Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Brief an den Ex-Dino "Lieber HSV, so leide ich seit Jahren unter deinem Versagen"
Der Bundesliga-Dino ist tatsächlich abgestiegen. Die Fans leiden aber nicht erst seit diesem Wochenende. t-online.de-Redakteurin Ani Palyan hat ihre Gefühle in einem Brief an den HSV verarbeitet.
Lieber HSV,
erst einmal vorneweg: Mit den Chaoten, die dein vorerst letztes Bundesligaspiel an den Rand des Abbruchs brachten, habe ich nichts zu tun – genau wie 99 Prozent deiner Fans. Findet die Schuldigen und lasst sie nie wieder ins Stadion! Doch das traurige Finale ist nur das Ende einer jahrelangen Entwicklung.
Schon in der Grundschule habe ich bei Schulausflügen "HSV Forever" im Bus gegrölt.
In der Van-der-Vaart-Ära hatten wir noch ab und zu etwas zu feiern.
Ich gebe zu: Gestern habe ich das ein oder andere Tränchen vergossen.
Dein Versagen hat drastische Ausmaße angenommen: Dank dir musste ich mir schon die ganze Saison in der Redaktion abfällige Kommentare von Braunschweig- und Bochum-Fans anhören. Alles, was ich entgegnen konnte, war: "Ruhe auf den Zweitliga-Plätzen!" Jetzt ist mein einziges, schwaches Argument weg.
Du warst der Bundesliga-Dino und wurdest trotzdem seit Jahren wie eine Witzfigur behandelt. Logisch: Selbst Investoren und Vereinslegenden haben mit abfälligen Bemerkungen immer wieder Salz in die Wunden gestreut. Mich hat das alles traurig und wütend zugleich gemacht.
Oft haben mir meine Kollegen gesagt, dass dir ein Abstieg gut tun würde: Er habe schon vielen Vereinen dazu verholfen, sich komplett neu aufzustellen und so eine neue Kraft zu entwickeln. Ich wollte es nicht glauben – auch aus Angst, dass du deinen Antrieb komplett verlierst und jahrelang in der zweiten Liga herumdümpelst.
Offen gesagt: Die Uhr im Volkspark-Stadion war in den vergangenen Jahren der ganze Stolz deiner Fans. Als waschechte Hamburgerin habe ich mich verzweifelt daran geklammert. Auch das ist jetzt vorbei.
Was geht eigentlich in deinem Kopf vor? Nach jedem überstandenem Abstiegskampf hast du gejubelt, als ob die gesamte Saison super war. Das Traurige ist: Ich habe immer mitgejubelt. Im Jahr darauf wurde es meist noch schlimmer. Jetzt kann es nicht mehr schlimmer werden. Oder doch?
Es war schwer zu ertragen. Vor jedem Spiel gegen den FC Bayern konnte man deine Nervosität förmlich riechen – optimistisch und mit vollem Einsatz gegen den Angstgegner zu kicken, war gar keine Option mehr. Dabei warst du noch vor zehn Jahren nur einige Plätze hinter dem Rekordmeister. Jetzt trennt dich eine Liga von ihm.
Du hattest doch die nötigen Talente, um endlich mal Erfolg zu haben: Holtby, Kostic oder auch Arp. Kostic und Holtby sind die Torschützen in den letzten Spielen gewesen – sie haben ihr Talent aber erst genutzt, als es ums Überleben ging. Viel zu wenige Spieler haben sich direkt gewehrt. “Papa” gilt als temperamentvoll und aggressiv – er hat wenigstens Emotionen gezeigt und die Entwicklung nicht schweigend hingenommen. Ihm sah man an, dass er für die Mannschaft gekämpft hat und mit vollem Körpereinsatz dabei war. Er blieb zu lange die Ausnahme.
Der große Hoffnungsschimmer heißt nun Christian Titz und ist der aktuelle Trainer.
Doch er allein wird nicht reichen. Die letzten Jahre in der Bundesliga haben bewiesen: Es muss sich vieles ändern.
Als langjähriger Fan wünsche ich mir jetzt nichts mehr, als endlich wieder stolz auf dich sein zu können. Und ich denke, so geht es deinen zahlreichen Anhängern auch, die schon das Stadion gefüllt haben als ich noch nicht einmal in Planung war. Ich möchte wieder “HSV Forever” grölen können, ohne belächelt zu werden.
Ich habe genug davon, unter deinen schlechten Leistungen zu leiden. Du bist jetzt in der Pflicht, den sofortigen Wiederaufstieg zu schaffen und dafür zu sorgen. Die Uhr tickt.
Deine Ani