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Angst vor Atomkrieg: Berliner Mutter plant Flucht – doch Experte beruhigt


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Berliner Mutter plant bereits Flucht
Atomangst unbegründet? Experte schätzt die Lage ein


Aktualisiert am 04.03.2022Lesedauer: 4 Min.
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Ukraine-Krieg: Russlands Präsident Wladimir Putin versetzt die Streitkräfte des Landes in Alarmbereitschaft. Darunter sind auch Atomwaffen. (Quelle: t-online)
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Putin hat die Abschreckungskräfte in Kampfbereitschaft versetzt. Viele fürchten nun einen Atomanschlag, eine Berliner Mutter hat schon die Koffer gepackt. Wie schätzen Experten die Lage ein? Und wie sollte man sich im Ernstfall verhalten?

Russlands Präsident Wladimir Putin hat in einem im Fernsehen übertragenen Gespräch mit hochrangigen Militärvertretern erklärt, die Abschreckungskräfte der russischen Armee in besondere Kampfbereitschaft zu versetzen. Diese umfassen auch Atomwaffen. Eine unglaubliche Drohung des Kremlchefs.

"Sobald ich so eine Meldung sehe, wird mir schlecht, ich muss mich fast übergeben und habe das Gefühl, ich muss sofort die Kinder nehmen und fliehen", sagt Luana (Name von der Redaktion geändert) im Gespräch mit t-online. Die 41-Jährige möchte anonym bleiben, lebt mit ihrem Mann und ihren neun Monate und fünf Jahre alten Söhnen in Berlin.

Sie arbeitet als Managerin im IT-Bereich und hat große Angst vor einer atomaren Katastrophe. Sorgen machen ihr mögliche Atomangriffe auf die Ukraine oder der weitere Beschuss von dort gelegenen Lagern für radioaktive Abfälle oder Atomkraftwerken. "Ich traue Putin alles zu, auch einen Atomschlag auf Berlin", sagt Luana.

Berlinerin packt Notfallkoffer

Experten gehen zwar aktuell nicht von einem Einsatz nuklearer Waffen durch Russland aus. Aber dadurch lässt sich Luana, die als Kind über ihre Familie bereits den Kosovo-Krieg miterlebte, nicht beruhigen: "Warum sollte nach zwei Jahren Pandemie nicht auch noch jemand so verrückt sein und auf den Atomknopf drücken?"

Seit russische Truppen in die Ukraine einmarschiert sind, lebt die Mutter in ständiger Sorge – vielen ihrer Freundinnen gehe es ähnlich. Luana hat bereits Notfallkoffer für ihre Kinder gepackt, das Auto ist vollgetankt.

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Von solchen Ängsten kann auch der Sicherheitsexperte Dr. Liviu Horovitz berichten. Allein am Mittwoch habe er mit mehreren Personen telefoniert, die sich vor einem Atomkrieg fürchten, erzählt er im Gespräch mit t-online.

Dr. Liviu Horovitz: Von einem Atomkrieg sind wir sehr weit entfernt, meint der Wissenschaftler.
Dr. Liviu Horovitz: Von einem Atomkrieg sind wir sehr weit entfernt, meint der Wissenschaftler. (Quelle: Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit)

Dr. Liviu Horovitz ist Wissenschaftler am Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Seine Forschungsgebiete sind Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Seit 2021 ist er Teil der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik im Projekt Strategic Threat Analysis and Nuclear (Dis-)Order.

Doch wie gut ist eine Stadt wie Berlin auf einen möglichen Atomangriff vorbereitet?

Eine Anfrage vom 28. Februar ließ die Berliner Innenverwaltung bislang unbeantwortet. t-online wollte unter anderem wissen:

  • Bereitet sich der Berliner Katastrophenschutz derzeit im Speziellen auf eine mögliche atomare Bedrohung vor?
  • Wenn ja, welche Maßnahmen und Vorbereitungen werden derzeit getroffen?
  • Wie sollten sich Berliner im Fall eines Atomanschlags verhalten? Welche Maßnahmen empfehlen Sie?
  • Wo können Berliner im Falle eines militärischen Angriffs, insbesondere bei einer atomaren Bedrohung, Schutz finden?

Sollte Putin tatsächlich zu Atomwaffen greifen, könne man sich in Europa ohnehin nirgends mehr sicher fühlen, glaubt Luana. "Dann müsste man richtig weit weg, runter vom Kontinent." Ihre Schwägerin lebt in Hawaii – ein mögliches Fluchtziel für die Familie.

Experte: "Von einer solchen Eskalation sind wir sehr weit entfernt"

Dass es zu einem Atomkrieg kommen könnte, hält Dr. Horovitz wie zahlreiche Experten allerdings für sehr unwahrscheinlich. "Von einer solchen Eskalation sind wir sehr weit entfernt", meint er. Doch selbst wenn es entgegen aller Erwartungen zum Einsatz von Atomwaffen kommen sollte, würden diese nicht die Städte treffen. Ziel wären etwa eher gegnerische Waffen, so der Experte.

Auch das Bundesinnenministerium geht aktuell nicht von einer atomaren Bedrohung in Deutschland aus, wie es auf Anfrage von t-online mitteilte. Die Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine würden zwar aufmerksam beobachtet, heißt es, Handlungsbedarf für die Bevölkerung bestehe derzeit aber nicht.

Dennoch gibt das Bundesamt für Katastrophenschutz (BBK) auf seiner Webseite Verhaltenstipps für den sehr unwahrscheinlichen Fall, dass es doch zu einer Gefahr durch radioaktive Stoffe komme. Öffentliche Schutzräume wie zum Beispiel Luftschutzbunker gibt es in Deutschland zwar nicht mehr. Vorhandene Gebäude könnten aber einen guten Schutz vor fliegenden Objekten und auch vor "Kontamination mit chemischen oder nuklearen Stoffen" bieten, heißt es.

Bundesbehörde gibt Verhaltenstipps

Im Fall eines Angriffs sollten sich die Menschen nach Möglichkeit in einen innenliegenden Raum mit möglichst wenigen Außenwänden, Türen und Fenstern zurückziehen. Fenster und Türen sollten geschlossen und Ventilatoren und Klimaanlagen abgeschaltet werden. Außerdem sollten Lüftungsschlitze der Fensterrahmen geschlossen werden. Wenn radioaktive Stoffe freigesetzt würden, sei es am besten, einen Kellerraum aufzusuchen. Auch auf Kerzen sollte man in diesem Fall verzichten, um nicht unnötig Sauerstoff zu verbrauchen.

Wer draußen unterwegs ist, soll ein Gebäude mit Innenräumen oder am besten ein unterirdisches Gebäudeteil wie zum Beispiel eine U-Bahnstation aufsuchen. Dabei wird empfohlen, sich quer zur Windrichtung zu bewegen und durch eine Maske oder "zumindest durch ein Taschentuch" zu atmen. Das gilt auch für Menschen, die im Auto unterwegs sind. Sie sollten die Belüftung ausschalten, Fenster schließen und das nächste geschlossene Gebäude aufsuchen, so das BBK weiter.

Generell sollten die Menschen in einem solchen Fall die Durchsagen von Behörden und Einsatzkräften beachten. Dazu können das Radio, der Fernseher oder das Smartphone mit der Warn-App Nina genutzt werden.

"Sobald sich die Lage verschärft, bin ich die Erste, die im Flieger sitzt"

Um es jedoch gar nicht erst zu einer solchen Gefahr kommen zu lassen, hat auch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) die Entwicklungen in der Ukraine und das Verhalten des russischen Militärs im Blick. Wie die Behörde auf ihrer Webseite mitteilt, wurden bislang in Charkiw sowie in der ukrainischen Hauptstadt Kiew zwei Lager für radioaktive Abfälle getroffen. Russische Truppen hätten bereits am vergangenen Donnerstag die Sperrzone um Tschernobyl besetzt.

Laut dem ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk nahmen russische Truppen zudem Europas größtes Atomkraftwerk Saporischschja ein. Hier war nach dem Beschuss ein Feuer ausgebrochen, das inzwischen aber wieder gelöscht ist. Mehr dazu lesen Sie hier.

Aufgrund der Kämpfe in der Ukraine seien zu den Vorfällen derzeit nur wenige Informationen zu bekommen und diese dann wiederum schwer zu überprüfen, so das BfS. Dennoch beruhigt auch die Behörde: "Radiologische Auswirkungen auf Deutschland sind nach dem Stand der verfügbaren Informationen nicht zu befürchten."

Momentan halten der Job ihres Mannes und anstehende Kindergeburtstage ihres Sohnes Luana noch von ihren Fluchtplänen ab. Aber: "Sobald sich die Lage weiter verschärft, bin ich wahrscheinlich die Erste, die im Flieger sitzt."

Hinweis: Luana möchte anonym bleiben. Der volle Name ist t-online bekannt.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Luana
  • Telefonat mit Dr. Liviu Horovitz
  • Anfrage Bundesministerium des Innen und für Heimat
  • Anfrage Berliner Innenverwaltung
  • Webseite des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe
  • Bundesamt für Strahlenschutz: Mitteilung vom 4. März
  • Eigene Recherche
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