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Mattuschka über Union: "Dann können sie sogar Deutscher Meister werden"


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Vereinslegende Mattuschka über Union
"Dann können sie sogar Deutscher Meister werden"

  • Jannik Meyer
InterviewVon Jannik Meyer

Aktualisiert am 26.02.2023Lesedauer: 8 Min.
Union Berlin jubelt: Können die Außenseiter sich wirklich gegen Bayern und Dortmund durchsetzen?Vergrößern des Bildes
Union Berlin jubelt: Können die Außenseiter sich wirklich gegen Bayern und Dortmund durchsetzen? (Quelle: IMAGO/O.Behrendt)

Union Berlin ist das Bundesliga-Überraschungsteam der letzten Jahre. Vereinslegende Torsten Mattuschka ordnet den Höhenflug bei t-online ein.

Am Sonntagabend (17:30 Uhr) steht das Topspiel der Bundesliga an. Zu Gast beim FC Bayern in München ist aber nicht RB Leipzig oder Borussia Dortmund, sondern der 1. FC Union Berlin. Denn die "Eisernen" haben sich zu einem Spitzenteam der Liga und sogar einem Meisterschaftskandidaten gemausert.

Berlin reist als Tabellendritter zum Tabellenführer aus München. Allerdings stehen die Bayern nur aufgrund des besseren Torverhältnisses auf dem ersten Platz, auch Borussia Dortmund (Platz 2) und Union Berlin haben 43 Punkte. Mit einer solch positiven Entwicklung haben die wenigsten Fußballexperten nach dem Aufstieg von Union 2019 gerechnet.

Einer, der die Entwicklung des Klubs verfolgt, ist Vereinslegende Torsten Mattuschka. "Tusche" spielte von 2005 bis 2014 selbst für die Berliner. Mittlerweile ist er Vereinsbotschafter und Edelfan. Im Interview mit t-online spricht der 42-Jährige über die Entwicklung von Union Berlin, die Erfolgsgründe und auch über den Stadtrivalen Hertha BSC.

t-online: Herr Mattuschka, blicken wir mal fünf Jahre zurück: Im Mai 2018 wurde Union Berlin Achter der 2. Bundesliga. Was ist seitdem im Verein passiert?

Torsten Mattuschka: In den letzten Jahren wurde viel harte und ehrliche Arbeit geleistet. Die handelnden Personen machen einen überragenden Job – und das Gesamtpaket ergibt das Ergebnis, nach 21 Spieltagen Dritter in der Bundesliga zu sein. Die Entwicklung ist völlig irre, damit hätte 2018 kein Mensch gerechnet.

Müssen Sie sich manchmal noch kneifen, wenn Sie auf die Tabelle schauen?

Ich schüttele häufig den Kopf und denke mir: Das gibt’s doch gar nicht, irgendwann muss das doch mal vorbei sein. Aber diese Truppe ist so stabil und zieht das durch. Union hat einen klaren Plan, wie sie Fußball spielen wollen – und den setzen sie überragend um.

Kann Union dieses Jahr bis zum Saisonende um die Meisterschaft mitspielen?

Wenn wir weiterhin so spielen und kein Spiel verlieren, dann ja. Keiner hat Lust, gegen Union zu spielen. Wenn sie das aufrechterhalten, dann können sie sogar Deutscher Meister werden.

Leicester City hat als Underdog 2016 die englische Meisterschaft gewonnen.

Auch bei denen hat sich jeder gedacht: Die brechen bald ein und können kein Meister werden. Aber sie haben es durchgezogen.

Wie hoch schätzen Sie dann die Chancen ein, dass Union Berlin im Mai Deutscher Meister wird?

Die Mannschaft ist sehr stabil. Die Brust wird mit jedem Ergebnis breiter. Ob es am Ende für die Meisterschaft reicht, hängt von vielen Faktoren ab – wie die Doppel- oder Dreifachbelastung, Verletzungen, Sperren. Deswegen ist es schwierig, die Frage klar zu beantworten. Fakt ist: Schon der Einzug in die Champions League wäre der Oberknaller.

Die Champions League wäre auch finanziell lukrativ.

Das wäre ein Meilenstein für den Verein. Da könnten so viele Gelder generiert werden, mir kommt das bisher noch surreal vor. Die Königsklasse erreicht man normalerweise nicht mal beim Computerspiel Fußball-Manager mit Union (lacht). Wenn du am letzten Spiel gegen Bremen noch die Chance hast, Meister zu werden oder in die Champions League einzuziehen – dann würde die Alte Försterei toben.

In den vergangenen beiden Jahren landete Union in den Top 7 der Bundesliga. Wird der Verein es schaffen, dauerhaft in der Bundesliga zu spielen?

Aktuell gibt es Klubs wie Mönchengladbach oder Leverkusen, die unter ihren Möglichkeiten spielen. Die Vereine haben mehr finanziellen Spielraum und eine höhere Qualität im Kader. Von daher wird es schwer, sich dauerhaft in der Spitzengruppe zu etablieren. Für uns wäre es schon sensationell, noch zehn Jahre Bundesliga zu spielen.

Trainer Urs Fischer hat einen entscheidenden Anteil am Erfolg Unions. Was zeichnet ihn aus?

Er ist sehr empathisch. Die Spieler wissen genau, woran sie bei ihm sind. Was außerdem sehr gut ist: Fischer erstellt vor jedem Monat einen Plan. Die Jungs wissen genau, wann sie freihaben. Auch wenn es mal nicht gut läuft, hält er an den freien Tagen fest. Er bringt der Mannschaft viel Vertrauen entgegen. Und er hat einen klaren Plan von Fußball, das 3-5-2-Spielsystem ist perfektioniert. Fischer und sein Team leisten unfassbare Arbeit. Das ist ein brutaler Glücksgriff für Union Berlin.

Zweikampfstärke, Standards, Heimmacht – im Grunde spielt Union recht vorhersehbaren Fußball. Warum reicht das gegen so viele Teams der Liga?

Das ist eine Stärke von Union Berlin. Sie stehen immer kompakt und haben ein gutes Umschaltspiel. Viele andere Bundesligisten hätten in der Schlussphase gegen Schalke (0:0, Anm. d. Red.) aufgemacht und sich noch einen Konter gefangen – Union nicht, sie nehmen den Punkt mit. Deswegen finde ich es auch gut, dass bis vor zwei Wochen der Klassenerhalt das Saisonziel war. Viele meinten da, die müssen doch mal ein neues Ziel ausgeben. Aber nein, sie müssen gar nichts. Sie spielen Fußball, haben ihre Idee und drücken sie durch.

Die Champions League ist für Union nicht weit weg. Was muss am Kader im Sommer getan werden – sollte die Qualifikation gelingen –, um in der Königsklasse mitzuhalten?

Vorweg: Das dritte Mal hintereinander internationaler Fußball wäre völlig verrückt für Union. Die Arbeit kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Aber ich glaube nicht, dass die Kaderzusammenstellung so viel mit dem internationalen Wettbewerb, in dem man spielt, zu tun hat. Union rückt nicht von seinen Werten ab – und das ist auch gut so.

Das hat man auch beim geplatzten Winter-Transfer von Isco gesehen.

Er ist ein Superstar und auch ich habe mich auf ihn gefreut. Allerdings hat er so einen Fußball wie bei Union noch nicht gespielt. Die Aufmerksamkeit hätte voll bei ihm gelegen – und das kann in einer Mannschaft viel kaputtmachen. Von daher finde ich es gut, dass es nicht geklappt hat. Union ist eisern geblieben und hat sich dem Druck, den die Isco-Seite ausgeübt hat, nicht gefügt.

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Max Kruse, ein anderer Superstar, hat dem Kadergefüge aber auch nicht geschadet.

Richtig. Auch da hat Fischer es hinbekommen, ihn gut in die Mannschaft zu integrieren. Max ist ein geiler Typ, der natürlich außerhalb des Platzes einen anderen Lebensstil hat. Na und? Das ist sein Leben. Ich schaue doch auch nicht, was der Zeitungsredakteur nach der Arbeit macht. Das ist mir komplett egal. Entscheidend ist das, was der Mann auf den Platz bringt – und da hat er immer abgeliefert.

Zuletzt sagte Kruse, Union-Spieler würden sich auch zu sechst oder siebt zum Abendessen treffen. Bei anderen Klubs wäre das nicht üblich. Ist das ein Grund, weshalb sich neue Spieler schnell eingewöhnen und kaum ein Transfer floppt?

Jeder Spieler ist direkt ins Team integriert, egal wo er herkommt oder vorher gespielt hat. Diese Mischung ist typisch für Union Berlin. Wenn man so eine Mannschaft hat, freut man sich täglich aufs Training. Das ist wie auf der Arbeit: Hat man ein geiles Team, dann macht es Spaß, täglich hinzufahren. Ist das aber nicht so, dann hat man keine Lust und kann keine 100 % abrufen.

War die Teamchemie zu Ihrer aktiven Zeit ähnlich gut?

Auf jeden Fall. Wir haben viel zusammen gelacht, blödes Zeug erzählt und Mist gebaut. Aber bei den Trainingseinheiten haben wir Vollgas gegeben. So haben sich auch die Neuzugänge schnell wohlgefühlt. Schwierig wird es dann, wenn einer denkt, er sei etwas Besseres. Das war aber bei uns nie der Fall.

Die Union-Spieler gehen auch ab und zu was trinken.

Und das ist absolut richtig und gehört dazu! Das sind alles Menschen, die ihre Bedürfnisse haben. Wenn du heute als Spieler mit einem Cocktailglas gesehen wirst, heißt es direkt: "Wie kann er das machen?" Solche Leute sollen den Mund halten, auch Profi-Fußballer können mal ein Bier oder einen Cocktail trinken. Das ist Lebensqualität.

Ein Problem bei Union ist die Jugendarbeit. Warum kommt kein Jugendspieler bei den Profis auf Einsatzminuten?

Unions Problem ist, dass die zweite Mannschaft fehlt. Jugendspieler, die du verpflichten möchtest, sehen auch, dass die Durchlässigkeit zu den Profis sehr gering ist. Wenn es dann keine zweite Mannschaft gibt, fragen sich die Jungs, wo sie denn nach dem Jugendfußball spielen sollen. Für sie wäre eine zweite Mannschaft in der Regionalliga eine Chance, den Herrenfußball kennenzulernen. Es wird investiert ins Nachwuchsleistungszentrum – aber es wird dauern, bis die Jungs Profi-Fußball spielen können.

Liegt es denn auch daran, dass Trainer Fischer eher auf gestandene Bundesliga-Spieler setzt?

In den letzten Jahren ging es primär darum, die Liga zu halten. Da holst du erfahrene Spieler, die den Abstiegskampf kennen. Aber wenn ein junger Spieler gut genug ist, wird er auch auf Einsatzzeit in der Bundesliga kommen.

Blicken wir mal rüber zum Stadtkonkurrenten Hertha BSC. Die Hertha befindet sich im Abstiegskampf. Was hat Union dem Konkurrenten voraus?

Bei Hertha gab es in den letzten Jahren viel Unruhe um den Investor Lars Windhorst. Man hat nicht so gut überlegt wie Union, wen man da verpflichtet. Jetzt wird mit Kay Bernstein versucht, die Identifikation wieder zurückzugewinnen. Das finde ich gut. Da sehe ich eine Parallele zu Union Berlin. Auch Dirk Zingler war früher Union-Fan und hat 2004 übernommen, als der Verein am Boden lag. Vielleicht versucht Bernstein bei der Hertha Ähnliches.

Ein Problem im Umfeld von Hertha ist die Erwartungshaltung.

Richtig. Es geht darum, den Worst Case – den Abstieg in die 2. Bundesliga – zu vermeiden. Dessen muss sich jeder bewusst sein. Denn da wieder herauszukommen, ist nicht leicht, wie man am Beispiel des Hamburger SV seit fünf Jahren sieht. Hertha hat aus dem knappen Klassenerhalt in der Vorsaison nicht gelernt.

Steigt Hertha in dieser Saison ab?

Als Neustart wäre das nicht schlecht. Von mir aus sollen sie es aber schaffen, weil ich die Derbys mag. Das wird ein Kampf bis zum letzten Spieltag. Individuell ist Hertha gut. Aber die Mannschaft ist nicht gut zusammengestellt, da steht keine Einheit auf dem Platz. Die Qualität für den Klassenerhalt ist dennoch da.

Am Wochenende steigt das Bundesliga-Topspiel zwischen Bayern und dem FCU. Was ist der Fischer-Elf da zuzutrauen?

In dem Spiel kann alles passieren. Du musst hinten sicher stehen und lange die Null halten, denn für ein Gegentor sind die Bayern aktuell immer gut. Ein Nachteil ist, dass Union am Donnerstag in der Europa League spielt und Bayern in der Woche freihat. Aber: Wir fahren da als Dritter punktgleich mit den Bayern hin. Bayern hat deutlich mehr Druck als Union. Für uns geht es darum, das Spiel in der Allianz Arena zu genießen.

Bei den Bayern herrscht dicke Luft: die Niederlage in Gladbach, Upamecano-Rot, der Nagelsmann-Wutausbruch: Ist es ein guter Zeitpunkt für ein Spiel in München?

Natürlich sind sie gallig, besonders nach einer Niederlage. Vielleicht war es sogar ganz gut, dass Union nicht gegen Schalke gewonnen hat und somit nicht als Tabellenführer hinfährt – denn dann wären sie wohl noch giftiger. Klar ist aber auch: Bringt Bayern seine PS auf den Platz, gewinnen sie das Spiel. Dann hat keine Bundesliga-Mannschaft eine Chance. Aber es gibt auch Tage, da haben sie einen schlechteren Tag und die Gegner einen umso besseren – dann ist vieles möglich.

Was ist Ihr Tipp für das Spiel?

Ein 1:1-Unentschieden wäre super.

Verwendete Quellen
  • Telefongespräch mit Torsten Mattuschka
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