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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Gedenken an Erich Schulz "Reichsbanner"-Aktivist vor 100 Jahren auf offener Straße erschossen

Vor 100 Jahren erschoss ein Rechtsextremer den Lagerarbeiter Erich Schulz in Berlin-Schöneberg. Erst seit 2017 wird der Tat wieder gedacht – woran liegt das?
"Hakenkreuzler erschiesst Reichsbanner-Mann": So titelte die Berliner Morgenpost einen Artikel am 26. April 1925. Am Freitag jährt sich der Todestag des Getöteten Erich Schulz zum hundertsten Mal. Die Tat ist mehrere Jahrzehnte lang weitgehend in Vergessenheit geraten. Seit 2017 finden jedes Jahr Gedenkveranstaltungen statt. Doch was ist eigentlich passiert?
Schulz war Mitglied des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, einer überparteilichen Organisation zum Schutz der jungen Demokratie in der Weimarer Republik. Dabei engagierte er sich in der Kameradschaft Kreuzberg. An seinem Todestag am 25. April 1925 unterstützte er eine Werbefahrt für den Zentrumskandidaten zur bevorstehenden Reichspräsidentenwahl.
Großer Protest bei der Beisetzung
In der Innsbrucker Straße trafen die Mitglieder in einem Möbelwagen auf den 21-jährigen Alfred Rehnig, Mitglied des rechtsextremen "Bund Wiking". Mutmaßlich bei einem Handgemenge schoss Rehnig mit seiner Waffe und verletzte Schulz dabei tödlich.
Die Tat löste großen Protest aus: Tausende Menschen säumten bei der Beisetzung die Straßen, als der Trauerzug durch Kreuzberg zum Neuen Garnisonfriedhof (heute Friedhof Columbiadamm) zog.
Täter bei Prozess freigesprochen
Während des Prozesses gegen den Schützen Rehnig kam es zu Widersprüchen zum Tatablauf. Laut Prozessberichten aus der Presse, die im Staatsarchiv einsehbar sind, stand die Frage im Raum, ob es sich bei dem Schuss um Notwehr gehandelt haben könnte.
Mangels Beweise wurde der Angeklagte von dem Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung mit Todesfolge freigesprochen. Das löste erneut Kritik aus: In vor allem linken Zeitungen war die Rede von einer "Klassenjustiz". Später trat Rehnig sowohl der NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei) als auch der SS (Schutzstaffel) bei.
Lange vergessen: Jährliches Gedenken seit 2017
Am Friedhof Columbiadamm wurde ein vom Reichsbanner gestifteter Grabstein errichtet, der bis heute erhalten ist. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 fanden dort keine offiziellen Gedenkveranstaltungen mehr statt. Erst 2016 wurde der Grabstein restauriert, seit 2017 wird wieder jährlich an den Vorfall gedacht.
Anlässlich des 100. Jahrestages seines Todes finden am Freitag (25. April) in Berlin mehrere Gedenkveranstaltungen statt. Dabei versammeln sich Vertreter aus Politik und Zivilgesellschaft am Grab von Erich Schulz auf dem Friedhof Columbiadamm in Neukölln. Auch ein Ehrendenkmal am Technischen Museum soll eingeweiht werden.
Die Veranstaltungen erinnern an die über 50 Mitglieder des Reichsbanners, die vor 1933 Opfer rechtsextremer und nationalsozialistischer Gewalt wurden.
- gdw-berlin.de: "Einladung zur Gedenkveranstaltung für Erich Schulz am 25. April 2025"
- gsta.spk-berlin.de: Zeitungsausschnitte zur Mordtat des Mitgliedes des Wikingerbundes Alfred Rehnig an dem Reichsbannermitglied Erich Schulz in Berlin, zum Prozessverlauf und zum Freispruch
- reichsbanner.de: "Gedenken an den ersten Reichsbanner-Toten in Berlin: Erich Schulz"
- vorwaerts.de: "Erich Schulz – ermordet im Kampf für die Demokratie"
- republikpolizei.de: "Erich Schulz – Der erste Reichsbanner-Tote"