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Berlin-Wahl I CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner im Interview: "So riskiert man Menschenleben"


Interview
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CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner
"Giffey wollte diese Informationen verschweigen"


Aktualisiert am 09.02.2023Lesedauer: 9 Min.
Kai Wegner in der t-online-Redaktion: Er will neuer Regierender Bürgermeister von Berlin werden.Vergrößern des Bildes
Kai Wegner in der t-online-Redaktion: Er will neuer Regierender Bürgermeister von Berlin werden. (Quelle: Axel Krüger/t-online)
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Im Interview spricht CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner über die Silvesternacht, kritisiert die Verkehrspolitik der Grünen und erklärt, weshalb er Lehrerinnen mit Kopftuch ablehnt.

Am 12. Februar wird in Berlin die Abgeordnetenhauswahl wiederholt. Derzeit regiert Rot-Grün-Rot in der Hauptstadt. In Umfragen führt aber die CDU. Ein Gespräch mit Kai Wegner, der Regierender Bürgermeister Berlins werden will.

t-online: Herr Wegner, Sie sind in einer paradoxen Situation. In Umfragen führen Sie stabil, die aktuelle Koalition könnte nach derzeitigem Stand aber auch weitermachen. Welche Koalition streben Sie an?

Kai Wegner: Es geht mir um einen echten Wechsel in Berlin. Wer will, dass in Berlin Rot-Grün-Rot weitermacht, kann andere Parteien wählen. Wer will, dass sich in Berlin etwas zum Besseren ändert, muss diesmal CDU wählen – auch wenn es das erste Mal ist. Deshalb führe ich auch keinen Koalitionswahlkampf. Was ich klar sagen kann: Mit mir wird es keine Koalition mit der Linken und erst recht nicht mit der AfD geben. Eine Zusammenarbeit mit diesen Grünen kann ich mir nur sehr schwer vorstellen. Dafür müssten sie gerade auch bei ihrer Politik gegen Autofahrer ganz schön zurückrudern.

Also mit der SPD, ja?

Die Frage ist, ob die SPD bereit ist, einzugestehen, dass es so, wie es ist, nicht weitergehen kann. Wenn die Sozialdemokraten glauben, alles bleibt, wie es ist und sie regieren jetzt mal eben dreieinhalb Jahre in anderer Konstellation weiter, mache ich das nicht mit. Wir müssen die Stadt modernisieren, damit sie funktioniert.

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Sie stellen Forderungen an die anderen Parteien. Sollte die SPD auf dem zweiten Platz landen, müssten Sie doch Franziska Giffey etwas anbieten, damit sie nicht mit der derzeitigen Koalition weitermacht und Regierende bleibt.

Wenn die CDU mit klarem Vorsprung gewinnt, ist das ein klarer Regierungsauftrag der Wählerinnen und Wähler. Ich kann mir nicht vorstellen, dass demokratische Parteien den Wählerwunsch nicht respektieren.

Sie sehen Frau Giffey im Wahlkampf beinahe täglich. Haben Sie schon mal vorgefühlt, ob sie offen ist für eine Koalition?

Ich rede jetzt nicht über Koalitionen, sondern über die Unterschiede zwischen den Parteien. Wir wollen einen echten Neustart für Berlin.

Die CDU hat den Anspruch, eine Großstadtpartei zu sein. In Berlin wird sie aber vor allem in den Randbezirken gewählt. Warum gelingt es Ihnen nicht, die Wählerschaft in Kreuzberg oder Mitte zu begeistern?

Berlin ist nicht nur der innere S-Bahnring. SPD, Grüne und Linke lassen die Außenbezirke links liegen. Ich will aber Politik für ganz Berlin machen. Und ich stoße in allen Ortsteilen auf ganz viel Zustimmung. Wenn ich in der Innenstadt unterwegs bin, höre ich immer wieder: 'Wir wollen unsere Parkplätze behalten, die Bildung ist katastrophal, die Digitalisierung funktioniert nicht.' Es gibt eine Wechselstimmung, auch in der Innenstadt.

Der Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungsunternehmern wurde mit großer Mehrheit angenommen. Trotzdem schließen Sie Enteignungen aus. Ist Ihnen der Wille der Berlinerinnen und Berliner egal?

Nein, ich nehme das sehr ernst. Der Volksentscheid war ein Hilferuf derjenigen, die keine Wohnung finden. Wir haben hier eine extreme Notlage. Die Mieten explodieren und es gibt viel zu wenig Wohnraum. Aber jetzt zu enteignen und bis zu 39 Milliarden Euro an Entschädigungen zu zahlen, ist keine Lösung. Dadurch entsteht keine einzige neue Wohnung, und der Wirtschaftsstandort wird massiv beschädigt. Wir müssen endlich Lösungen anbieten, die funktionieren.

Kai Wegner
Kai Wegner (Quelle: Axel Krüger/t-online)

Zur Person

Der 50-jährige CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner wurde in Berlin geboren. Er ist ausgebildeter Versicherungskaufmann. 1989 trat er in die CDU ein, für die er von 2005 bis 2021 im Bundestag saß. Seit der Wahl 2021 sitzt er im Berliner Abgeordnetenhaus.

Dass durch Enteignungen kein neuer Wohnraum entsteht, ist ein gerne genanntes Argument. Jetzt hat aber auch Vonovia angekündigt, alle Neubauprojekte für 2023 zu stoppen. Was halten Sie davon?

Sie sagen aktuell, dass es schlicht zu teuer ist, zu bauen. Man sieht aber auch, dass Rot-Grün-Rot seit vielen Jahren die Neubauziele verfehlt, auch schon vor Putins Überfall auf die Ukraine. Das Thema Enteignungen ist zusätzliches Gift für den Neubau. Wir brauchen die Privaten, denn die städtischen Gesellschaften werden das Problem nicht alleine stemmen können.

Ihr Generalsekretär Stefan Evers hat ins Gespräch gebracht, Vonovia zum Bauen zu zwingen. Ich dachte, die CDU steht für eine freie Wirtschaft, die das schon richtet?

Wir müssen uns angesichts der Baukostenexplosion mit den Privaten an einen Tisch setzen. Da erwarte ich auch endlich eine Initiative von SPD-Bundesbauministerin Klara Geywitz. Ich habe vor anderthalb Jahren schon gefordert, die Mehrwertsteuer bei der sozialen Wohnraumförderung auf sieben Prozent zu senken. Jetzt fordert Frau Giffey das plötzlich kurz vor der Wahl auch. Ich finde es ja gut, wenn sie unsere Ideen kopiert, aber da hätte sie viel früher ansetzen müssen.

Video | Kai Wegner über Currywurst, Döner und Schokoriegel
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Quelle: t-online

Wieso kämpfen Sie eigentlich so verbissen dafür, dass profitorientierte Unternehmen so viel Macht über den Berliner Wohnungsmarkt behalten?

Ich kämpfe dafür, dass alle Berliner wieder bezahlbaren Wohnraum finden. Den gibt es mit Rot-Grün-Rot in Berlin faktisch nicht mehr. Die Stadt wird weiter wachsen, das Problem wird noch größer. Für mehr bezahlbaren Wohnraum brauchen wir alle an Bord: Genossenschaften, städtische Wohnbaugesellschaften und die Privaten.

Sie haben anlässlich der Silvesterkrawalle nach den Namen der deutschen Täter gefragt. Sehen Sie darin nichts Verwerfliches?

Nein. Wir müssen Probleme klar benennen. Berlin hat ein riesiges Gewaltproblem, 365 Tage im Jahr. Das kommt von rechts, von links und auch von jungen Männern mit Migrationshintergrund. Franziska Giffey wollte diese Informationen verschweigen und stattdessen über Böllerverbote reden. Die Bundesinnenministerin der SPD, Frau Faeser, hat klar gesagt, woher die Täter kommen. Wir brauchen die kulturellen Hintergründe für passgenaue Integrations- und Präventionsangebote.

Die Debatte ist nicht neu. Die Menschen fühlen sich seit Jahrzehnten nicht zugehörig. Sie weisen ihnen durch die Vornamen bestimmte Eigenschaften zu, grenzen sie erneut aus. Also noch mal: Sehen Sie darin gar kein Problem?

Wer Probleme verschweigt, wird sie nicht lösen. Wir haben ganz viele Integrationserfolge in Berlin. Zur Wahrheit gehört aber auch: In Teilbereichen, bei einem sehr kleinen Teil der Menschen mit Migrationserfahrung, ist die Integration gescheitert. Das hat auch damit zu tun, dass Rot-Grün-Rot bewusst bei Problemen wegschaut. Wenn wir junge Menschen für unsere Gesellschaft zurückgewinnen wollen, müssen wir aber offen über Probleme sprechen, auch über die Hintergründe der Täter. Erfolgreiche Unternehmer aus der arabischen Community sagen mir, dass es genau richtig ist, was wir machen. Denn die Randalierer schaden auch ihrem Ruf. Wir müssen stattdessen viel mehr mit Vorbildern arbeiten, seien es Polizisten mit Migrationshintergrund, Musiker oder erfolgreiche Sportler. Die müssen den jungen Leuten sagen: Hört auf mit der Gewalt, seid ein Teil dieser Gesellschaft, die euch so viele Chancen bietet.

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Von Vornamen auf die Herkunft zu schließen, kennt man bisher eher von der AfD. Kämpfen Sie nicht auch um Wahlstimmen von Rechtsaußen?

Nein. Der Senat hat Probleme nicht benannt, das kann nicht die Antwort auf Gewalt sein. Allein im Jahr 2022 hatten wir 8.400 Angriffe gegen Polizeikräfte. Ein trauriger Höhepunkt. Ich will nicht ausgrenzen, ich möchte die jungen Leute gewinnen für unsere Gesellschaft. Das ist der Unterschied zur AfD. Die AfD will spalten, ich will zusammenführen.

Wie wollen Sie Krawalle an Silvester in Zukunft verhindern?

Ich habe mit Einsatzkräften gesprochen. Die waren nicht überrascht über die Brutalität gegen sie. Die Polizeiführung, also auch die SPD-Innensenatorin, hat die Lage unterschätzt. Es gab einzelne Wünsche aus der Polizei heraus, mehr Hundertschaften zu bekommen. Aber das wurde abgelehnt, mit der Begründung, Berliner Polizisten hätten sowieso zu viele Überstunden. So wie man da dieses Jahr herangegangen ist, riskiert man Menschenleben. Das darf nicht passieren. Die Silvesternacht entwickelt sich sonst zum neuen 1. Mai. Und überhaupt ist Berlin die Hauptstadt des Verbrechens, jede Minute passiert eine Straftat. Hinzu kommt die geringste Aufklärungsquote aller Bundesländer.

Was würden Sie konkret ändern?

Wir müssen die Polizei stärken. Wir müssen beispielsweise endlich für alle Einsatzkräfte Bodycams bereitstellen. Auch Taser müssen kommen. Und wir müssen für mehr Personal sorgen. Aber statt das zu tun und die Gehaltslücke zu schließen, bekommt die Polizei bei uns eine Sprachfibel, mit der SPD, Grüne und Linke den Polizeibeamten vorschreiben wollen, wie sie auf der Straße zu sprechen haben. So geht das nicht.

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Beschwerde des Landes Berlin abgelehnt. Das im Neutralitätsgesetz festgeschriebene pauschale Kopftuchverbot für Lehrerinnen ist nicht zulässig. Wie stehen Sie dazu?

Es ist wichtig, dass die Schule ein neutraler Ort bleibt, frei von religiöser oder weltanschaulicher Einflussnahme. Das Kopftuch und alle anderen religiösen Symbole gehören dort nicht hin. Deshalb will die CDU das Neutralitätsgesetz rechtssicher fortentwickeln.

Ist es nicht ein Grundrecht der Menschen, die Religionszugehörigkeit offen zu zeigen und zu leben?

Die Schule soll Werte und Wissen vermitteln, aber keine Religionspräferenz.

Die Konsequenz ist vermutlich, dass Kopftuchträgerinnen ausgeschlossen werden. Das Kopftuch werden wohl die wenigsten ablegen. Sagten Sie nicht, Integration sei Ihnen wichtig?

Als Repräsentanten des Staates müssen Lehrerinnen im Dienst religiös und weltanschaulich neutral auftreten. Das ist wichtig, gerade mit Blick auf die Kinder. Es geht mir darum, die Gleichberechtigung der Geschlechter und die freiheitlichen Werte unserer Gesellschaft zu schützen. Der Schulfrieden muss gewahrt bleiben.

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Warum machen Sie so sehr Politik für das Auto, obwohl man es in Berlin kaum braucht?

Ich glaube nicht, dass das so ist. Wir haben 1,5 Millionen zugelassene Autos in Berlin, nicht weil die Berliner Autos so mögen, sondern weil sie schlichtweg darauf angewiesen sind. Derzeit fahren die U1, U2, U3, U6 und U8 nicht richtig. Die S-Bahn fällt auch aus. Die Außenbezirke sind nur schlecht an den ÖPNV angeschlossen und Carsharing gibt es dort gar nicht. Die Grünen wollen die Menschen umerziehen. Deshalb machen sie auch keine Politik für eine Mobilitätswende, sie machen eine Politik gezielt gegen Autofahrer. Das kann nicht die Lösung sein, schon gar nicht für eine Metropole wie Berlin, wo es nicht das eine Zentrum gibt. Ich will auch eine Mobilitätswende, gleichzeitig aber eine Verkehrspolitik, bei der wir alle mitnehmen. Wir laufen auf vier Millionen Einwohner zu, aber der ÖPNV wächst nicht mit. Das ist das Kernproblem. Und Frau Jarasch bremst den Verkehr in der Metropole Berlin völlig aus.

Frau Jaraschs Ziel ist zukünftig eine Mobilität weitestgehend ohne Auto, auch in den Randbezirken. Für wie realistisch halten Sie das?

Gar nicht. Sie will auch ab 2030 normale Autos in der Berliner City verbieten. Das ist in sieben Jahren. Wer soll sich denn bis dahin alles ein Elektroauto leisten können? Wir sind immer noch in einer Energiekrise. Frau Giffey hat erst vor Kurzem vor einem Blackout gewarnt und jetzt sollen 1,5 Millionen Autos bis 2030 tagtäglich aufgeladen werden? Das sind doch Wunschträume. Ich will Elektromobilität fördern, aber mir geht es um Angebote statt Verbote, um Freiwilligkeit statt Zwang.

Sie wollen die Verlängerung der A100 und betiteln sie als "Klimaautobahn". Ist der Begriff allein nicht schon widersprüchlich?

Wenn die Autobahn fertig ist, sind nach Frau Jaraschs Plänen ja nur noch Elektrofahrzeuge erlaubt. CO2 wird also keines ausgestoßen (lacht).

Aber das wollen Sie ja gar nicht.

Ich will auch den Anteil von Autos mit umweltfreundlichen Antriebsformen erhöhen. Aber es ist nicht realistisch, bis 2030 keine Verbrenner mehr zu haben.

Zurück zur A100. Warum wollen Sie die Verlängerung?

Wir wollen, dass es weniger Durchgangsverkehr in den Wohngebieten gibt. Die Stadt ist dicht, überall. Die A100-Verlängerung wird den Verkehr da herausziehen. "Klimaautobahn" bedeutet in diesem Zusammenhang: Wir machen einen Deckel über die Fahrbahn samt Fotovoltaikanlagen, Grünflächen, Fahrrad-Highway, neuen Clubs, Spielplätzen und vielem mehr.

Von den Anwohnern gibt es Kritik, weil Sie dadurch massiv ins Stadtbild eingreifen. Allein am Ostkreuz müssten fünf Clubs weichen.

Ich kann die Kritik nachvollziehen. Die Clubs würden neue Stätten in direkter Umgebung bekommen, denn sie sind die DNA dieser Stadt. Zugleich ist die A100 von gesamtstädtischer Bedeutung – und mit unserem Gesamtkonzept bringen wir beide Anliegen gut zusammen.

Wissen Sie, wie viele Berlinerinnen und Berliner Sie laut dem aktuellen Berlintrend überhaupt kennen?

Etwa die Hälfte, glaube ich.

Richtig, 54 Prozent. Nur die Spitzenkandidatin der AfD schneidet schlechter ab. Woran liegt das?

Daran, dass ich noch keine Regierungsverantwortung habe. Umso mehr freue ich mich darüber, dass meine Bekanntheits- und Zustimmungswerte stetig steigen. Klaus Wowereit kannte übrigens kein Mensch, bevor er 2001 Regierender Bürgermeister wurde. Wir in der CDU haben immer gesagt, der ewige Stadtrat aus Tempelhof wird nie Bürgermeister. Das kam anders. Und jetzt spüren wir eine starke Wechselstimmung in der Stadt, hin zu einem echten Neustart mit der CDU.

Würde die Berliner CDU mit einem prominenteren Kandidaten nicht besser dastehen? Es gab Gerüchte, dass die Bundespartei gerne Jens Spahn zum Spitzenkandidaten für die Wiederholungswahl machen wollte.

Davon habe ich auch gelesen, die Gerüchte hatten sich dann aber schnell wieder erledigt.

War da was dran?

Nein. Ich habe dann auch mit Jens Spahn telefoniert. Das Gerücht kursierte keine 24 Stunden.

Was machen Sie, wenn Sie wieder nicht Bürgermeister werden?

Damit beschäftige ich mich nicht. Ich war früher mal Sportler und trete mit dem Anspruch an, Erster zu werden. Die Chancen dafür stehen sehr gut, denn die Berliner erkennen: So wie es ist, darf es nicht bleiben.

Verwendete Quellen
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