Bundesliga-Legende im Interview Zé Roberto: Bei Magath war es wie beim Militär
Das Wort "Dauerbrenner" wurde für Zé Roberto erfunden! Auch mit 43 Jahren ist der Ex-Star von FC Bayern, Bayer Leverkusen und HSV noch im Profi-Fußball im Einsatz: Bei Brasiliens Rekordmeister Palmeiras São Paulo beeindruckt der Mittelfeldspieler noch immer mit überragender Fitness. Zum Jahresende will er aufhören und seine große Karriere beenden.
t-online.de erreichte Zé Roberto mitten im Ligabetrieb und sprach über den FC Bayern, Erinnerungen an Ottmar Hitzfeld und Felix Magath, seine schweren Anfänge bei Bayer Leverkusen – und klärt ein Missverständnis auf.
t-online.de: Im vergangenen Jahr haben Sie die Verpflichtung von Carlo Ancelotti als neuem Bayern-Trainer als Fehler bezeichnet…
Zé Roberto (43): Jetzt kann ich endlich mal etwas klarstellen: Das habe ich nie gesagt!
Das müssen Sie erklären…
Ich habe nie behauptet, dass die Ancelotti-Verpflichtung ein Fehler ist.
Was war denn passiert?
Ich habe einer deutschen Tageszeitung ein Interview gegeben, und als es erschien, habe ich alles versucht, es noch zu ändern. Ich wurde falsch verstanden!
Und wie sehen Sie die Personalie Ancelotti tatsächlich?
Auf keinen Fall als Fehler! Es ist niemals ein Fehler, Carlo Ancelotti zu verpflichten. Er ist ein erfahrener Trainer, der schon mit Real Madrid, Milan und PSG große Erfolge hatte.
Was wollten Sie damals denn eigentlich sagen?
Ich meinte, dass die Bayern gerade in einer schwierigen Situation waren und der Druck auf Ancelotti im ersten Jahr zu groß wäre. Diese Zeitung hat mich falsch verstanden.
In der abgelaufenen Saison gewannen die Bayern ja „nur“ die Meisterschaft, was viele als Enttäuschung sahen…
Ich dachte schon damals: Die Bayern brauchen noch zwei oder drei Neuzugänge, um die Champions League zu gewinnen. Es ist ein Kader mit vielen jungen Spielern. Da fehlt mir die Erfahrung, die für die Königsklasse nötig ist.
Der Druck ist diese Saison sicher nicht geringer…
Ancelotti braucht nur etwas Zeit. Allein schon von der Erfahrung her ist er der perfekte Trainer für die Bayern. Dieses Jahr muss er aber alle seine Puzzleteile zusammenhaben.
Wen sehen Sie denn als wichtigstes Puzzleteil?
Wer mir immer sofort auffällt, ist Thiago. Letzte Saison hat er herausragend gespielt. Er wird noch zu einem ganz Großen werden. Für das Spiel der Bayern ist er das Herzstück.
In der Bundesliga spielte Zé Roberto bis von 1998 bis 2011 für Bayer Leverkusen (113 Spiele/18 Tore), den FC Bayern (169/14) und den Hamburger SV (54/7). Mit Bayer erreichte er das Champions-League-Finale 2002, mit den Bayern holte er je vier Mal die Meisterschaft und den DFB-Pokal. Bereits 1998 gewann Zé Roberto die Königsklasse mit Real Madrid. Weitere Stationen nach dem Abschied aus der Bundesliga: Al Gharafa Sports Club (Katar, 2011/12), Gremio Porto Alegre (Brasilien, 2012-15). 1998 und 2006 nahm er mit der brasilianischen Nationalmannschaft an der WM teil, absolvierte insgesamt 84 Länderspiele und erzielte dabei sechs Tore.
Sie selbst haben in München hauptsächlich unter drei Trainern gespielt: Ottmar Hitzfeld, Felix Magath und Jürgen Klinsmann…
Von Ottmar Hitzfeld habe ich eine ganze Menge gelernt. Er hatte eine echte Starauswahl mit unterschiedlichen Persönlichkeiten und schaffte es, Harmonie hineinzubringen. Mit 25 Spielern von solchem Kaliber zu arbeiten ist nicht einfach, schließlich können nur elf spielen. Aber dann führte er die Rotation ein, und in jedem Spiel gab es drei oder vier Änderungen. Jeder Spieler bekam seine Chancen. Er ist ein Trainer mit einem unglaublichen Taktikverständnis und ein wunderbarer Mensch.
Die Meinungen bei Felix Magath gehen da ja eher auseinander…
Magath war viel härter. Unter ihm war es wie beim Militär! (lacht)
Was ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?
Ich erinnere mich noch, wie wir im Training mit Medizinbällen trainieren mussten, laufen mussten, und zwar lange Strecken. Es war verrückt – aber für unsere Kondition war es großartig. (lacht)
2009 kam dann Klinsmann zum FC Bayern. Es war sein erstes Jahr als Vereinstrainer, eine unerwartete Entscheidung des Klubs. Wie war das für Sie als Spieler?
Ich muss sagen: Mir hat das sehr gut gefallen. Klinsmann hat ganz neue Methoden eingeführt, viele Ideen aus den USA. Die technischen und taktischen Aspekte waren ungewöhnlich und neu. Die Mannschaft war auf dem Feld dann auch viel dynamischer.
Die Bayern überraschten auch in diesem Sommer mit der Entscheidung für Hasan Salihamidzic als neuen Sportdirektor…
Er war die richtige Wahl. Sehen Sie: Er hat viele Jahre im Klub verbracht, er hat Titel gewonnen, er hat die nötige Nähe zum Verein, den „Stallgeruch“, und vor allem: er hat das Vertrauen des Präsidenten. Hasan ist ein echter Profi und wird den Verein mit allem unterstützen, was er hat.
Sie haben ja vier Jahre lang zusammen bei den Bayern gespielt…
Woran ich mich bei ihm sofort erinnere: Er war heißblütig und temperamentvoll. Ein Getriebener, der immer gewinnen wollte und nichts mehr hasste als Niederlagen. Eben ein echter Vollblutprofi, der immer alles gegeben hat. Hasan wird den Bayern mit seiner Mentalität auf jeden Fall helfen.
Verfolgen Sie sonst die Bundesliga noch regelmäßig?
Natürlich. Ich verfolge die komplette Saison. Hier in Brasilien laufen die Spiele auf zwei Kanälen. Ich schaue jedes Spiel, aber ich habe keinen Lieblingsklub.
Aber die Entwicklung bei Ihrem anderen Ex-Klub haben Sie sicher verfolgt. Was sagen Sie zur Situation beim HSV?
Hamburg hatte leider schon lange keine gute Saison mehr. Immer wieder stehen sie kurz vor dem Abstieg. Ich glaube, das Hauptproblem ist die schlechte Vereinsführung. Der Klub hat intern immer wieder Probleme und muss Turbulenzen überstehen. Das beeinflusst dann auch die Mannschaft in ihren Leistungen auf dem Feld.
Gibt es denn aktuell auch eine Mannschaft, die Ihnen besonders viel Freude bereitet?
Im letzten Jahr ist mir besonders RB Leipzig aufgefallen. Als Aufsteiger Zweiter zu werden, das war eine klasse Saison. Leipzig hat eine gute Vereinsstruktur und große Visionen. Für die Champions League haben sie sich gut verstärkt, sie haben meiner Ansicht nach alles, um mit den Großen mitzuhalten.
2002 haben Sie mit Bayer Leverkusen selbst das Champions-League-Finale erreicht. 1998 sind Sie zu Bayer in die Bundesliga gekommen. Was ist Ihnen aus Ihrem ersten Jahr in Erinnerung geblieben?
Oh, besonders der Winter! (lacht) Die Sprache! Die Spielweise! Mein erstes Jahr in Deutschland war extrem schwer! Auch das Training war ungewohnt.
Was hat es Ihnen so schwer gemacht?
Ein Beispiel: Ich ging an einem Spieler vorbei, und als nächstes fand ich mich auf dem Boden wieder – ich war ja immer ein Leichtgewicht. (lacht) Ich lag da, wartete auf eine Reaktion und hörte nur: „Weiterspielen!“ Das war das erste Wort, das ich auf Deutsch gelernt habe. (lacht)
Klingt ja nicht nach einem herzlichen Willkommen…
Ja, aber taktisch habe ich eine Menge gelernt. Defensiv und im Zweikampf bin ich viel besser geworden. Diese Zeit hat mich enorm weitergebracht. Ich habe meine Karriere auf der Außenbahn begonnen und spielte nun plötzlich in der Mitte. Sie sahen, dass ich außen sehr offensiv agierte, und zogen mich ins Zentrum.
Besonders Leverkusen galt damals als beliebte Adresse für brasilianische Spieler. Aktuell spielt Wendell bei Bayer, der FC Bayern war einst auch als Ziel für Neymar im Gespräch – würden Sie mit Ihrer Erfahrung Talenten in Ihrer Heimat den Sprung in die Bundesliga empfehlen?
Ja, auf jeden Fall! Die Struktur, die Mentalität – das kann einem jungen brasilianischen Spieler nur gut tun. Gleich auf mehreren Leveln: Professionell, sozial, kulturell. Ich habe zwölf Jahre in Deutschland gelebt und persönlich erfahren, wie dieses Umfeld verändert und beeinflusst. Man wächst menschlich.
Neymar ging stattdessen zum FC Barcelona, in diesem Sommer nun für 222 Millionen zu PSG…
Ich hätte ihn lieber länger beim FC Barcelona gesehen. Aber es war sein persönlicher Wunsch, er hat nun mal seine eigenen Ziele, und das muss man respektieren. Ich denke trotzdem, dass er weiter sehr erfolgreich sein wird.
Auch mit der brasilianischen Nationalmannschaft läuft es wieder, die WM-Quali ist längt geschafft. Was hat sich nach der WM-Enttäuschung 2014 verändert?
Mit Trainer Tite hat die Mannschaft wieder eine richtige Spielidee, ist organisiert, und ganz wichtig: Die erste Elf steht, und auch der zweite Anzug passt perfekt, es gibt keinen Qualitätsabfall. Die Seleção spielt wieder wie zu alten Zeiten und hat auch den Stolz der Fans wiederhergestellt.
Sie selbst spielen auch mit 43 Jahren noch wie zu besten Zeiten. Für das Saisonende haben Sie Ihr Karriereende angekündigt. Eine unumstößliche Entscheidung?
Es ist ziemlich wahrscheinlich. Aber ich möchte erst einmal die Saison beenden, mich mit meiner Familie zusammensetzen – und dann noch mal entscheiden…
Zum Abschluss vervollständigen Sie bitte folgende Sätze:
Meine fünf besten Mitspieler beim FC Bayern waren…
Aus meiner Zeit in München erinnere ich mich am liebsten an…
…die Jahre, als wir zwei Mal in Folge das Double aus Meisterschaft und Pokal gewonnen haben, ganz klar. Für den Klub war es ein großer Erfolg, und für mich ein echtes Highlight.
Das beste Team, in dem ich gespielt habe, war…
…die Mannschaft von Bayer Leverkusen, mit der wir 2002 das Champions-League-Finale erreicht haben.