Ex-1860-Star Nowak warnt Vorsicht BVB! Warschau ist jetzt ein anderes Team
In Polen sorgt derzeit ein Trainer für Furore, den in Deutschland kaum jemand auf dem Zettel hat. Dabei hatte Piotr Nowak zwischen 1994 und 1998 beim TSV 1860 München seine größte Zeit.
Er wurde zum besten Spielmacher der Bundesliga gewählt, außerdem zum Fußballer des Jahres in Polen und war Kapitän der polnischen Nationalmannschaft. Dann zog es ihn erst als Spieler, dann als Trainer nach Amerika. Nach 26 Jahren kehrte Nowak Anfang des Jahres nach Polen zurück und machte bei Lechia Danzig innerhalb kürzester Zeit aus einem Abstiegskandidaten das beste Team der polnischen Liga.
Vor dem Spiel zwischen Borussia Dortmund und Legia Warschau sprach der 52-jährige Nowak im Interview mit t-online.de über den polnischen Fußball, Robert Lewandowski und das Geheimnis seines Erfolges.
Das Interview führte Thomas Tamberg
Dortmund empfängt in der Champions League Legia Warschau. Das Hinspiel gewann das Team von Thomas Tuchel mit 6:0. Muss der polnische Meister eine zweistellige Niederlage fürchten?
Auf keinen Fall. Legia hat nach dem Trainerwechsel eine positive Entwicklung genommen. Sie konnten in den letzten beiden Champions-League-Spielen gegen Sporting Lissabon und Real Madrid (0:2 und 3:3, Anm. d. Red.) überzeugen und haben zuletzt in der Meisterschaft vier Siege in Folge geholt.
Dennoch dürfte Warschau aus dem Europapokal ausscheiden.
Nach dem Remis gegen Real Madrid ist die Hoffnung in Warschau zurückgekehrt. Sie wollen um den dritten Platz in der Gruppe kämpfen, der zum Einzug in die Europa League berechtigt. Legia strebt also einen Punktgewinn beim BVB an.
Was sagt die Teilnahme Legia Warschaus in der Königsklasse über den polnischen Fußball aus?
Ich bin nach 26 Jahren vor einigen Monaten nach Polen zurückgekehrt. Ich kann die enorme Entwicklung sehen und spüre eine neue Hoffnung für den polnischen Fußball. Mit Legia hat sich nach langer Zeit wieder ein polnisches Team für die Gruppenphase der Champions League qualifiziert. Die Nationalmannschaft kam bei der EM 2016 in Frankreich bis ins Viertelfinale und führt in der WM-Qualifikation ihre Gruppe an. Die verbesserte Infrastruktur und größere Professionalität in allen Bereichen macht auch die Spieler besser. Es ist zwar noch viel Luft nach oben, aber ich bin sicher, dass die positive Entwicklung des polnischen Fußballs unter dem Verband mit Präsident Zbigniew Boniek eher schneller als langsamer voranschreiten wird.
Ist die Champions League eine Nummer zu groß für polnische Fußballklubs?
Da polnische Mannschaften lange nicht in der Königsklasse dabei waren, haben die geringeren finanziellen Möglichkeiten, der daraus folgende Qualitätsunterschied der Spieler und die allgemeine Erfahrung, den polnischen Fußball in eine schwierige Situation manövriert. Aber der polnische Fußball entwickelt sich mittlerweile dahin, dass wir in jedem Jahr die Chance haben, einen Champions-League-Teilnehmer zu stellen.
Mit Robert Lewandowski hat Polen einen Superstar. Nahezu alle europäischen Spitzenklubs buhlen um seine Gunst. Bayern will mit ihm verlängern. Was raten Sie Lewandowski?
Robert Lewandowski ist als Spieler und Typ Weltklasse. Ich bin sicher, dass der FC Bayern alles tun wird, um ihn in München zu halten. Und wenn nicht, dann wird Robert mit Sicherheit einen Klub finden, wo er genauso erfolgreich sein wird, wie in München.
Wer könnte der nächste Lewandowski sein, der aus der polnischen Liga in Deutschland so für Furore sorgen kann?
Da gibt es eine Reihe junger Spieler, die unglaubliches Potenzial haben. Doch um Roberts Status zu erreichen, bedarf es einer Menge harter Arbeit. Es ist schwierig vorauszusehen, ob sie diese Professionalität entwickeln, die Lewandowski auszeichnet.
Sie haben Anfang des Jahres das Traineramt bei Lechia Danzig übernommen, da drohte der freie Fall in die 2. Liga. Jetzt sind sie Tabellenführer und peilen selbst die Champions League an. Wie ist dieser Erfolg zu erklären?
Ich habe hier eine Reihe Spieler vorgefunden, denen es an Selbstvertrauen, Optimismus und dem allgemeinen Antrieb gefehlt hat, etwas Größeres erreichen zu können. Ich habe die Spieler überzeugt, dass sie, unabhängig von der schwierigen Situation, eine viel höhere Qualität besitzen, als es der Tabellenstand ausgesagt. Anfangs hatten wir nur die Hoffnung, dass es so sein könnte. Doch nachdem sich die ersten Resultate eingestellt hatten, begannen wir es wirklich zu glauben. Jetzt sind wir sicher, dass wir mit unserem Potential, Optimismus und Erfolgshunger, große Dinge erreichen können. Wir sind eine große Familie geworden, die nur ein Ziel hat: Spiele gewinnen.
Sie verbrachten die letzten 20 Jahre fast ausschließlich auf dem amerikanischen Kontinent. Was war der Grund für Ihr Engagement in Danzig?
Ich habe in den USA als Spieler und Trainer viel erreicht. Als Spieler Meister mit Chicago Fire, als Trainer mit Washington DC United. Nach meiner Zeit als Assistenztrainer der Nationalmannschaft und Chefcoach des U23-Olympiateams war ich Technischer Direktor und Nationaltrainer von Antigua und Barbuda. Wir verbesserten uns von Platz 145 auf 70 in der FIFA-Weltrangliste. Es war der beste Platz in der Geschichte des Landes. Und es war der richtige Moment, etwas Anderes zu machen. Ich kenne Danzigs Präsidenten Adam Mandziara noch aus meiner Zeit als Spieler der Young Boys Bern in der Schweiz. Er versuchte mich bereits vor zwei Jahren zu holen. Jetzt hat es geklappt und ich bin sehr glücklich diesen Schritt getan zu haben.
Welchen Spielstil favorisieren Sie als Coach?
Ich bevorzuge eine offensive Variante des 3-5-2, damit war ich in Washington und bei Antigua & Barbuda erfolgreich. Das liegt wahrscheinlich an meiner Vergangenheit als Spieler. Es ist die Grundlage, um Visionen für alle anderen Spiel-Philosophien entwickeln zu können. In Danzig haben wir damit eine Basis für die Zukunft geschaffen. Wir spielen sehr offensiv und es braucht intelligente Spieler, die bereit sind, hart zu arbeiten. Sie müssen dieses System verinnerlichen und die Fähigkeit besitzen, je nach Spielstand taktische Veränderungen umzusetzen.
Als Spieler prägten Sie die erfolgreichste Ära beim TSV 1860 München in der Bundesliga. Der Klub kommt aus den Negativ-Schlagzeilen nicht heraus. Verfolgen Sie noch den Weg der Löwen?
Wie heißt es so schön in München: Einmal Löwe, immer Löwe. Natürlich verfolge ich meinen ehemaligen Klub. Und wie alle anderen früheren Löwen-Spieler hoffe ich sehr, dass der TSV 1860 irgendwann wieder in die Bundesliga aufsteigen wird. Denn dorthin gehört der Klub.
Welchen Stellenwert hat die Bundesliga im internationalen Vergleich?
Die Bundesliga ist in Sachen, Infrastruktur, Zuschauer-Interesse, Qualität der Spieler und der weltweiten Anerkennung eine der besten Ligen der Welt.
Sie waren ein Weltklasse-Spieler. Wollen sie auch als Trainer in diese Kategorie vorstoßen?
Als junger Spieler träumt man davon in den besten Stadien, der besten Ligen gegen die besten Gegner zu spielen. Dieser Traum ist für mich wahr geworden. Ich bin sehr dankbar, für das, was ich als Coach bisher erreicht habe. Aber natürlich wäre es gelogen, wenn ich behaupten würde, nicht davon zu träumen auch als Trainer soweit zu kommen, wie ich es auch als Spieler geschafft habe.