Brand nach Beschuss gelöscht Russische Armee besetzt Europas größtes Atomkraftwerk
Das russische Militär hat offenbar das Kernkraftwerk Saporischschja angegriffen. Ukrainische Behörden berichten von einem Brand nahe des Akw und warnen vor einer Katastrophe. Radioaktive Strahlung soll nicht ausgetreten sein.
Bei Russlands Krieg gegen die Ukraine soll auch die Anlage von Europas größtem Atomkraftwerk in der Nähe der Großstadt Saporischschja beschossen worden sein. Dabei geriet den ukrainischen Behörden zufolge ein Trainingsgebäude nahe der Anlage des Akw in Brand. Das Feuer sei gegen 6.20 Uhr (Ortszeit) unter Kontrolle gebracht worden.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einem gezielten Beschuss durch russische Panzer. "Europa muss jetzt aufwachen", sagte er in einer am Freitag bei Telegram veröffentlichten Videobotschaft.
Selenskyj erinnerte auch an die Atomkatastrophe in Tschernobyl 1986. "Gerade jetzt beschießen russische Panzer die Reaktorblöcke", teilte er mit. Die Ukraine forderte die Schließung des Luftraums. "Das sind mit Wärmebildkameras ausgestattete Panzer. Das heißt, sie wissen, wohin sie schießen, sie haben sich darauf vorbereitet", sagte der Staatschef. Unabhängig überprüfen ließen sich diese Aussagen zunächst nicht.
Auf einem Video von der Anlage im Südosten der ukrainischen Hauptstadt Kiew, das auch in den sozialen Medien verbreitet wurde, sind Rauch und Flammen zu sehen. Nachrichtenagenturen konnten die Situation rund um Saporischschja und die Schwere des Brands zunächst nicht unabhängig verifizieren.
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Strahlungssicherheit laut Behörden gewährleistet
Die russische Nachrichtenagentur RIA berichtete unter Berufung auf einen Sprecher des Kraftwerks, die Werte zur radioaktiven Strahlung hätten sich nicht verändert. US-Energieministerin Jennifer Granholm bestätigte dies. Die Reaktoren seien durch eine robuste Schutzhülle gesichert und würden heruntergefahren, schrieb sie auf Twitter.
Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien teilte mit, das Feuer auf dem Gelände des Kernkraftwerks habe keine "wesentliche" Ausrüstung betroffen, das Kraftwerkspersonal ergreife Maßnahmen zur Schadensbegrenzung.
Warnungen vor einer Katastrophe
IAEA-Chef Rafael Grossi hatte in der Nacht mit dem ukrainischen Regierungschef Denys Schmyhal über die "ernste Situation" gesprochen. Die Behörde rief zur Einstellung der Gewalt auf und warnte vor "ernsthaften Gefahren, wenn Reaktoren getroffen werden".
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Die Ukraine forderte ein sofortiges Ende der Angriffe auf das Atomkraftwerk. "Wenn es explodiert, wird das zehnmal größer sein als Tschernobyl! Russen müssen sofort das Feuer einstellen", schrieb der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba in der Nacht zum Freitag auf Twitter.
In der Ukraine gibt es mehrere atomare Anlagen. Im Atomkraftwerk Tschernobyl war es am 26. April 1986 zu einer der schlimmsten Katastrophen bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie gekommen. Nach der Explosion eines Reaktorblocks des Atomkraftwerks verteilten sich radioaktive Stoffe über mehrere Tage über weite Teile Europas.
Das Kraftwerk Saporischschja ist mit seinen sechs Reaktorblöcken das leistungsstärkste der EU und generiert etwa ein Viertel der Stromerzeugung der Ukraine.
Washington und London fordern Ende der Kämpfe
US-Präsident Joe Biden forderte Russland nach einem Telefonat mit Selenskyj auf, seine militärischen Aktivitäten in dem Gebiet um das Akw einzustellen. Die russische Armee müsse Feuerwehrleuten und Rettungskräften den Zugang zu dem Gelände ermöglichen, so Biden. Der britische Premier Boris Johnson teilte mit, seine Regierung habe eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats gefordert.
Die Gefechte müssten aus Sicherheitsgründen sofort eingestellt werden, forderte der Bürgermeister der Stadt Enerhodar, Dmytro Orlow, per Nachrichtendienst Telegram. In der Stadt steht das nach der 50 Kilometer entfernten Metropole Saporischschja benannte Akw. Orlow hatte zuvor über etwa 100 russische Militärfahrzeuge in dem Gebiet berichtet. Die Angaben waren zunächst nicht unabhängig zu überprüfen.
Russland behauptet, es wolle Atomanlagen "schützen"
Moskau hatte die IAEA informiert, dass russische Einheiten das Gebiet um das Atomkraftwerk Saporischschja unter ihre Kontrolle gebracht haben. Aus Sicht der IAEA steht somit auch die Anlage selbst unter russischer Kontrolle, obwohl der Betrieb durch ukrainische Mitarbeiter und unter der Aufsicht von Behörden in Kiew fortgeführt wird.
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Russlands militärische Einnahme von ukrainischen Atomanlagen ist vom Lenkungsgremium der IAEA verurteilt worden. Eine entsprechende Resolution des IAEA-Gouverneursrates wurde laut Diplomaten nur von Russland und China abgelehnt. Das Risiko für einen Atomunfall mit internationalen Auswirkungen habe sich im Zuge der russischen Invasion deutlich erhöht, hieß es in der Resolution.
Die IAEA-Resolution beruhe auf Lügen, sagte der russische Botschafter Michail Uljanow, der Russland bei den internationalen Organisationen in Wien vertritt, zu Journalisten. Russische Kräfte hätten bei Atomanlagen nie Gewalt angewendet, sondern würden diese nur schützen. "Sie greifen nicht in den Betrieb der Nuklearanlagen ein", sagte er.
- Nachrichtenagenturen afp, Reuters und dpa
- Eigene Recherchen