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Dann bist du falsch beim FC Bayern


Meinung
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CL-Aus und die Folgen
Dann bist du falsch beim FC Bayern

MeinungEine Kolumne von Stefan Effenberg

Aktualisiert am 21.04.2023Lesedauer: 6 Min.
Oliver Kahn: Wackelt der Stuhl des Vorstandsvorsitzenden des FC Bayern?Vergrößern des Bildes
Oliver Kahn: Wackelt der Stuhl des Vorstandsvorsitzenden vom FC Bayern? (Quelle: IMAGO/Moritz Mueller)

Der FC Bayern hat den zweiten Titel der Saison verspielt. Jetzt bleibt nur noch die Meisterschaft. Auf den Rekordmeister warten turbulente Wochen und Monate.

Der FC Bayern hat das Wunder verpasst und ist nach dem 1:1 gegen Manchester City raus aus der Champions League. Das Viertelfinale haben sie aber nicht gestern, sondern mit dem 0:3 in Manchester verloren. Es war nicht unmöglich, im Rückspiel noch die Wende zu schaffen. Aber wenn du solche Chancen hast, wie Leroy Sané zu Beginn des Spiels, dann musst du sie auch nutzen. Dann bringst du die Zuschauer endgültig hinter dich, die fantastisch waren und klare, wichtige Zeichen gesendet haben. Dazu jedoch später mehr.

Es ist am Ende das passiert, was nicht passieren durfte. Durch den vergebenen Elfmeter von Erling Haaland hatten die Bayern eigentlich einen großen psychologischen Vorteil, danach aber doch das Gegentor bekommen. Das ist nicht zum ersten Mal nach einem Patzer – oder in diesem Fall einem Ausrutscher – von Dayot Upamecano passiert.

Solche individuellen Fehler – wie schon im Hinspiel von Jamal Musiala und Joshua Kimmich beim 0:1 und Upamecano beim 0:2 und Alphonso Davies beim 0:3 – darfst du dir auf diesem Niveau einfach nicht erlauben. Dazu gehört auch die Wahl des richtigen Schuhwerks.

Bayern gehört nicht mehr zur europäischen Spitze

Nach dem Gegentor hat man an der Körpersprache der Spieler gesehen, dass sie resigniert waren und sich mit dem dritten Viertelfinalaus in Folge abgefunden hatten. ManCity war ein anderer Gegner als noch im vergangenen Jahr Villarreal. Die beiden für mich stärksten Teams treffen jetzt mit City und Real Madrid im Halbfinale aufeinander.

Die Bayern müssen erkennen, dass sie momentan nicht mehr zur absoluten europäischen Spitze dazugehören und diese Lücke jetzt wieder schnellstmöglich schließen müssen. City war speziell nach dem 0:3 eine zu hohe Hürde. Ihre Leichtigkeit, ihr Selbstverständnis, das Bayern-Gen und diese totale Überzeugung – all das ist Bayern ein bisschen abhandengekommen.

Bayern muss die 100-Millionen-Marke überschreiten

Ihre größte Baustelle ist offensichtlich: Bayern braucht vorne einen echten Neuner. Dafür muss man tief in die Tasche greifen. Aber daran darf es auf keinen Fall scheitern, auch wenn die Ablöse in einen sehr hohen Bereich geht und die 100-Millionen-Marke dabei überschritten werden muss. Sie müssen und werden trotzdem einen Topstürmer verpflichten.

Wenn Hasan Salihamidžić dagegenhält und sagt, dass man acht Offensivspieler mit dem Prädikat Weltklasse habe, dann ist das schön und gut. Aber eigentlich eine weitere Baustelle und vielleicht sogar ein Problem. Vielleicht sind acht Offensivspieler einfach zu viele. Das bringt immer Unzufriedenheit und Diskussionsstoff mit sich, wie zum Beispiel bei Thomas Müller, der in beiden Spielen gegen City nur von der Bank kam.

Und diesen dominanten Mittelstürmer, den Bayern immer hatte, der zur DNA und dem System dazugehörte, gibt es so weiterhin nicht mehr – Eric Maxim Choupo-Moting ist da zu wenig. Es muss jetzt absolute Priorität haben, sich da neu aufzustellen.

Spiele

Tel erinnert mich an Santa Cruz

Ich bin ein großer Fan von Frankfurts Randal Kolo Muani. Vergessen sollte man dabei aber auch den erst 17 Jahre alten Mathys Tel nicht, der mir nach seiner Einwechselung sehr gut gefallen hat. Er erinnert mich an Roque Santa Cruz. Auch er war keine richtige Nummer neun und kam mit 17 zu Bayern. Wir haben ihn dann an die Hand genommen und er hat sich weiterentwickelt. Tel ist der vielleicht talentierteste Angreifer in Europa. Er sollte die Möglichkeiten und mehr Spielzeit bekommen. Dann kann er zeigen, was wirklich in ihm steckt. Dafür wurde er gekauft.

Bei Sadio Mané waren wir im Sommer noch alle begeistert. Er galt als der perfekte Transfer, kam als großer Spieler, der schon alles gewonnen und dem Spiel des FC Liverpool unter Jürgen Klopp seinen Stempel aufgedrückt hat.

So richtig angekommen ist er in München aus verschiedensten Gründen aber noch nicht. Nach dem Kabinen-Eklat von Manchester stellt sich die Frage, ob er noch eine Zukunft beim Rekordmeister hat. Wenn nicht, hätte man ihn jetzt aber auch nicht mehr zurückholen müssen in den Kader. Deshalb kann man davon ausgehen, dass es mit ihm weitergehen wird – es sei denn, der Spieler selbst will gehen.

Auch Ryan Gravenberch und andere Spieler sind unzufrieden mit ihrer Rolle. Da müssen die Verantwortlichen offene und schonungslose Gespräche führen, um mit einem gesunden Kader in die neue Saison zu gehen. Es gilt, ihn in der Offensive ein bisschen zu verkleinern, um die Unruhe bei nur vier dort verfügbaren Plätzen nicht größer werden zu lassen. Das sind alles gestandene Spieler, die wissen wollen, wie es weitergeht.

Das sind die entscheidenden Personalien beim FC Bayern

Einen großen Umbruch braucht es jedoch nicht. Ich leide aber immer mit, wenn ich solche hochtalentierten Spieler wie Gravenberch oder Tel nur auf der Bank sitzen sehe. Für die Innenverteidigung hat Bayern bereits viel Geld in die Hand genommen. Die Frage ist, wie es da beispielsweise mit Lucas Hernández nach seinem Kreuzbandriss weitergeht. Was ist mit Manuel Neuer, kommt er noch mal zurück?

Thema Führungsspielerproblem: Das sehe ich nicht unbedingt, und habe da keine Sorgen. Joshua Kimmich kann das, Leon Goretzka ebenfalls, auch wenn er zuletzt nicht bei 100 Prozent war. Matthijs de Ligt wächst in diese Rolle immer mehr rein und ist schon zu einer festen Größe geworden.

Die Personalie Thomas Müller ist dagegen eine entscheidende. Mir tut es immer weh, wenn er nicht spielt. Auch wenn er mittlerweile 33 Jahre alt ist, gehört er für mich nach wie vor zu den Topoffensivkräften in Europa.

Er ist mit das Gesicht des FC Bayern. Die Frage ist allerdings, wie er mit seiner Rolle zurechtkommt und was seine Rolle ist? Es ist auch spannend, wie das bei Serge Gnabry aussieht. Diese Dinge darfst du nicht mit in eine neue Saison nehmen.

Die Fankritik sollten sie sich zu Herzen nehmen

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Die Fans in der Südkurve haben beim Spiel gegen Manchester auf einem Plakat geschrieben: "Ziele dürfen verfehlt werden – Werte des Vereins nicht! Führungspolitik hinterfragen!" Und damit deutliche Kritik geübt. Das dürfen und müssen sie auch tun, gerade wenn es um die Werte des Vereins geht. Das sollten und werden sich die Verantwortlichen zu Herzen nehmen und darüber nachdenken, um gewisse Fehler nicht mehr zu machen.

Auf einem anderen Banner stand: "Brazzo + Kahn – Helden von einst, Pfeifen von heute!" So was darfst du erst gar nicht an dich ranlassen. Ansonsten bist du falsch in dieser Position als Verantwortlicher und falsch beim FC Bayern. Aber über die Werte, für die der Klub steht, sollten sie nachdenken und diskutieren. Man muss sich selbst permanent hinterfragen. Das gilt auch für die Bosse bei Bayern und ist selbstverständlich, wenn du einen solchen Verein an der Spitze führst.

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Ich gehe trotzdem fest davon aus, dass Kahn und Salihamidžić auch in der kommenden Saison das Führungsduo bilden werden. Die Kritik der Fans und Experten müssen sie sich aber auch zu Herzen nehmen und ihr Handeln überdenken. Das sollte man nicht einfach so wegwischen. Ich bin mir sicher, dass sie das erkannt haben und selbstkritisch genug sind, zu wissen, dass sie auch nicht alles richtig gemacht haben.

Der Kader muss im nächsten Jahr besser und ausgewogener aufgestellt sein. Das muss die Lehre aus dieser Saison sein. Bei einem Champions-League-Aus ist es aber immer auch die Frage, wie es zustande gekommen ist.

Die Pokalpleite gegen Freiburg sollte allerdings nicht passieren – erst recht nicht nach den Niederlagen gegen Gladbach und Kiel in den beiden Vorjahren. Das ist eine Riesenenttäuschung.

Jetzt bleibt also nur noch die Meisterschaft, wofür sie hart kämpfen müssen. Vielleicht ist das aber auch gut so. Denn jetzt werden die Verantwortlichen viel erkennen, woraus sie ihre Erkenntnisse ziehen können. Die Mannschaft steht zum gefühlt ersten Mal seit zehn Jahren in der Meisterschaft am 29. Spieltag mal wieder unter Druck.

Da ist für Bayern unheimlich viel Zündstoff drin

Da siehst du die Charaktere, die sich dagegenstemmen. Das werden unheimlich lehrreiche Wochen für die Verantwortlichen, in denen sie viel erkennen werden – auch mit Blick auf die neue Saison und die dafür notwendigen Kaderveränderungen. Diese Situation ist perfekt für sie.

Die Meisterschaft hat jetzt die absolut höchste Priorität. Wenn die Bayern so spielen wie im Rückspiel gegen City, bin ich davon überzeugt, dass sie auch Meister werden. Sie haben aber mit Dortmund nach wie vor einen Gegner im Rücken, der nicht nachlässt. Die Frage ist, wie der BVB den Rückschlag mit dem 3:3 in Stuttgart jetzt psychologisch verkraften wird.

Wenn Bayern dagegen tatsächlich auch noch die Meisterschaft verlieren sollte, wird es sehr laut und eng in München. Ich werde mich zurücklehnen und das entspannt verfolgen. Aber für Bayern ist da unglaublich viel Zündstoff drin.

Trainer Thomas Tuchel geht für mich – trotz Champions-League-Aus – mit keinem Makel in die kommenden Wochen und Monate. Für ihn gilt es jetzt aber, die Meisterschaft nach München zu holen. Das Pokalduell mit Freiburg war erst sein zweites Spiel als Chefcoach, daran sollte man ihn nicht messen.

Tuchel wird jetzt an der Meisterschaft gemessen

An der Meisterschaft wird er aber schon gemessen, dafür hat er jetzt genügend Spiele Zeit. So richtig startet er dann in der neuen Saison als Bayern-Trainer durch – mit der Möglichkeit, gewisse Dinge mitzubestimmen und zu verändern.

Das Spiel in Mainz wird brutal schwierig nach so einem Match wie gegen ManCity. Der Ball liegt jetzt bei der Mannschaft. Kimmich sagte das ganz richtig: "Jetzt müssen wir auch liefern." Genau das ist jetzt die Pflicht der Spieler.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
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