kaum noch schlimmer werden als mit der Deutschen Bahn.

Was soll ich sagen? Ich schreibe Ihnen diese Zeilen vom Bahnhof. Neun Minuten vor Abfahrt wurde der Zug ersatzlos gestrichen.

Ich musste für das Doppelte des Preises einen Zug der Deutschen Bahn buchen, von dem ich nicht weiß, wann er ankommt, ob die Toiletten ausfallen, das Triebwerk einen Schaden hat oder ob unterwegs das System "resettet" werden muss (kein Witz, ist mir bei meiner vorletzten Reise passiert).

Wünschen Sie mir Glück!

Verwendete Quellen
  • Zahlreiche Zugfahrten mit der Deutschen Bahn
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