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Aachen: "Kirche muss sich schämen" – Demo gegen Bischof Dieser | Missbrauch


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400 Aachener protestieren
Demo gegen Bischof Dieser: "Kirche muss sich schämen"


19.11.2024Lesedauer: 3 Min.
Über 400 Menschen kamen am Montagabend zur Demo am Elisenbrunnen.Vergrößern des Bildes
Über 400 Menschen kamen am Montagabend zur Demo am Elisenbrunnen. (Quelle: Michael Klarmann)
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Am Elisenbrunnen protestieren Missbrauchsopfer und deren Unterstützer gegen den Aachener Bischof Helmut Dieser. Der ist selbst anwesend – will aber nicht vor der Menge sprechen.

Ob Bischof Dieser wirklich kommt? Dieter Gieser ist aufgeregt vor der Demo am Elisenbrunnen. Er ist Mitglied im Betroffenenrat. Der vertritt die Missbrauchsopfer der katholischen Priesterim Bistum Aachen. "Sollte er kommen, wird er wohl versuchen, sich darzustellen, als hätte er nichts gemacht", sagt Giesen .

Es geht bei dieser Demo um Bischof Helmut Dieser und seine umstrittene Entscheidung: Er hatte vor Gericht der Verjährung von zwei Missbrauchsfällen zugestimmt. Viele andere Bischöfe, die sich wegen Missbrauchsfällen vor Gericht verantworten mussten, folgten im Anschluss seinem Beispiel.

Die Polizei hatte im Vorfeld mit 120 Menschen gerechnet, die zur Demo kommen würden, etwa 400 sind gekommen. Unter ihnen ist das Ehepaar Schulte. Warum sie heute hier sind? "Gerechtigkeit", sagt Monika Schulte. "Und der Schutz von Kindern", ergänzt Ehemann Rolf. Das Schlimmste, sagt er, sei nicht allein, dass die Priester unbestraft blieben. Viele von ihnen hätte einfach für das Bistum weiterarbeiten dürfen, seien lediglich in andere Gemeinden versetzt worden. Die angekündigte Studie der Bistümer zur Prävention von sexuellem Missbrauch interessiere sie nicht. "Was helfen die ganzen Studien, wenn die einfach weitermachen?", fragt Monika Schulte.

Die Demo beginnt. Erste Rednerin ist Marie-Theres Jung, Vorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschland. Sie erwähnt, dass Bischof Dieser im Vorfeld angeboten wurde, ein Grußwort an die Versammelten zu richten. Ob er jedoch wirklich vor Ort ist, sei unklar. Es hagelt Pfiffe für den Bischof. Sie fährt fort. Jahrelang sei im Zuge der Missbrauchsfälle versucht worden, die Institution Kirche zu schützen. Aber: "Die Kirche muss sich schämen", sagt sie. Und: "Wir müssen uns schämen, wenn wir nicht anklagen."

Paul Leidner vom Betroffenenrat ergreift das Wort. Er bittet jetzt den Bischof höchstselbst für sein Grußwort nach vorn, sollte dieser tatsächlich vor Ort sein. Es herrscht kurz ungewisse Stille. Doch Helmut Dieser tritt nicht hervor. Wieder gibt es Pfiffe.

Schmitz: Taten der Priester "noch schlimmer" als geschildert

Manfred Schmitz vom Betroffenenrat tritt an das Mikrofon. Bei den Missbrauchsfällen könne man nicht von Einzeltätern sprechen. Es seien ganze Netzwerke gewesen, ein "gemeinschaftlicher Missbrauch", so Schmitz. Jahrelang habe die Kirche von den Fällen gewusst und diese vertuscht. Die Taten der Priester seien sogar "noch schlimmer" gewesen, als sie in den Medien geschildert worden seien.

Er habe für seine Klageschrift damals zwei Wochen gebraucht. Dass er selbst über 100.000 Euro in internen Verfahren an Schmerzensgeld erhalten habe, sei eine Ausnahme. Im Durchschnitt hätten die Betroffenen nur zwischen 10.000 und 12.000 Euro erhalten. Selbst der Richter am Aachener Landgericht habe im vergangenen Sommer gesagt, dass es ihm dabei "kalt den Rücken runter" laufe. Die Menge applaudiert.

Gron: Kirche hat "Täter geschützt"

Dann folgt eine Rede von Thomas Gron, Soziologe an der RWTH und Vorsitzender der unabhängigen Aufarbeitungskommission im Bistum Aachen. "Ihr habt es nicht verstanden", sagt er in Richtung Bischof und seinen Gremien.

Die Erfahrungen der Betroffenen "machen was mit einem", sagt Thomas Gron. Damals habe es keine Therapien gegeben, viele von ihnen hätten Jahre und Jahrzehnte nicht darüber sprechen können, was ihnen angetan wurde. "Die Kirche hat nicht zugehört und Täter geschützt", sagt er.

Dieser spricht im Anschluss mit t-online

Die Demo ist vorbei. Und immer noch die Frage: Wo ist Helmut Dieser? Er zeigt sich schließlich im Getümmel. "Ich bin hier, um mitzukriegen, was die Menschen bewegt und welche Atmosphäre hier herrscht", sagt er im Gespräch mit t-online. Warum er auf das ihm angebotene Grußwort verzichtet hat? "Weil das für mich kein Podium ist, in einer vertrauensvollen Auseinandersetzung gehört zu werden und meine Dinge irgendwie verständlich machen zu können", so Dieser.

Paul Leidner vom Betroffenenrat zeigt sich enttäuscht über die Entscheidung des Bischofs, auf das Grußwort zu verzichten. "Ich finde das bedauerlich", sagt er. "Aber das ist seine Entscheidung, damit muss er selbst klarkommen."

Als Grund für seine Zustimmung zur Verjährung in den Missbrauchsfällen führt Dieser an: "Ich persönlich habe das nicht alleine entschieden." Es sei ein komplexer Entscheidungsprozess gewesen, in dem es um die Klagesumme von 100.000 Euro gegangen sei. Zwar hatte er vorher versprochen, auf die Zustimmung zu verzichten. Die Gremien seien aber "seiner Argumentation nicht gefolgt". Auf die Frage, ob er die Verantwortung damit den Gremien zuweisen wolle, erwidert er: "Wir haben alle Verantwortung. Ich habe es versucht, aber es ist eine Entscheidung, die ich nicht alleine herbeigeführt habe." Er wolle sich aber "nicht hinter den Gremien verstecken".

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
  • Eigene Artikel
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