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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Den Aufstieg vergeigt Der Hamburger SV: Die Chronologie des Scheiterns
Die 2:3-Niederlage in Osnabrück brachte Gewissheit: Der Hamburger SV verpasst auch im dritten Jahr in Folge den Aufstieg in die Bundesliga. Dabei ähneln sich die Muster. Ist der HSV unaufsteigbar?
Jahn Regensburg (Platz 14), der SV Sandhausen (Platz 15), der VfL Osnabrück (Platz 16) und die Würzburger Kickers (Platz 18): Diese vier Teams haben eines gemeinsam. Sie alle stecken oder steckten (im Fall der Würzburger, die bereits abgestiegen sind) im Abstiegskampf der 2. Liga.
Auf den zweiten Blick fällt dem geneigten Zweitligagucker eine weitere Gemeinsamkeit auf: Alle vier Klubs haben es in der aktuellen Spielzeit vollbracht, die vermeintliche Übermannschaft, den Hamburger SV, zu schlagen.
Dem VfL Osnabrück gelang dies am gestrigen Sonntag. Mit 3:2 schlug die Mannschaft von Coach Markus Feldhoff den ehemaligen Bundesliga-Dino – und beendete damit jegliche Aufstiegshoffnungen der Rothosen. Wieder einmal.
Auch der dritte Anlauf des einstigen Europapokalsiegers endete mit einer Enttäuschung. Seit dem Abstieg 2018 mühen sich die Elb-Kicker vergeblich um die Rückkehr in die Eliteklasse des deutschen Fußballs – und das verlässlich als Favorit.
HSV droht die schlechteste Platzierung der Vereinsgeschichte
Mit einem Gesamtmarktwert von 35,4 Millionen Euro stellte die Thioune-Elf zu Saisonbeginn den teuersten Kader der Liga, mit knappem Vorsprung vor Fortuna Düsseldorf (33,85 Millionen), jedoch einem großen vor Hannover 96 (25,53 Millionen). In der vergangenen Spielzeit lag der Wert noch bei 55,6 Millionen Euro (Platz 3), in der ersten Saison nach dem Abstieg bei satten 69,93 Millionen (Platz 2).
Geht man rein nach dem Marktwert des Teams, so hätte der HSV in jedem Jahr unter den Top 3 landen – und dementsprechend mindestens den Relegationsplatz erreichen müssen. Zwei Mal beendeten die Hamburger die Spielzeit auf dem undankbaren vierten Platz, in der aktuellen Spielzeit droht mit Platz 5 sogar die schlechteste Platzierung der Vereinsgeschichte.
Was sind die Gründe für das jährliche Scheitern des HSV an der Hürde Aufstieg? Allein: Wüssten es die Verantwortlichen beim HSV um Sportvorstand Jonas Boldt, der Klub wäre längst wieder erstklassig.
Die Erwartungshaltung ist immens beim HSV. Gut elf Jahre ist es nun her, dass der Traditionsklub das Finale der Europa League im heimischen Volkspark nur um ein Haar verpasste, als er erst im Halbfinale am FC Fulham scheiterte. Von internationaler Bühne ist schon lange keine Rede mehr beim HSV, zudem sind die finanziellen Mittel des Vereins schon seit Langem knapp. Corona und die fehlenden Zuschauereinnahmen durch die Geisterspiele machten die Lage nicht besser – auch nicht das Präsidiumsbeben im Februar.
Dennoch wähnte sich der Hamburger SV in allen drei Spielzeiten seit dem Abstieg 2018 auf dem vermeintlich richtigen Weg. Die Bilanz der Hinrunden gab Trainer, Spieler wie Manager recht – und doch reichte es am Ende eben nicht. "Beim HSV schwingt immer die Angst vor dem nächsten Tiefschlag mit", hatte Boldts Vorgänger Ralf Becker vergangenes Jahr t-online erzählt.
Ein wiederkehrendes Muster
"Die Enttäuschungen der vergangenen Jahre nehme ich als Antrieb", entgegnete Daniel Thioune, der das Traineramt zu Beginn der Spielzeit 2019/2020 übernahm, noch Anfang April im Interview mit t-online. Fünf Spiele, drei Remis und zwei Niederlagen später sollten Thiounes Tage beim HSV gezählt gewesen sein.
Trotz der angespannten finanziellen Lage, sowie der Fluktuation in und um das Profiteam in den vergangenen Jahren, dürfte der entscheidende Aspekt des Scheiterns der mentale sein. Zu ähnlich offenbarte sich der Ablauf der vergangenen drei Jahre. Eine Chronologie, eingeteilt in jeweils drei Abschnitte – mit wiederkehrendem Muster.
Saison 2018/2019:
1. Die gute Hinrunde:
Der HSV startet in das erste Zweitligajahr seiner Geschichte. Trotz des denkbar schlechten Starts am 1. Spieltag (0:3 zu Hause gegen Kiel) stabilisiert sich die Mannschaft und pirscht sich an die Spitzengruppe heran. Dennoch hält sich die Skepsis in der Führungsetage, Abstiegstrainer Christian Titz ist angezählt – und wird Ende Oktober durch Hannes Wolf ersetzt. Wolf festigt die Mannschaft und führt sie mit starken 37 Punkten zur Herbstmeisterschaft.
2. Die Wende:
Der HSV untermauert auch im neuen Jahr seine Aufstiegsambitionen, spielt nicht schön, aber effektiv – und ist voll auf Kurs Bundesliga. Der vorläufige Höhepunkt ist ein 4:0-Auswärtssieg beim FC St. Pauli. Er weckt Hoffnungen, die sich als trügerisch herausstellen sollten: Die Hamburger gewinnen keine der folgenden acht Ligapartien. Dabei hätte schon ein einzelner Dreier den sicheren Aufstieg bedeutet.
3. Das Ende:
Der HSV geht am 33. Spieltag mit 1:4 beim SC Paderborn unter, aufgrund des deutlich schlechteren Torverhältnisses hat das Team keine Chance mehr auf die Relegation, belegt in der Rückrundentabelle einen desaströsen 15. Platz. Wolfs frühes Ende an der Elbe ist beschlossen, wenig später muss auch Sportvorstand Becker gehen. Mit Jonas Boldt und Star-Trainer Dieter Hecking soll nun im zweiten Jahr die Rückkehr ins Oberhaus gelingen.
Saison 2019/2020:
1. Die gute Hinrunde:
Die Hecking-Elf holt in der Hinrunde zwar weniger Punkte als unter Titz/Wolf in der Vorsaison, der personelle Umbruch macht sich bemerkbar. Dennoch beenden die Rothosen erste Saisonhälfte auf einem direkten Aufstiegsplatz, befinden sich im Soll.
2. Die Wende:
Am 28. Spieltag gastiert die Hecking-Elf zum Topspiel beim VfB Stuttgart, gestaltet dieses zunächst positiv, führt zur Halbzeit mit 2:0. Zu diesem Zeitpunkt hat der Nordklub vier Punkte Vorsprung auf die Schwaben auf dem Relegationsplatz, bei deutlich besserem Torverhältnis. Doch der HSV bricht ein, verliert die Partie in letzter Sekunde noch mit 2:3 – und muss Konkurrent Stuttgart auf zwei Zähler vorbeiziehen lassen. Ein Tiefschlag im Sechs-Punkte-Spiel, der die Hecking-Elf den Aufstieg kostet. In den verbleibenden sechs Saisonspielen holt der HSV nur noch acht Punkte.
3. Das Ende:
Am 33. Spieltag verliert der HSV, erneut in letzter Sekunde, mit 1:2 in Heidenheim. Der HSV kann nicht mehr direkt aufsteigen. Am 34. Spieltag reicht ein Remis, um die Relegation gegen Werder Bremen zu erreichen, doch die Mannschaft implodiert. Mit 1:5 geht die Hecking-Elf gegen Sandhausen unter und beendet die Saison auf Platz 4. Dieter Heckings Mission ist gescheitert.
Saison 2020/2021:
1. Die gute Hinrunde:
Anstelle eines erfahrenen Haudegens setzt der HSV mit Daniel Thioune auf einen jungen, unverbrauchten Trainer – und startet mit fünf Siegen in fünf Partien phänomenal in die Saison. Auch von einer kleineren Durststrecke mit fünf Spielen ohne Sieg lässt sich der Aufstiegsaspirant nicht verunsichern und fährt aus den letzten sieben Hinrundenspielen sechs Siege und ein Remis ein. Der Lohn: Die Herbstmeisterschaft mit vier Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz und die Hoffnung, endlich den Sprung ins Oberhaus zu schaffen.
2. Die Wende:
Auch wenn der HSV immer wieder Probleme mit Topteams hat, festigt er mit zwei überzeugenden Siegen gegen Spitzenreiter Bochum sowie den 1. FC Heidenheim den direkten Aufstiegsplatz – und geht Ende März positiv in die Länderspielpause. Es folgt die Sieglosserie von fünf Spielen, die Thioune seinen Job kostet. Horst Hrubesch, bislang zuständig für den Nachwuchs, übernimmt für den Rest der Saison.
3. Das Ende:
Auf Hrubeschs furiosen 5:2-Heimerfolg zum Debüt gegen Nürnberg folgt die Ernüchterung. Das 2:3 in Osnabrück, erneut am 33.Spieltag, beendet jegliche Aufstiegshoffnungen. Der HSV bleibt zweitklassig.
"Natürlich tut es weh. Aber eins müssen wir ganz klar sagen: Wir hatten es auch nicht verdient", bilanziert Hrubesch, der als Direktor ins Nachwuchsleistungszentrum zurückkehren wird, nach der abermaligen Enttäuschung.
Und Sportvorstand Boldt? Der traut sich den erneuten Anlauf zu: "Es wird ein steiniger Weg, auf dem will ich vorangehen", sagte er. Die Rückendeckung habe er. "Ich habe nie etwas anderes gespürt", verkündet er noch am Sonntag. Man kann ihm nur alles Gute wünschen.
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